(Vatikan) Am 13. August empfing Papst Franziskus die Spieler der argentinischen Nationalmannschaft. Der Fußballer Pocho Lavezzi wollte sein ganz besonderes Erinnerungsfoto. Er setzte sich kurzerhand auf den Papstthron und ließ sich, umgeben von seinen Spielerkollegen, ein Foto machen. Der Spieler legte läßig ein Knie über das andere und fühlte sich inmitten seines „Hofstaates“ sichtlich wohl im Apostolischen Palast. Das Foto veröffentlichte er natürlich sofort im Internet. Argentiniens Presse überschlägt sich vor Begeisterung: „Lavezzi ’stiehlt‘ Papst den Thron“ titelt „Ambito financiero“; „Papa Pocho?“ fragt die Sportzeitung „Olé“.
Das Bild erinnert an einen amerikanischen Soldaten, der sich am Ende des Zweiten Weltkrieges nach der Auffindung der Reichsinsignien die Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation aufsetzte und sich fotografieren ließ. Das Bild machte Geschichte, wurde jedoch von vielen Deutschen als Ausdruck großer Respektlosigkeit betrachtet und das nicht nur, weil sie von einem Sieger über die Besiegten begangen wurde. Noch heute verspüren viele einen heiligen Schauer, wenn sie in der Schatzkammer der Wiener Hofburg als Besucher durch die Schauräume gleiten, in denen die Reichsinsignien ausgestellt sind.
Der katholische Kulturkritiker Francesco Colafemmina stellt die Usurpation des Papstthrons, dem Bild vom leeren Papstthron in der Aula Paolo VI. gegenüber, als Papst Franziskus am 22. Juni kurzfristig die Teilnahme an einem klassischen Konzert absagte, das zu seinen Ehren gegeben wurde.
Ich hätte aus diesem Saal mein Lager machen können…
von Francesco Colafemmina
Bei allem nur möglichen Respekt für Seine Heiligkeit erlaube ich mir dennoch darauf aufmerksam zu machen, daß Papst Franziskus vor zwei Monaten einem zu seinen Ehren anläßlich des Jahrs des Glaubens organisierten Konzert in der Aula Nervi fernblieb, aber keinem Treffen mit Fußballern aller Art fernbleibt. Von denen mit Spielern von Inter Mailand oder Juventus Turin, Lazio Rom und AS Roma usw. usw.
Ich kann beim besten Willen nicht verstehen, warum ein Konzert klassischer Musik ein „mondänes“ Ereignis sein sollte, hingegen eine Begegnung mit Fußballern, die Multimillionäre sind, ein unaufschiebbare pastorale Verpflichtung darstellt. Manche werden sich erinnern, daß im Zusammenhang mit der vom Papst abgesagten Teilnahme am klassischen Konzert Gerüchte kursierten, wonach er geäußert habe: „Ich bin kein Renaissance-Fürst. Ich gehe nicht zum Konzert.“
Das ist aber noch nicht alles: Dieses Mal hat sich einer der Fußballer ein starkes Stück geleistet. Er setzte sich auf den „Thron“ von Papst Franziskus, ließ sich fotografieren und stellte das Foto ins Internet.
Die spontane Frage lautet– es sei vorausgeschickt, daß ich weder ein Frömmler noch bigott bin: Wie lange kann die Kirche es noch ertragen, in diesem Abgrund der Lächerlichkeit zu versinken, in einer Dimension einer zweifelsfrei karikaturesken Persiflage? Nach den Bischöfen im „Gnam Gnam Style“, wie es Blondet passend definierte, erleben wir nun, daß auch der Apostolische Palast und selbst die Zeichen und Symbole der päpstlichen Autorität zum Gegenstand der Prahlerei von vier ungebildeten Fußballern wird.
Die kirchliche Dignitas scheint ein in jüngster Zeit deutlich abgebautes Konzept zu sein. Ebenso wie die Liebe zur Kunst und zur Kultur, die stattdessen durch den Sport und subkulturelle, pubertäre Darbietungen ersetzt wird.
Ich verstehe wohl, daß von Beethoven nicht die gleiche „Masse“ von Menschen angezogen wird, wie vom Fußball. Dann aber sollte man offen zugeben, daß die Kirche wirklich auf der Suche nach einem „Konsens der Masse“ ist und daher die „Mondänität“ anstrebt. Schade nur, daß die „Mondänität“ häufig aus Blödheiten und Eitelkeiten, aus Liebe zum Geld und Exhibitionismus besteht.
Wäre es darum letztlich nicht vorzuziehen, an der nüchterneren „Mondänität“ eines Beethoven-Konzerts teilzunehmen, statt dem respektlosen Spaß junger, retardierter Fußballspieler Gastfreundschaft zu gewähren?
Andererseits ist es Beethoven selbst, der mit der folgenden Sonate, wie mir scheint, bestens die Figur interpretiert, die die Kirche bei dieser Gelegenheit gemacht hat: einfach „Pathétique“!
Text: Fides et Forma
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Fides et Forma