Umbau der Kulturlandschaft – 2800 Kirchen sollen in Frankreich verschwinden


Die Zerstörung einer Kulturlandschaft: Kirchenabbruch in Frankreich. 2800 Kirchen vor allem im ländlichen Raum sollen laut einem Bericht des französischen Senats bald davon betroffen sein.(Paris) Frank­reichs Bür­ger­mei­ster rei­ßen katho­li­sche Kir­chen ein, um Park­plät­ze oder Ein­kaufs­zen­tren zu bau­en. Die Reno­vie­rungs­ko­sten sei­en zu hoch. 2800 Kir­chen wer­den auf die­se Wei­se ver­schwin­den, so ein Bericht des fran­zö­si­schen Senats.

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In Frank­reich ist der Streit um den Abbruch katho­li­scher Kir­chen nicht neu. Sie sind bau­fäl­lig und ver­las­sen. Und doch erhebt sich jedes Mal hef­ti­ger Pro­test aus der Bevöl­ke­rung, wenn ein Got­tes­haus dem Erd­bo­den gleich­ge­macht wer­den soll. „Die Men­schen spü­ren, daß mehr als nur eini­ge Mau­ern ein­ge­ris­sen wer­den. Sie spü­ren eine grund­le­gen­de Ver­än­de­rung ihrer Umge­bung, ihrer Kul­tur und damit ihres eige­nen Seins“, schrieb dazu Clau­de Vil­lot, der nicht im Ver­dacht des Ultra­mon­ta­nis­mus steht.

Die jüng­sten Fäl­le liste­te die katho­li­sche Tages­zei­tung La Croix auf: Saint-Blai­se du Breuil in Alli­er, Saint-Pie‑X in Hérault, Saint-Jac­ques d’Abbeville in Som­me (Bild) und Saint-Pierre-aux-Liens in Gesté im Depar­te­ment Maine-et-Loire. Die Zahl der seit dem Jahr 2000 in Frank­reich abge­ris­se­nen katho­li­schen Kir­chen wird auf 20 geschätzt. Wei­te­re 250 könn­ten bald fol­gen. Laut einem Bericht des fran­zö­si­schen Senats wird die Zahl der Kir­chen, die bestimmt sind, aus der fran­zö­si­schen Land­schaft zu ver­schwin­den, auf 2.800 geschätzt. Die mei­sten von ihnen befin­den sich im länd­li­chen Raum.

„Weniger Priester, weniger Gläubige, weniger Bedarf“, so lautet das neue Mantra der Kommunalpolitiker

„Weni­ger Prie­ster, weni­ger Mes­sen, weni­ger prak­ti­zie­ren­de Gläu­bi­ge, daher weni­ger Bedarf, gro­ße Kir­chen zu erhal­ten, wenn eine Kapel­le aus­rei­chen wür­de“. Das ist das neue Man­tra, schrieb Guy Mas­sin Le Goff, Denk­mal­pfle­ger, 2009 in sei­nem Bericht La polé­mi­que autour de la démo­li­ti­on des égli­ses: le cas du Maine-et-Loire. Es ist die­se For­mel, die vie­le fran­zö­si­sche Gemein­de ver­an­laßt, den Abbruch einer teu­ren Reno­vie­rung vor­zu­zie­hen. Durch die zahl­rei­chen, revo­lu­tio­nä­ren Ein­grif­fe, mit denen sich der fran­zö­si­sche Staat im Lau­fe der Geschich­te am Kir­chen­be­sitz ver­griff, befin­den sich vie­le Kir­chen im Besitz der Kommunen.

„Den Gebrauch der Kir­chen nur anhand der Mes­sen, sonn­tags oder an Werk­ta­gen zu berech­nen, hie­ße die Rea­li­tät nicht rich­tig dar­zu­stel­len“, so der Exper­te. „Eine Kir­che ist nicht nur ein Ort, der für die Eucha­ri­stie­fei­er offen ist, oder für Tau­fen, Hoch­zei­ten oder Beer­di­gun­gen. Sie wird vor allem auch für das per­sön­li­che Gebet der Gläu­bi­gen genützt. Die ange­zün­de­ten Ker­zen bele­gen, daß es viel­fäl­ti­ge und zahl­rei­che Grün­de gibt, an die Kir­chen­tür zu klop­fen, ob allein oder in klei­nen Grup­pen“, so Mas­sin Le Goff, der die Bür­ger­mei­ster von Anjou, einer der histo­ri­schen Land­schaf­ten des fran­zö­si­schen Katho­li­zis­mus, scharf kri­ti­sier­te wegen der Leich­tig­keit, mit der sie den Abbruch von Kir­chen beschlie­ßen. In man­chen Fäl­len wird eine Bau­fäl­lig­keit des Got­tes­hau­ses ein­fach ange­nom­men, um neue Bau­pro­jekt umset­zen zu kön­nen, denen die Kir­che im Weg steht.

