Interview mit Metropolit Hilarion: „Westen betreibt Selbstmordpolitik“ – Syrien, Papst Franziskus, China und Kreml


Papst Franziskus und Metropolit Hilarion, am Tag nach der Amtseinführung des neuen katholischen Kirchenoberhaupts(Mos­kau) Die Sor­ge um das Schick­sal der Chri­sten Syri­ens, wo “die extre­mi­sti­schen Grup­pen auf die völ­li­ge Aus­lö­schung des Chri­sten­tums“ hin­ar­bei­ten; die Signa­le einer mög­li­chen “Nor­ma­li­sie­rung“ des reli­giö­sen Lebens der ortho­do­xen Chri­sten in der Volks­re­pu­blik Chi­na; der Stand des theo­lo­gi­schen Dia­logs zwi­schen Katho­li­ken und Ortho­do­xen und der prak­ti­schen Zusam­men­ar­beit in der Ver­tei­di­gung mora­li­scher Wer­te und in sozia­len Fra­gen, ste­hen im Mit­tel­punkt eines Inter­views, das Asia­news mit Metro­po­lit Hila­ri­on von Wolo­ko­lamsk führ­te. Der „Außen­mi­ni­ster“ des rus­sisch-ortho­do­xen Patri­ar­chats von Mos­kau ver­tei­digt dar­in das neue, im Westen scharf kri­ti­sier­te rus­si­sche Gesetz gegen Homo-Pro­pa­gan­da. Das Gesetz soll­te west­li­chen Staa­ten viel­mehr als Vor­bild die­nen, die mit ihrer Poli­tik für die „Homo-Ehe“ dem „siche­ren Tod“ ent­ge­gen­ge­hen, so Erz­bi­schof Hilarion.

Anzei­ge

Die Lage in Syri­en ist dra­ma­tisch. Was denkt die rus­sisch-ortho­do­xe Kir­che über die­sen Konflikt?

Die Situa­ti­on in Syri­en weckt in uns gro­ße Sor­ge. Seit lan­gem ist ein bewaff­ne­ter Kon­flikt im Gan­ge, den ich nicht als Bür­ger­krieg bezeich­nen wür­de. Viel­mehr hal­te ich ihn für einen Krieg eini­ger Staa­ten auf dem Gebiet eines ande­ren Staa­tes. Die bewaff­ne­ten Grup­pen, Oppo­si­ti­on genannt, set­zen sich meist in Wirk­lich­keit aus Aus­län­dern zusam­men, die mit aus­län­di­schem Geld kämpfen.

Was besorgt das Mos­kau­er Patri­ar­chat am meisten?

Was die rus­sisch-ortho­do­xe Kir­che am mei­sten besorgt, ist das Schick­sal der Zivil­be­völ­ke­rung und der Chri­sten. Es scheint mir offen­sicht­lich, daß die extre­mi­sti­schen Kräf­te, die die Macht zu erobern ver­su­chen, sich die völ­lig Aus­lö­schung des Chri­sten­tums in Syri­en zum Ziel gesetzt haben. Wo sie an die Macht gelan­gen und sei es nur vor­über­ge­hend, wird die christ­li­che Bevöl­ke­rung eli­mi­niert oder vom eige­nen Land ver­trie­ben und die Kir­chen wer­den zer­stört. Mehr­fach haben wir unse­re Sor­ge zum Aus­druck gebracht und mit der in Syri­en und im Liba­non bestehen­den Kir­che von Antio­chi­en ver­schie­de­ne huma­ni­tä­re Pro­gram­me erar­bei­tet und umge­setzt. Dar­an betei­ligt sich die Kai­ser­li­che Ortho­do­xe Gesell­schaft von Palä­sti­na, eine rus­sisch-ortho­do­xe Orga­ni­sa­ti­on, die eine akti­ve Rol­le im Nahen Osten spielt und sich um die Ver­tei­lung von Medi­ka­men­ten und ande­rem Lebens­not­wen­di­gem kümmert.

In Syri­en befin­den sich noch zwei ortho­do­xe Bischö­fe in den Hän­den von Entführern.

Ja, Metro­po­lit Bou­los Yazi­ji der ortho­do­xen Kir­che von Antio­chi­en und Metro­po­lit Mar Gre­go­ri­os Yohan­na Ibra­him der syrisch-ortho­do­xen Kir­che, deren Schick­sal uns besorgt. Ich ken­ne bei­de per­sön­lich seit vie­len Jah­ren. Sie sind bedeu­ten­de geist­li­che Füh­rer. Wir sind sehr besorgt über ihre Ent­füh­rung und noch mehr, weil wir seit­her kei­ne Nach­richt dar­über haben, wo sie sich befin­den und wie es ihnen geht [die Ent­füh­rung erfolg­te am ver­gan­ge­nen 22. April]. Es gibt unter­schied­li­che Infor­ma­tio­nen, aber kei­ne wur­de je offi­zi­ell bestätigt.

