Jung und fundamentalistisch: Die Töchter des Westens in den Reihen des globalen Dschihad


Westliche Fruaen im islamischen Terrorismus(Lon­don) Der Ver­dacht, daß bei der blu­ti­gen Gei­sel­nah­me durch isla­mi­sti­sche Ter­ro­ri­sten vom 21. Sep­tem­ber in Nai­ro­bi eine zum Islam kon­ver­tier­te Eng­län­de­rin betei­ligt gewe­sen sein könn­te, genüg­te, um Salz in eine schmer­zen­de und schwer faß­ba­re Wun­de des Westens zu streu­en: jun­ge Euro­pä­er, Män­ner und Frau­en, schlie­ßen sich dem Islam an und sind bereit für Allah und Moham­med zu ster­ben und dabei mög­lichst vie­le Nicht-Mos­lems zu töten. Ihre Zahl ist nicht groß und den­noch stellt jedes ein­zel­ne Schick­sal vor ein Rät­sel. Was bewegt die­se jun­gen Men­schen, was treibt sie dazu, sich von ihren Fami­li­en, ihrer Umge­bung, ihrem Land abzuwenden?

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Die Bel­gie­rin Muri­el Degau­que hält einen trau­ri­gen ersten Platz: Sie war die erste west­li­che Frau, die sich als Kami­ka­ze im Irak selbst in die Luft spreng­te. Das war im Jahr 2005. Muri­el stamm­te aus einer länd­li­chen Gegend nah der wal­lo­ni­schen Stadt Char­le­roi, kaum 30 Kilo­me­ter von der Gren­ze zu Frank­reich ent­fernt. In den Irak gelang­te Muri­el im Auto über die Tür­kei. Ver­ant­wort­lich dafür war ihr drit­ter Ehe­mann. Die Wal­lo­nin hat­te bereits zwei geschei­ter­te Ehen hin­ter sich. Jeweils mit Mos­lems. Zum Islam hat­te die Agno­sti­ke­rin Degau­que bereits bei der ersten Ehe kon­ver­tiert. Der Islam war ihr da noch nicht wich­tig. Mit der zwei­ten Ehe begann sie den Islam ern­ster zu neh­men. Ihr drit­ter Ehe­mann war schließ­lich ein Isla­mist. Im Alter von 38 Jah­ren, am 9. Novem­ber, dem Tag, an dem Euro­pa des Mau­er­falls in Ber­lin und des Endes der kom­mu­ni­sti­schen Dik­ta­tu­ren im Osten Euro­pas gedenkt, hat Muri­el ganz ande­res im Kopf. Sie stopft sich mit Spreng­stoff voll und nähert sich in Baquba im Nor­den von Bag­dad einem Kon­troll­punkt der Poli­zei. Fünf Poli­zi­sten sind auf der Stel­le tot, ein wei­te­rer Offi­zier und vier Zivi­li­sten schwer­ver­letzt. In Stücke zer­fetzt wur­de auch Muri­el, die sich selbst in die Luft gesprengt hat­te: für Allah.

Muriel Degauque gilt als erste Europäerin, die sich als islamistische Selbstmordattentäterin selbst in die Luft sprengte und dabei mehrere Menschen töteteVom westlichen Wohlstandstrott zur islamistischen Terroristin

Seit sie wegen ihrer ersten Ehe mit einem nord­afri­ka­ni­schen Mos­lem den Islam ange­nom­men hat­te, nann­te sich Muri­el Miri­am. Anfangs trug sie nur ein isla­mi­sches Kopf­tuch. Nach der drit­ten Ehe den Scha­dor. „Sie wur­de mehr Mos­lem als ein Mos­lem“, so Muri­els Mut­ter. Muri­els letz­ter Mann Issam Goris, ein Dschi­ha­dist in den Rei­hen von Al-Qai­da wur­de im Irak von Sicher­heits­kräf­ten erschossen.

Nun wur­de bekannt, daß sich unter den Ter­ro­ri­sten der soma­li­schen Isla­mi­sten­mi­liz al-Shab­bab, die für die Gei­sel­nah­me von Nai­ro­bi ver­ant­wort­lich ist, bei der mehr als 60 Men­schen getö­tet wur­den, eine Eng­län­de­rin gewe­sen sei. Die Poli­zei konn­te die Anga­be noch nicht mit letz­ter Sicher­heit bestä­ti­gen. Es gibt jedoch den drin­gen­den Ver­dacht, daß Saman­tha Lew­thwai­te Mit­glied des Ter­ror­kom­man­dos war. Lew­thwai­te ist die Wit­we eines isla­mi­sti­schen Ter­ro­ri­sten, der an den Selbst­mord­at­ten­ta­ten vom 7. Juli 2005 in Lon­don betei­ligt war. Die Eng­län­de­rin wird in Kenia wegen Ter­ro­ris­mus gesucht.

