(Mailand) Auf ein Problem in der Umsetzung des Motu proprio Summorum Pontificum von Papst Benedikt XVI. von 2007 weisen die beiden katholischen Intellektuellen und Publizisten Alessandro Gnocchi und Mario Palmaro hin. An etlichen Meßorten im tridentinischen Ritus in Italien herrschen Sommerferien. „Die Messe im Alten Ritus ist wie ein Eis: im Sommer schmilzt sie“, so die beiden Autoren. In vielen Diözesen bleiben in den beiden Sommermonaten Juli und August die Kirchentore an altrituellen Meßorten geschlossen. Wer die heilige Messe in der außerordentlichen Form des Römischen Ritus besuchen will, muß entweder einen anderen Meßort suchen oder in den Neuen Ritus gehen. Die Suche nach einem anderen Meßort im Alten Ritus gestalte sich gar nicht leicht. Da häufig auch in den benachbarten Orten wegen Ferien „geschlossen“ ist. Die Fahrt könne daher lange werden. Und der Grund dafür?
Gläubige nehmen liturgische „Zwangsbeurlaubung“ hin – „Es könnte ja schlimmer kommen“
Laut Gnocchi und Palmaro liegt der Grund daran, daß in zahlreichen Diözesen für die Sommermonate die Einstellung der Zelebration im überlieferten Ritus angeordnet wird. Die zwangsbeurlaubten Gläubigen seien zwar enttäuscht, würden den „unfreundlichen“ Akt aber hinnehmen, weil ihnen die „Kampfzeit“ noch zu gut in Erinnerung ist und sie lieber etwas als nichts hätten. Es könnte ja wieder schlimmer kommen. „Wenn wir protestieren, nehmen sie uns vielleicht alles“, geben die beiden Autoren die Stimmung wieder.
„Kurzum, man sieht, mit der Sommerhitze wird das, was auf der Grundlage eines päpstlichen Motu proprio rechtmäßig ist, unrechtmäßig“, so Gnocchi und Palmaro. Und man sehe, daß es sich für manche „um eine Meßart handelt, deren Feier sich nach dem Thermometer ausrichtet“.
Die Bischöfe beauftragen keinen Priesterersatz für Sommermonate
Wo liegt das Problem? Es scheint organisatorischer Art, betrifft aber auch den „guten Willen“. Zunächst eine Bestandsaufnahme. An den Meßorten, die von Ecclesia-Dei-Gemeinschaften oder anderen dem Alten Ritus verbundenen Orden, Gemeinschaften und Priestern betreut werden, gibt es keine Probleme. Sie kennen weder Urlaubszeiten, noch läßt sie die Sommerhitze erschüttern. Das Problem tritt an jenen „diözesanen“ Meßorten auf, die von den Bischöfen eingerichtet wurden. Die Bischöfe beauftragen für die Betreuung der altrituellen Gläubigen Priester ihrer Diözesen. Meist handelt es sich um pensionierte Priester, denn die aktiven brauche es in den regulären Pfarreien, und in denen wird im Neuen Ritus zelebriert. Die beauftragten Priester verrichten ihren Dienst würdig und bemühen sich sehr, sind aber nicht selten 80 und mehr Jahre alt. Ihre Möglichkeiten sind eingeschränkt und die Sommerpause sei ihnen im heiß-schwülen Italien natürlich vergönnt. Die zuständigen Bischöfe kümmern sich jedoch nicht um Ersatz, wie es üblich ist, wenn Priester des Novus Ordo Sommerferien machen. Stattdessen wird zugesperrt. Die Gläubigen können ohne bischöfliche Erlaubnis selbst keinen Ersatz beauftragen. Kultpause von zwei Monaten.
Das „unschöne“ Beispiel Monza: Stadt der seligen Theudelinde
Palmaro und Gnocchi nennen ein „besonders unschönes“ Beispiel. In der Kirchenprovinz Mailand wird im Ambrosianischen Ritus zelebriert. Dort hat das Motu proprio Summorum Pontificum keine Geltung, da dieses den Römischen Ritus betrifft. Eine Sonderstellung, die nicht wenige Anhänger des verstorbenen Kardinals Martini umgehend vorbrachten, um sich gegen die Wiedereinführung der überlieferten Messe zu immunisieren. Es gibt allerdings mit Monza eine alte Enklave des Römischen Ritus. In der Stadt der seligen Theudelinde (570–627), der Tochter des Baiernherzogs Garibald I., Ehefrau zweier Langobardenkönige und Mutter eines Langobardenkönigs und einer Langobardenkönigin wird seit genau dem 1. Juli 2012 die Heilige Messe auch in der außerordentlichen Form zelebriert. Die Gläubigen, die darum angesucht hatten, mußten zwei Jahre auf die Erlaubnis warten. Der Erzpriester des Domes hatte sie aufmerksam gemacht, daß „alle Priester der Stadt dagegen sind“.
