(Bangui) Apokalyptische Szenen spielen sich ab, wenn die Islamisten einen christlichen Ort überfallen: Die Bilanz sind zahlreiche Tote und niedergebrannte Häuser. Das katholische Hilfswerk Kirche in Not machte die Schilderungen des Missionars Pater Aurelio Gazzera bekannt, der von Massakern berichtet, die in der Zentralafrikanischen Republik von der Islamisten-Allianz Seleka begangen werden, um das Land zu islamisieren.
„Die Angriffe ereignen sich in schneller Abfolge. Ebenso nimmt die Aggressivität der Islamisten zu. Wir erleben hier apokalyptische Szenen und sehen die Leichen so vieler Opfer, die an den Straßenrändern liegen“, so Pater Gazzera, ein Karmelitenmissionar und Direktor der Caritas der Diözese Bouar. Er lebt und wirkt seit 20 Jahren in der Zentralafrikanischen Republik.
Im Gespräch mit Kirche in Not beklagt der Ordensmann die dramatische Zunahme der Gewalt. Im vergangenen Monat verübten die Islamisten von Seleka in der Diözese Bouar zahlreiche Angriffe und zwangen die Einwohner zur Flucht. „Allein in der Stadt Bohong brannten die Islamisten mehr als 3.500 Häuser nieder. Mehr als 80 Prozent der Einwohner haben den Ort Bossangoa fluchtartig verlassen, der Schauplatz eines grausamen Massakers wurde, bei dem mehr als 60 Menschen getötet wurden.“ In Bohong töteten die Islamisten mehr als 30 Menschen. Opfer sind vor allem Christen, aber auch Animisten. Offiziell sind 50 Prozent der Einwohner Christen (25 Prozent Katholiken, 25 Prozent Protestanten), 35 Prozent Anhänger indigener Religionen und etwa 15 Prozent Moslems, vor allem entlang der Grenze zu islamischen Nachbarstaaten. Die Zahl der Christen dürfte jedoch größer, da es im Bereich der Animisten zahlreiche Übergangsformen zum Christentum gibt, wo das Wirken der Missionare einsetzt.
Die Seleka-Allianz übernahm im März 2013 durch einen Staatsstreich die Macht im zentralafrikanischen Land. Seither ist der Moslem Michel Djotodia Übergangspräsident. Djotidia hatte früher als Konsul im Sudan gedient. Dort knüpfte er Kontakte zu islamistischen Kreisen und zur scharia-geleiteten Regierung in Karthum. Für den Fall seiner Machtübernahme hatte er als Gegenleistung für die Unterstützung islamischer Staaten die Zwangsislamisierung der Zentralafrikanischen Republik versprochen.
14 Orte wurden allein in der Diözese Bouar von den Islamisten zu Geisterstädten gemacht. „Zurückgeblieben sind nur die Leichen der Ermordeten“, so Pater Gazzera. Allein die Missionsstation der Karmeliten in Bozoum hat 6.500 Flüchtlinge aufgenommen. „Die Schilderungen dieser Menschen sind schrecklich: Frauen, die ihren Mann verloren haben; Väter, die mitansehen mußten, wie ihre Kinder getötet wurden. Wenn diese Menschen mit uns beten, wird trotz allem ihr Glauben lebendig. In ihren Herzen herrscht weder Haß noch Zorn, aber Schmerz und Müdigkeit.“
Die Seleka-Allianz hat die Zentralafrikanische Republik in ein dramatisches Chaos gestürzt. Vor allem die Erschütterung der religiösen Gleichgewichte beobachtet Pater Gazzera mit großer Sorge. „Früher lebten die Menschen unterschiedlicher Religion friedlich miteinander. Seit die islamischen Kämpfer aus dem Sudan und dem Tschad ins Land gekommen sind, hat sich alles geändert. Wer nicht bedingungslos mit ihnen zusammenarbeitet, ist für sie ein Feind. Feinde sind alle Christen. Sie haben aber auch die islamische Gemeinschaft gespalten. In jene Moslems, die ihnen folgen und die, die ihnen nicht folgen und daher auch ihre Feinde sind.“ Der Krieg der Dschihadisten sei eindeutig ein Religionskrieg, um aus der Zentralafrikanischen Republik einen islamischen Staat zu machen. „Wenn Seleka einen Ort angreift, werden die Häuser von Moslems geschont, die von Christen aber niedergebrannt. Ganz systematisch“, so Pater Gazzera.
„Nicht ein einziges moslemisches Haus wurde angezündet. In einigen Fällen haben die zentralafrikanischen Moslems den Islamisten genau die Häuser der Christen gezeigt, die geplündert und dann niedergebrannt wurden. Es ist so, als hätte der jüngste Staatsstreich das Dunkelste in ihnen freigelegt“, so der Karmelit.
Pater Gazzera rechnet mit weiteren Angriffen. Selbst wenn auf der Stelle Frieden einkehren würde, bräuchte es Jahre, um die Schäden zu beseitigen und das Land wiederaufzubauen. „Der Staat ist abwesend. Jedenfalls scheint sich niemand für das Schicksal des Landes zu interessieren. Der Glauben der zentralafrikanischen Christen ist jedoch stark und lebendig. Der Satz, den sie am häufigsten wiederholen und der ihnen Gewißheit verleiht, lautet: Nzapa a Yeke, eine Anrufung Gottes. Kirche in Not unterstützt die Christen in der Zentralafrikanischen Republik.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Tempi