Auch Ägyp­ten erlebt eine Eska­la­ti­on der Gewalt und die Chri­sten befin­den sich im Visier.

In Ägyp­ten besorgt uns die Gewalt­es­ka­la­ti­on, für die die Mus­lim­brü­der ver­ant­wort­lich sind, eine Bewe­gung, die wegen ihres Extre­mis­mus in vie­len Staa­ten ver­bo­ten ist, die aber vor eini­ger Zeit die Macht in Ägyp­ten über­nom­men hat­te und sie nun wie­der ver­lo­ren hat. Es ist ihre Schuld, daß es zu die­ser Eska­la­ti­on der Gewalt im Land gekom­men ist, mit der Zer­stö­rung der Kir­chen ver­schie­de­ner christ­li­cher Kon­fes­sio­nen. Wir hof­fen, daß Ägyp­ten zum Frie­den zurück­fin­det und daß eine fried­li­che Kraft an die Macht kommt, der das reli­giö­se Gleich­ge­wicht, das es in die­sem Land seit vie­len Jahr­hun­der­ten gab, ein Anlie­gen ist.

An wel­chem Punkt befin­den sich die Arbei­ten der gemisch­ten Kom­mis­si­on für den theo­lo­gi­schen Dia­log zwi­schen Ortho­do­xen und Katho­li­ken. Wann wird das näch­ste Tref­fen stattfinden?

Das näch­ste Tref­fen der Kom­mis­si­on wird mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit 2014 statt­fin­den. Es ist noch zu früh, um über die Ergeb­nis­se der Kom­mis­si­on zu spre­chen, weil sehr schwie­ri­ge Fra­gen geprüft wer­den, wie jene des Pri­mats und der Rol­le des Bischofs von Rom, die zum ersten Mal seit tau­send Jahr behan­delt wird. Wäh­rend der Arbei­ten wur­den zudem eini­ge sehr heik­le Fra­gen auf­ge­wor­fen, nicht nur für die Bezie­hun­gen zwi­schen Katho­li­ken und Ortho­do­xen, son­dern auch zwi­schen den ortho­do­xen Kir­chen selbst. Das Doku­ment, das die Kom­mis­si­on vor­be­rei­tet, befin­det sich unter Ver­schluß, wes­halb es lei­der nicht mög­lich ist, es zu kom­men­tie­ren oder zu kri­ti­sie­ren, außer in der Kom­mis­si­on selbst.

Mir scheint aber, daß die­ses Doku­ment der­zeit nicht dem Man­dat gerecht wird, das die Kom­mis­si­on von den Kir­chen erhal­ten hat und nicht aus­rei­chend deut­lich erklärt, wor­in die Unter­schie­de und die Gemein­sam­kei­ten zwi­schen Katho­li­ken und Ortho­do­xen bestehen.

Ist der Dia­log mit den Katho­li­ken zu ethi­schen Fra­gen also zielführender?

Die gemisch­te theo­lo­gi­sche Kom­mis­si­on ist nur ein Aspekt des heu­te zwi­schen Ortho­do­xen und Katho­li­ken statt­fin­den­den Dia­logs. Per­sön­lich bin ich davon über­zeugt, daß der­zeit die gemein­sa­me Arbeit im Bereich der mora­li­schen Wer­te und im Sozia­len viel effi­zi­en­ter ist. Ich glau­be, daß wir in der Aus­ar­bei­tung gemein­sa­mer Posi­tio­nen zu ver­schie­de­nen sozia­len und mora­li­schen Fra­gen weit vor­an­ge­kom­men sind. Im beson­de­ren möch­te ich in die­sem Zusam­men­hang an die Arbeit des ortho­dox-katho­li­schen Forums erin­nern, das vor eini­gen Jah­ren ein­ge­rich­tet wur­de und in ver­schie­de­nen Län­dern Tref­fen zu Fra­gen der Fami­li­en-Ethik durch­führ­te [das Erste ortho­dox-katho­li­sche Forum fand 2006 in der ehe­ma­li­gen Kon­zils­stadt Tri­ent statt]. Wir sind zu erstaun­li­chen Ergeb­nis­sen gelangt, die sich im gemein­sa­men Wil­len kon­kre­ti­sie­ren, zusam­men für die Ver­tei­di­gung der tra­di­tio­nel­len christ­li­chen Wer­te einzutreten.