Jedes Mal wenn eine sol­che Nach­richt auf­taucht, stellt sich die Fra­ge, wie jun­ge Euro­päe­rin­nen zu Ter­ro­ri­stin­nen für den Dschi­had wer­den kön­nen. Die Geschich­te der Bel­gie­rin Muri­el und der Eng­län­de­rin Saman­tha erin­nern an die belieb­te ame­ri­ka­ni­schen Fern­seh­se­rie Home­land. Dort kämpft ein CIA-Agent nach dem 11. Sep­tem­ber gegen eine isla­mi­sti­sche Ter­ror­zel­le, um ein Atten­tat zu ver­hin­dern. Die Zel­le besteht aus einem ara­bisch-mos­le­mi­schen Mann und einer jun­gen US-Ame­ri­ka­ne­rin. In der TV-Serie ist es die jun­ge Ame­ri­ka­ne­rin, die ihren mos­le­mi­schen Gelieb­ten zum Ter­ro­ri­sten wer­den läßt. Die Rea­li­tät sieht etwas anders aus.

Konvertiten stammen aus atheistisch-agnostischem Umfeld – Islam als Alternative zum „dekadenten Westen“?

Die Zahl der euro­päi­schen Kon­ver­ti­ten zum Islam ist nicht groß, nimmt aber zu. Sie stam­men in der Regel aus einem athe­isti­schen oder agno­sti­schen Umfeld. Reli­gi­on spiel­te für sie bis­her nicht wirk­lich eine Rol­le. Durch Hoch­zeit mit einem isla­mi­schen Ehe­part­ner kon­ver­tie­ren sie zum Islam, was ihnen nicht schwer­fällt, weil ihnen Reli­gi­on als „nicht rele­vant“ gilt. Der Ehe­part­ner will es, per­sön­lich ist es ihnen meist egal, wes­halb sie den Schritt ohne wei­te­res set­zen. Die Ehe führt dann zu einer Umpo­lung, die sich bei Muri­el stu­fen­wei­se in drei Ehen voll­zog: von der „nor­ma­len“ Mus­li­ma zur Selbst­mord­at­ten­tä­te­rin. Soweit die Ent­wick­lung bei Frauen.

Muriel alias Miriam kurz vor ihrem Selbstmordattentat in der Pose einer DschihadistinBei jun­gen euro­päi­schen Män­nern ist es nicht die Ehe, die sie zum Islam führt, son­dern das Milieu in dem sie auf­wach­sen. Es gibt zahl­rei­che Vier­tel in vie­len euro­päi­schen Städ­ten, in denen die ein­hei­mi­sche Bevöl­ke­rung eine ver­schwin­dend klei­ne Min­der­heit gewor­den ist. Wo es eine stär­ke­re Kon­zen­tra­ti­on isla­mi­scher Bevöl­ke­rung gibt, bil­de­te die­se den domi­nan­ten Teil. Jun­ge Euro­pä­er, wenn sie in ihrem Lebens­um­feld „dazu­ge­hö­ren“ wol­len, müs­sen den Anschluß an isla­mi­sche Jugend­grup­pen suchen oder abwan­dern. Gera­ten die isla­misch domi­nier­ten Jugend­grup­pen in den Sog des Isla­mis­mus, wer­den in einem grup­pen­dy­na­mi­schen Pro­zeß auch euro­päi­sche Mit­glie­der mitgerissen.

„Weiße Terroristen“ als neue internationel Dschihad-Elite?

Die eigent­li­che Ursa­che für den isla­mi­schen Fun­da­men­ta­lis­mus steckt im Leben der jun­gen Euro­päe­rin­nen und Euro­pä­er in einer durch und durch ruhi­gen, demo­kra­ti­schen Gesell­schaft, wie sie Phil­ip Roth in sei­nem Roman Ame­ri­ka­ni­sches Idyll beschreibt. Ver­gan­ge­ne Woche schrieb Il Foglio: „Die­se ‚wei­ßen Ter­ro­ri­sten‘ sind das Gesicht einer neu­en inter­na­tio­na­len Dschi­had-Eli­te. Es sind nicht die Ent­rech­te­ten die­ser Welt […], heu­te ist das Gesicht die­ses Ter­ro­ris­mus häu­fig weiß und euro­pä­isch und ent­springt dem Haß des Westens gegen sich selbst.“

