(Istanbul) Am 2. August versammelten sich Christen in der alten russischen Eliaskapelle, um das Fest des alttestamentlichen Propheten zu feiern, das nach dem Julianischen Kalender Katholiken, Orthodoxe und Armenier am 20. Juli begehen. Doch in der Türkei sind alle christlichen Angelegenheiten kompliziert. Die Kapelle, die sich im Dachgeschoß eines ehemaligen Mönchskloster befindet, konnte seit etwa 40 Jahren nicht mehr für die Liturgie genützt. Die russischstämmige Gemeinschaft Istanbuls, des alten Konstantinopels möchte die Kapelle nun wiederbeleben. Bewegung kam in die Sache, als Pläne bekannt wurden, das ehemalige Kloster samt Kapelle abzureißen.
In Istanbul gibt es drei Rus Kiliseleri, die ethnisch zugeordnet sind. Alle drei gehören der kleinen weißrussischen Gemeinschaft am Bosporus. Und alle drei befinden sich im Besitz des Klosters Sankt Pantaleon am Berg Athos, besser bekannt als Rossikon. Verwaltet werden sie jedoch vom Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel. Die Eliaskapelle ist die älteste der drei Rus-Kapellen Istanbuls. Errichtet wurde sie vor 135 Jahren im typischen Stil des 19. Jahrhunderts. Wie das Rossikon, das russische Kloster am Mönchsberg Athos von russischen Flüchtlinge nach dem Mongolensturm gegründet wurde, war die Eliaskapelle nach der Oktoberrevolution von 1917 das geistliche Zentrum der russischen Exilanten in der Stadt.
Die Kapelle beherbergt Fresken, Ikonen, die traditionelle Ikonostase. Durch Feuchtigkeit und mangelnde Instandhaltung sind die Schäden jedoch beträchtlich. Die Fresken gelten weitgehend als verloren. Erhalten hat sich eine Kruzifix und eine Christusdarstellung in der Nähe des Altars. Für die Restaurierung werden 100.000 Türkischen Lire veranschlagt, wie Kazmir Pamir, der Sprecher der Weißrussischen PAE Fukaraperver Association der türkischen Presse sagte.
Die Athos-Mönche haben ein türkisches Unternehmen mit der Instandsetzung beauftragt. Wie und wann genau die Restaurierung geschehen wird, darüber gibt es noch keine näheren Angaben aus der Türkei. „Die Liturgie am 2. August ist der erste Schritt“ so Pamir. “Vielleicht können wir bald eine Taufe oder eine Hochzeit feiern. Die Kirche lebt, sie hat soeben wieder einen ersten Atemzug gemacht.“
Die Instandsetzung ist nicht das einzige Problem der weißrussischen Gemeinschaft. Wie Kazmir Pamir erklärt, scheint die Kapelle in den offiziellen türkischen Registern als Geschäftslokal auf. Tatsächlich beherbergt das ehemalige Kloster heute Geschäfte und Büros.
Die Kapelle könnte demnächst dem türkischen Bauboom zum Opfer fallen. Die Stadtverwaltung hat mit Galataport den Plan eines Großprojekts am Schreibtisch liegen, der das historische, am europäischen Ufer des Bosporus gelegene Stadtviertel von Karaköy radikal umgestalten soll. Das Projekt sieht durch die Privatisierung des derzeitigen Hafens von Salipazari den Bau eines Touristenhafens vor, dazu Hotels und ein großes Einkaufszentrum. Die Dogus Holding, die ihm Bank‑, Bau- und Kommunikationssektor tätig ist, erhielt im vergangenen Mai den Zuschlag zur Umsetzung des Projekts, das derzeit auf 702 Millionen Dollar beziffert wird.
Galataport ist nur eines von mehreren Regierungsprojekten, mit denen das Aussehen Istanbuls im Zeichen des Tourismus, großer Infrastrukturen und der Reislamisierung umgestaltet wird. Diese Projekte gaben die Initialzündung für die Anti-Erdogan-Proteste, die im Mai im Gezi-Park und am Taksim-Platz ausbrachen. Die Regierung hält an den Projekten fest und spricht von „unumgänglicher Notwendigkeit“ wegen des Bevölkerungswachstums und zur Förderung der Wirtschaft.
Die Bemühungen zur Rettung und Instandsetzung der Eliaskapelle könnte auch zu einer Wiederannäherung zwischen dem Moskauer Patriarchat und dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel führen. Die Heilige Messe am 2. August wurde zum Beispiel von einem griechischen Priester zelebriert. „Die russische Kirche erkennt die Autorität von Patriarch Batholomäus über die Kapellen von Karaköy an“, so Kazmir Pamir.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican Insider/Bora Arasan