Wel­chen Ein­druck haben Sie vom neu­en Pon­ti­fi­kat gewonnen?

Ich habe an sei­ner Thron­er­he­bung teil­ge­nom­men und hat­te am Tag dar­auf eine Begeg­nung mit ihm, bei der wir eini­ge wich­ti­ge Wege der Inter­ak­ti­on zwi­schen der katho­li­schen Kir­che und der rus­sisch-ortho­do­xen Kir­che aus­ge­macht haben. Beim Papst konn­te ich vol­les Ver­ständ­nis für die Wich­tig­keit unse­res gemein­sa­men Han­delns fest­stel­len. Zudem war es offen­sicht­lich, daß für ihn die­se The­men nicht neu sind. Er kennt sie und weiß genau, wor­um es geht. Sei­ne Kennt­nis im Bereich des katho­lisch-ortho­do­xen Dia­logs und auch sei­ne frü­he­re Erfah­rung in Argen­ti­ni­en, wo er meh­re­re Male unse­re rus­sisch-ortho­do­xen Pfar­rei­en in Bue­nos Aires besuch­te und bei lit­ur­gi­schen Hand­lun­gen anwe­send war und die Pfarr­an­ge­hö­ri­gen traf, las­sen auf eine posi­ti­ve Ent­wick­lung unse­rer Bezie­hun­gen unter die­sem Pon­ti­fi­kat hoffen.

Was ist noch zu tun, damit es zu einem Tref­fen zwi­schen dem Papst und dem Patri­ar­chen kommt?

Man muß es vor­be­rei­ten. Kon­kret muß man zu einem Abkom­men zu jenen Fra­gen kom­men, bei denen wir heu­te noch unter­schied­li­cher Mei­nung sind. Sie wis­sen, wie man ein bila­te­ra­les Tref­fen zwi­schen zwei Staats­ober­häup­tern vor­be­rei­tet? Bevor sich die bei­den Staats­ober­häup­ter tref­fen, müs­sen ver­schie­de­ne Grup­pen von Mit­ar­bei­tern gründ­lich vie­le Fra­gen der bila­te­ra­len Bezie­hun­gen behan­deln. Auf die­se Wei­se ist das Tref­fen zwi­schen den bei­den Füh­rern nicht nur pro­to­kol­la­risch, son­dern das Ergeb­nis eines lan­gen Vor­be­rei­tungs­pro­zes­ses. Auch wir müs­sen die­ses Tref­fen gründ­lich vor­be­rei­ten, so daß es sich nicht nur um ein pro­to­kol­la­ri­sche Begeg­nung han­delt, son­dern ermög­licht wird, unse­re Bezie­hun­gen auf eine neue Ebe­ne der Zusam­men­ar­beit, des Ver­trau­ens und des gegen­sei­ti­gen Ver­ständ­nis­ses zu heben.

Was ist das größ­te Hin­der­nis dafür?

Heu­te ist das größ­te Pro­blem in die­sem Sinn die Lage in der west­li­chen Ukrai­ne, wo in den 80er und 90er Jah­ren sehr trau­ri­ge Din­ge gesche­hen sind, die die ortho­do­xe Gemein­schaft in eini­gen Städ­ten und Orten ihrer Kir­chen beraub­ten. Es han­delt sich um eine Situa­ti­on, die sich der­zeit nicht ändert.

Kommt man, Ihrer Mei­nung nach, die­sem Tref­fen den­noch näher?

Ich den­ke, daß wir uns jeden Tag genau um einen Tag nähern! Ich kann aller­dings nicht sagen, wann genau die­ses Tref­fen statt­fin­den wird.

Wie wür­de das Patri­ar­chat von Mos­kau einen Besuch des Pap­stes in Jeru­sa­lem auf Ein­la­dung von Patri­arch Bar­tho­lo­mä­us I. sehen?

Ich wür­de sagen, daß es eine Fra­ge ist, die die bila­te­ra­len Bezie­hun­gen zwi­schen der Kir­che von Rom und jener von Kon­stan­ti­no­pel betrifft. Die­se Bezie­hun­gen haben eine lan­ge Geschich­te und sind lei­der von tra­gi­schen Ereig­nis­sen geprägt. Ich glau­be, daß die Tref­fen zwi­schen Ober­häup­tern der Kir­chen von Rom und Kon­stan­ti­no­pel sehr wich­tig und nütz­lich sind, um die Wun­den zu hei­len, die in der Ver­gan­gen­heit der Ein­heit der Kir­che zuge­fügt wurden.