Nicoles Tod in Syrien „für den Islam“

Auch Nico­le Mans­field, eine Ame­ri­ka­ne­rin aus dem US-Bun­des­staat Michi­gan wur­de für den bewaff­ne­ten Dschi­had ange­wor­ben. Im ver­gan­ge­nen März wur­de sie in Syri­en von Regie­rungs­trup­pen im Kampf gegen isla­mi­sti­sche Rebel­len­mi­li­zen getö­tet. Sie ist in das trau­ri­ge Kom­man­do west­li­cher Mos­lem­kon­ver­ti­ten ein­ge­gan­gen. Nico­le Mans­fields Leben ver­lief wie das vie­ler „wei­ßer Ter­ro­ri­sten“. Ein chao­ti­sches Leben ohne Reli­gi­on in einem ermat­te­ten, selbst­ge­fäl­li­gen Westen, der außer Kon­sum jun­gen Men­schen, die wenig Halt haben, kaum etwas zu bie­ten scheint. „Nico­le rei­ste ger­ne“, erzählt ihre Fami­lie. „Sie war so. Sie brach auf, ohne irgend­wem etwas zu sagen und war wochen­lang weg. Man wuß­te nie, wo sie gera­de war.“ Im Alter von 33 Jah­ren starb sie in Syri­en für den Islam. „Sie war ein so fried­fer­ti­ges Mäd­chen, das allen gefal­len woll­te. Ich den­ke, man hat ihr eine Gehirn­wä­sche ver­paßt“, mit die­sen Wor­ten ver­sucht sich die Groß­mutter das Ende ihrer Enke­lin zu erklä­ren. Bei ihr wuchs Nico­le auf, nach­dem sich die Eltern schei­den hat­ten lassen.

Heu­te erin­nert sich die Fami­lie an eine „selt­sa­me Rei­se“ nach Dubai und eine kur­zen Ehe mit einem Mos­lem, den die Fami­lie aber nie zu Gesicht bekam. Sie ver­mu­tet, daß die Ehe mög­li­cher­wei­se nur dazu dien­te, einem Mos­lem eine Green Card für die USA zu ver­schaf­fen. Vor vier oder fünf Jah­ren ließ Nico­le ihr bap­ti­sti­sches Chri­sten­tum hin­ter sich und kon­ver­tier­te zum Islam. Nico­le hat eine Toch­ter, die sie aber nun nicht mehr wirk­lich inter­es­siert. Sie nimmt einen neu­en, isla­mi­schen Namen an und geht schließ­lich nach Syri­en, wo sie den Tod findet.

Beklemmende Frage: Wieviele Europäer stecken in der Todesspirale des Dschihad?

Kathe­ri­ne Rus­sell, 24, US-Ame­ri­ka­ne­rin, ist ein ande­res Bei­spiel. Sie ist die Ehe­frau von Tame­r­lan Tsa­mey, einem der Atten­tä­ter auf den Mar­tahon von Bos­ton, bei dem drei Men­schen ster­ben und über 200 ver­letzt wer­den. Kathe­ri­ne ist kei­ne Ter­ro­ri­stin. Die Bom­ben wur­den jedoch in ihrem Haus gebaut. Hat­te sie nichts davon mit­be­kom­men? Die isla­mi­sti­sche „Gehirn­wä­sche“, von der Nico­les Fami­lie eben­so aus­geht, wie jene Muri­els, mach­te Kathe­ri­ne, die seit ihrer Ehe den Hid­schab trägt, nicht zur Ter­ro­ri­stin wie Muri­el, aber den­noch blind. Kathe­ri­ne lebt inzwi­schen wie­der bei ihren Eltern in einer gut­bür­ger­li­chen Wohn­ge­gend von Rho­de Island, der Vater ist Arzt. Viel­leicht ist ihr der Aus­stieg aus der Todes­spi­ra­le des isla­mi­sti­schen Dschi­had gelun­gen. Wie vie­le jun­ge Män­ner und Frau­en aus Euro­pa und den USA befin­den sich jedoch noch in die­ser Spi­ra­le und wer­den immer tie­fer hin­ein­ge­zo­gen? Eine beklem­men­de Fra­ge, denn der Dschi­had tötet.

Text: Tempi/​Giuseppe Nardi
Bild: Tempi/​McClatchyWatch

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