(Rabat) Im Vorzeigeland des gemäßigten Islam haben Christen keine Rechte. Eine Abkehr vom Islam ist verboten. Die Ulema fordern sogar die Todesstrafe dafür.
Ein junger Marokkaner wurde zu zwei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt, weil er sich zum Christentum bekehrte. Die Familie des Christen lebt seither in ihrem Heimatort Ain Aiha in der Provinz Taounate im Rifgebirge wie Ausgestoßene. Von den anderen Bewohnern wird sie wegen der Apostasie vom Islam verachtet. Der junge Christ wird inzwischen in Isolationshaft gehalten, um ihn vor den anderen Gefangenen zu schützen. Als er ins Gefängnis gebracht wurde, wurde er von den moslemischen Gefangenen schwer mißhandelt.
Petition an den König
Die Familie des jungen Christen legte Berufung gegen das Gerichtsurteil ein. Kommende Woche beginnt die Berufungsverhandlung in Fes. Eine Gruppe von moslemischen und christlichen Marokkanern initiierte unterdessen eine Petition an König Mohammed VI.: „Euer Majestät, Beschützer der Rechte und der Freiheiten der Bürger, das marokkanische Volk ersucht, die Kultusfreiheit und Gewissensfreiheit in Marokko sicherzustellen“. Das Ziel ist es, 5000 Unterschriften zu sammeln.
Christen in Marokko
99 Prozent der Einwohner Marokkos sind Moslems. Marokko gilt allgemein als Vorzeigeland eines moderaten Islam. Die Verfassung „garantiert allen die freie Ausübung ihres Kultes“. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Nur Ausländer dürfen Christen sein. Marokkaner haben Moslems zu sein. Die Abkehr vom Islam wird vom Artikel 220 des Strafgesetzbuches bestraft, der Gefängnisstrafen von sechs Monaten bis drei Jahren und Strafgelder von 100 bis 500 Dirham vorsieht.
Todesstrafe für Apostasie
Die marokkanischen Christen dürfen weder in die Kirche gehen noch ihre Verstorbenen christlich begraben. Wenn sie heiraten wollen, sind sie gezwungen, dies offiziell im islamischen Ritus zu tun. Folge ist ein Kryptochristentum. Ein christliches Paar heiratet einmal vor dem Staat islamisch, um auch vor dem Gesetz verheiratet zu sein, während die eigentliche christliche Trauung geheim stattfindet. Im vergangenen April forderte der Hohe Rat der Ulema Marokkos vom König die Einführung der Todesstrafe für „Abtrünnige“ vom Islam.
Text: Tempi/Giuseppe Nardi
Bild: Tempi