(Vatikan/Medjugorje) Nahm Papst Franziskus jüngst gegen die „Marienerscheinungen“ im herzegowinischen Medjugorje Stellung? Und wurden die Worte des Papstes gegen Medjugorje unterschlagen? Genau dies berichtet die Internetseite Corrispondenza Romana des bekannten Historikers Roberto de Mattei.
Am vergangenen 7. September sprach Papst Franziskus bei seiner morgendlichen Kurzpredigt im Domus SantঠMarthঠdes Vatikans über das Thema: „Es gibt keinen Christen ohne Jesus“. Bei dieser Gelegenheit kritisierte er Christen, die sich an Erscheinungen klammern. Soweit wurde die improvisierte Predigt des Papstes von den Medien auch wiedergegeben. Nicht wiedergegeben wurde das konkrete Beispiel des Papstes, das er anführte, um aufzuzeigen, was er damit meint, nämlich Medjugorje. Der Papst nannte zwei große Vorbehalte gegen die kirchlich seit Jahren geprüften „Erscheinungen“ von Medjugorje.
Von den morgendlichen Kurzpredigten des Papstes werden jeweils zwei verschiedene offizielle Zusammenfassungen erstellt. Eine wird vom Osservatore Romano, die andere von Radio Vatikan veröffentlicht. In diesen Zusammenfassungen scheinen die medjugorje-kritischen Anmerkungen des Papstes allerdings nicht auf. Im Osservatore Romano etwa heißt es nur: „Es gibt eine andere Gruppe von Christen ohne Christus: jene, die etwas Besonderes suchen, Dinge, die selten sind, die auf Privatoffenbarungen zurückgehen“, und dies, so der Papst, obwohl die Offenbarung mit dem Neuen Testament „abgeschlossen“ ist.
Papst Franziskus äußerte, in diesen Menschen den Willen zu erkennen, zu einem „Offenbarungsspektakel zu gehen, um neue Dinge zu hören“. Der Papst richtete in seiner Kurzpredigt an Christen, die er so beschrieb, statt dessen die Aufforderung: „Nimm das Evangelium!“ in die Hand und lies dort.
Die improvisierten Kurzpredigten in der Hauskapelle des vatikanischen Gästehauses, in dem der Papst residiert, und wo er fast jeden Morgen eine Heilige Messe zelebriert, an der verschiedene Gruppen von Gläubigen teilnehmen, sind nicht Teil des offiziellen päpstlichen Lehramtes, wie vom Heiligen Stuhl bereits im Frühjahr festgestellt wurde. Dennoch werden sie von Medien und Gläubigen als solche dargestellt und von zwei Organen des Heiligen Stuhls, dem Osservatore Romano und Radio Vatikan zusammengefaßt verbreitet.
Die komplizierte Konstruktion wurde geschaffen, um die improvisierten Predigten, an denen der Papst festhalten will, obwohl sie ein Risiko darstellen, daß ein theologisch, politisch, persönlich unpassendes oder bedenkliches Wort hineinrutschen könnte, noch korrigieren und glätten zu können. Obwohl die Kurzpredigten nicht Teil des offiziellen Lehramtes sind, drücken sie dennoch das Denken des Papstes aus und kündigen manchmal Entscheidungen an. Der Wunsch steht daher weiterhin im Raum, die Predigten in einer vollinhaltlichen Fassung zur Verfügung gestellt zu bekommen.
Am 13. Oktober wird Papst Franziskus vor der Statue der Gottesmutter von Fatima die Welt dem unbefleckten Herzen Mariens weihen. Er wird dabei mit Sicherheit über die Rolle von Marienerscheinungen in der Heilsökonomie sprechen. „Betrachtet man seinen Charakter und die Art des Papstes, mit der er die Kirche lenkt, erscheint es schwer vorstellbar, daß er öffentlich oder privat nicht seine Haltung zum hochbrisanten Fall von Medjugorje äußert“, so Corrispondenza Romana.
Papst Benedikt XVI. hatte 2010 eine Untersuchungskommission zu Medjugorje eingesetzt. Den Vorsitz der 13köpfigen internationalen Kommission führt der frühere Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz Camillo Kardinal Ruini. Nach der Einzel-Anhörung aller „Seher“ von Medjugorje schloß die Kommission 2012 ihre Arbeiten ab. Eine offizielle Bekanntgabe einer kirchlichen Entscheidung erfolgte jedoch nicht, wohl wegen des Amtsverzichts von Benedikt XVI., der dazwischenkam. Wie es nun aus dem Umfeld von Kardinal Ruini heißt, werden die Ergebnisse der Untersuchungskommission demnächst Papst Franziskus vorgelegt, dem eine endgültige Entscheidung vorbehalten ist.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/CTV (Screenshot)