„Was wäre dieser Ort ohne seine Kirche?“ – Was keinen „Gewinn“ bringt, muß weg

Mas­sin Le Goff erin­nert dar­an, daß in den mei­sten Fäl­len, der Ort um die Kir­che ent­stan­den ist und nicht umge­kehrt. Die Kir­che abzu­rei­ßen, bedeu­te ihren Mit­tel­punkt her­aus­rei­ßen und die eige­ne Ver­gan­gen­heit aus­zu­lö­schen. „Was wäre die­ser Ort ohne sei­ne Kir­che?“, lau­tet daher die erste Fra­ge, die sich Mas­sin Le Goff stellt, wo immer er hin­ge­ru­fen wird. Als vor­bild­haft bezeich­net der Denk­mal­schüt­zer die Ent­schei­dung des Gene­ral­rats von Maine et Loire, auch Gel­der für die Reno­vie­rung von Kir­chen zur Ver­fü­gung zu stel­len, die nicht unter Denk­mal­schutz stehen.

Für Bea­tri­ce de Andia, Grün­de­rin des Doku­men­ta­ti­ons­zen­trums für das reli­giö­se Kul­tur­er­be ist das, was in Frank­reich geschieht, höchst beun­ru­hi­gend: „Zum ersten Mal zer­stö­ren wir Kult­stät­ten ohne erkenn­ba­ren Grund, um Platz zu schaf­fen für Park­plät­ze, Restau­rants, Bou­ti­quen, Plät­ze oder Woh­nun­gen. Die Bot­schaft der Abris­se ist klar: das Reli­giö­se, das Hei­li­ge, das Kul­tur­er­be, das, was ‚kei­nen Gewinn‘ bringt, muß wei­chen. Die Zer­stö­rer prä­sen­tie­ren sich als bra­ve Ver­wal­ter, die um die Gemein­de­kas­se besorgt sind, die, laut ihnen, die Kosten für die Reno­vie­rung der Kir­che nicht tra­gen könn­te.“ Die War­tung „ist jedoch eine Pflicht der Bür­ger­mei­ster“, so de Andia.

Landpfarreien dramatisch reduziert – Weniger Priester, mehr Diakone: gegenläufige Tendenz

Einer der Grün­de für die “leich­ten“ Abbruch­ver­fü­gun­gen ist der fort­schrei­ten­de Rück­gang der Prie­ster in Frank­reich. 2001 gab es laut offi­zi­el­len Anga­ben der Bischofs­kon­fe­renz noch 24.251 Diö­ze­san- und Ordens­prie­ster. 2008 waren es nur mehr 19.640, davon 15.008 Diö­ze­san­prie­ster. Deren Zahl war zum 31. Dezem­ber 2011 (neu­er Sta­ti­sti­ken lie­gen noch nicht vor) auf 13.822 gesun­ken. 2011 gab es 13.630 Pfar­rei­en. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren wur­den von den Bischö­fen neue Pfar­rei­en errich­tet, um den demo­gra­phi­schen Ver­än­de­run­gen Rech­nung zu tra­gen. Die neu­en Pfar­rei­en kon­zen­trie­ren sich in den Städ­ten, beson­ders an deren Rän­dern, wäh­rend die länd­li­chen Gegen­den zuneh­mend ver­wai­sen. Dort wur­den die Pfar­rei­en dra­ma­tisch redu­ziert durch die Zusam­men­le­gung zwei­er oder meh­re­rer Pfar­rei­en. An der Spit­ze der ter­ri­to­ri­al gro­ßen Pfar­rei­en steht ein Prie­ster, jedoch wer­den ver­stärkt Dia­ko­ne ein­ge­bun­den, deren Zahl in Gegen­ten­denz zum Rück­gang der Prie­ster wächst. Und an vie­len Ort auch Laien.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Patrimoine-religieux

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