Wel­che Ergeb­nis­se brach­te der Besuch von Patri­arch Kyrill in der Volks­re­pu­blik Chi­na im ver­gan­ge­nen Mai und wel­che Spiel­räu­me öff­nen sich für die Reli­gi­ons­frei­heit in die­sem Land?

Die gan­ze Geschich­te der Ortho­do­xie in Chi­na hängt mit der Geschich­te der rus­sisch-ortho­do­xen Kir­che zusam­men. Die chi­ne­sisch-ortho­do­xe Kir­che unter­stand immer der Juris­dik­ti­on von Mos­kau. In den 50er Jah­ren, nur kurz vor Beginn der Kul­tur­re­vo­lu­ti­on wur­de die auto­no­me chi­ne­sisch-ortho­do­xe Kir­che errich­tet, die dem Patri­ar­chat von Mos­kau unter­stand. Mit der Kul­tur­re­vo­lu­ti­on wur­de jedoch die gesam­te kirch­li­che Struk­tur zer­stört. In den ver­gan­ge­nen 20 Jah­ren haben wir uns bemüht, die­se Struk­tur wie­der­auf­zu­bau­en und einen Dia­log mit den chi­ne­si­schen Behör­den für eine Nor­ma­li­sie­rung der Lage der ortho­do­xen Gläu­bi­gen in Chi­na zu füh­ren. Vie­le Jah­re lang wur­de der Dia­log von Metro­po­lit Kyrill geführt. Nach­dem er Patri­arch wur­de, habe ich begon­nen, mich dar­um zu künmern.

Der Besuch des Patri­ar­chen in Chi­na wur­de dank die­ses inzwi­schen zwan­zig­jäh­ri­gen Dia­logs mit den Behör­den mög­lich. Noch ist es zu früh, um zu sagen, wel­che kon­kre­ten Ergeb­nis­se die­ser Besuch gebracht hat, aber allein die Tat­sa­che, daß es zu die­sem Besuch gekom­men ist, ist bereits sehr wich­tig für die Nor­ma­li­sie­rung des Lebens der ortho­do­xen Gläu­bi­gen in China.

Die ortho­do­xe Gemein­schaft im Westen wächst, so auch in Ita­li­en. Besteht die Absicht eine Diö­ze­se zu errichten?

In Ita­li­en leben inzwi­schen, mei­nes Erach­tens, nicht weni­ger als eine Mil­li­on Ortho­do­xe der ver­schie­de­nen Kir­chen, viel­leicht auch mehr. Die rus­sisch-ortho­do­xe Kir­che hat in Ita­li­en mehr als 50 regi­strier­te Pfar­rei­en, die eine Diö­ze­se bil­den. Die­se Diö­ze­se wird der­zeit von Mos­kau ver­wal­tet, aber ich den­ke, daß in näch­ster Zukunft, viel­leicht in drei oder vier Jah­ren, der Bischof in Ita­li­en resi­die­ren könnte.

In Ruß­land ist ein Gesetz in Kraft getre­ten, das die „Wer­bung für nicht-tra­di­tio­nel­le Sexu­al­be­zie­hun­gen“ ver­bie­tet und viel Kri­tik aus­ge­löst hat. Sind Sie der Mei­nung, daß das Land wirk­lich ein sol­ches Gesetz braucht?

Ich bin nicht nur der Über­zeu­gung, daß die­ses Gesetz not­wen­dig ist, son­dern auch, daß sol­che Geset­ze von ande­ren Staa­ten über­nom­men wer­den und die Bestim­mun­gen erset­zen soll­ten, die der­zeit von der Euro­päi­schen Uni­on zu den Homo-Part­ner­schaf­ten erlas­sen wer­den, die ihnen sogar das Recht ein­räu­men, Kin­der zu adop­tie­ren. Ich hal­te die­se Poli­tik der west­li­chen Regie­run­gen für eine Selbst­mord­po­li­tik, denn unter den heu­ti­gen Gege­ben­hei­ten einer demo­gra­phi­schen Kri­se und der Zer­stö­rung der Insti­tu­ti­on Fami­lie, homo­se­xu­el­len Ver­bin­dun­gen sol­che Pri­vi­le­gi­en zu gewäh­ren, bedeu­tet das eige­ne Todes­ur­teil zu unter­zeich­nen, sowohl des Staa­tes als auch des Volkes.

In wel­cher Weise?

Wir ste­hen unter dem Ein­fluß einer welt­li­chen Ideo­lo­gie des Kon­su­mis­mus, der sogar auf die zwi­schen­mensch­li­chen Bezie­hun­gen aus­ge­dehnt wird, der Wer­bung und eines Erzie­hungs­sy­stems, das dar­auf abzielt, den Kin­dern nicht höhe­re mora­li­sche Wer­te zu ver­mit­teln, son­dern ihre nie­de­ren Instink­te zu ent­hem­men. Unter die­sem Ein­fluß erle­ben vie­le euro­päi­sche Staa­ten eine schwe­re demo­gra­phi­sche Kri­se und einen star­ken Bevöl­ke­rungs­ein­bruch. Das ist, mei­nes Erach­tens, Aus­druck einer tie­fe­ren geist­li­chen Erkran­kung. Wenn die­se Krank­heit nicht behan­delt wird, wird sie, wie alle nicht behan­del­ten Krank­hei­ten, zum Tod führen.

Ich den­ke, daß Ruß­land in die­sem Sinn ein Vor­bild sein kann. Die Geset­ze, die heu­te bei uns erlas­sen wer­den, zie­len auf den Erhalt und die Bewah­rung des­sen ab, was wir „gene­ti­sche Grund­la­ge“ der Nati­on nen­nen, ihr „Human­po­ten­ti­al“, damit es star­ke Fami­li­en mit vie­len Kin­dern gebe, die das aus­ge­dehn­te rus­si­sche Gebiet besiedeln.

Vie­le beschul­di­gen das Patri­ar­chat, dem Kreml zu nahe zu ste­hen und auch ein Teil der Gläu­bi­gen scheint die­se Nähe nicht zu schät­zen. Wie ist das Ver­hält­nis zwi­schen Staat und Kir­che im Ruß­land von heute?

Mir scheint nicht, daß es unter unse­ren Gläu­bi­gen vie­le Per­so­nen gibt, die wegen der Bezie­hun­gen zum Staat unzu­frie­den sind. Es sind die Medi­en, die das gele­gent­lich behaup­ten. Als ich jüngst in Eng­land war, frag­te mich die BBC in einem Inter­view, ob ich nicht der Mei­nung sei, daß die Bezie­hun­gen unse­rer Kir­che zum Kreml zu eng sei­en. Ich habe geant­wor­tet, daß in Ruß­land die Bezie­hun­gen zwi­schen Staat und Kir­che weni­ger eng sind als in Groß­bri­tan­ni­en, wo das Ober­haupt der Kir­che und die Bischö­fe von der Köni­gin auf Vor­schlag des Pre­mier­mi­ni­sters ernannt wer­den. Dann haben sie mich gefragt: Mei­nen nicht auch Sie, daß die­sel­be Per­son nicht zu lan­ge an der Macht sein soll­te? Und ich habe geant­wor­tet, daß es bei uns noch nicht pas­siert ist, daß jemand seit 60 Jah­ren unun­ter­bro­chen an der Macht ist wie die Köni­gin von Eng­land. Aber im Wider­spruch zu der demo­kra­ti­schen Tra­di­ti­on Eng­lands wur­den die­se mei­ne Ant­wor­ten zen­su­riert und aus dem Inter­view geschnit­ten, das aus­ge­strahlt wurde.

Heu­te beru­hen die Bezie­hun­gen zwi­schen Staat und Kir­che in Ruß­land auf zwei Grund­sät­zen. Der erste ist der Grund­satz der Nicht­ein­mi­schung. Die rus­sisch-ortho­do­xe Kir­che unter­stützt kei­ne bestimm­te Par­tei. Da sie am sozia­len Leben teil­nimmt, kann die Kir­che ihre Mei­nung zu einem poli­ti­schen Pro­gramm oder bestim­men kon­kre­ten Pro­ble­men äußern. Die Kir­che mischt sich aber weder in die Regie­rung des Staa­tes noch in den poli­ti­schen Wett­kampf ein. Eben­so­we­nig mischt sich der Staat in die Regie­rung der Kir­che, die Aus­wahl der Bischö­fe oder des Patri­ar­chen oder irgend­ei­ne ande­re kir­chen­in­ter­ne Ent­schei­dung ein.

Der zwei­te Grund­satz ist der der Zusam­men­ar­beit zwi­schen Kir­che und Staat in Fra­gen von gemein­sa­mem Inter­es­se. Es han­delt sich vor allem um ethi­sche Fra­gen wie die Bevöl­ke­rungs­po­li­tik, die Fami­li­en­ethik, das Pro­blem der aus­ge­setz­ten, ver­wai­sten oder ver­wahr­lo­sten Kin­der und vie­le ande­re The­men, zu denen es brei­ten Spiel­raum für die Zusam­men­ar­beit gibt.

Text: Asianews/​Giuseppe Nardi
Bild: Asianews

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!