Zum ersten Jahrestag wollten die Gläubigen aus Dankbarkeit am 7. Juli die Sonntagsmesse besonders feierlich gestalten. Dazu wurden Einladungen verschickt und Bemühungen getroffen, durch besondere Hinweise möglichst zahlreiche Katholiken aufmerksam zu machen und anzusprechen. Im Anschluß sollte zudem ein kleines Fest stattfinden. In der wöchentlich erscheinenden Kirchenzeitung wurde gegen Bezahlung sogar eine Anzeige geschaltet. Die Kirchenzeitung erwähnt ansonsten die Meßfeier im Alten Ritus nicht. Sie ist auch weder im offiziellen städtischen Verzeichnis der Sonntagsmessen angeführt noch in Angaben zu den Meßzeiten der Kirche der Ordensschwestern, die den Alten Ritus beherbergen. Offiziell geduldet, „aber behandelt als wäre sie unsichtbar wie ein Geist“, so Gnocchi und Palmaro.
Am 7. Juli ist der festliche Anlaß. Der Zelebrant, ein Priester des Domkapitels von Mailand beginnt seine Predigt mit einem persönlichen Gruß von Erzbischof Angelo Kardinal Scola, der ausrichten läßt, welche „Freude“ er empfinde über die so schöne und würdige Zelebration des eucharistischen Opfers. „Nach der captatio benevolentiae aber folgte der Schlag mit dem Knüppel“. Der Priester sagte, daß „ihr alle das kleine Opfer, das der Kardinal von euch erbittet, akzeptieren werdet, nämlich die Zelebration dieser Messe ab heute für die Zeit von Juli und August zu unterbrechen“. In seiner weiteren Predigt weist der Priester darauf hin, wie geeignet der Sommer doch sei, die Zeit mit Jesus zu verbringen, um den Glauben zu vertiefen. „Allerdings unter der Bedingung, in dieser Zeit nicht die Alte Messe zu besuchen“, so die beiden Autoren.
Dialog mit allen, aber nicht mit „Traditionalisten“
Die Mitteilung sei ohne jede Vorwarnung gegeben worden und schließe damit, so das Signal, jeden Dialog aus. „Andererseits weiß man, daß dies eine Kirche ist, die Zeit und Willen hat mit allen in Dialog zu treten: mit den Brüdern der getrennten Kirchen, mit Pastorinnen der Waldenser, mit rebellischen Ordensschwestern, mit Rocksängern auf der Suche, mit atheistischen Astrophysikern, mit den Moslems, die den Ramadan begehen, mit den älteren jüdischen Brüdern, mit den Cousins der anderen Religionen, mit den Andersgläubigen, mit Abtreibungspolitikern, mit Homo-Intellektuellen, mit Transsexuellen, zumindest wenn sie berühmt sind. Nur wenn es um den Dialog mit einer Gruppe von Katholiken geht, die um die Anwendung des Motu proprio eines Papstes bitten, siehe, da ist die Zeit des Dialogs mit einem Schlag abgelaufen. So ist es und fertig. Und der Grund dafür ist einfach: während die Nicht-Katholiken das Recht des Irrtums genießen, können Katholiken, die als Traditionalisten abgestempelt sind, höchstens geduldet sein. Sie werden deshalb so behandelt, wie Nicht-Katholiken vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil behandelt wurden.“
Die „Unterbrechungsanweisung“ sei, so die Autoren, „natürlich“ mit einer Reihe von Begründungen begleitet worden: im Sommer gebe es viele Sonderaktivitäten für die katholische Jugend, Ausflüge in die Berge und ans Meer und die Priester hätten daher viel zu tun und müßten die Stadt dazu verlassen; es gebe zu wenig Priester und zudem würden auch andere Messen während des Sommers unterbrochen, und abgesehen davon würden alle Alten Messen in der Erzdiözese Mailand im Sommer unterbrochen, deshalb müsse dies auch für jene in Monza gelten. Es sei ja nur ein „kleines Opfer“. Alles klar.
Priestermangel trifft nicht zu – Alter Ritus ist „lästig“
Stimmt es, daß es an Priestern mangelt? Palmaro und Gnocchi weisen darauf hin, daß die Gläubigen, die die Heilige Messe in der überlieferten Form besuchen, eine ganze Liste von Priestern zur Hand hätten, die bereit sind, das Meßopfer im Alten Ritus zu zelebrieren, auch während der Sommermonate. Doch das scheint an der Kurie nicht zu interessieren.
Die beiden Autoren kommen daher zum Schluß, daß die Heilige Messe im Alten Ritus manchen „eine lästige Sache ist, die wenn schon nicht prinzipiell so jedoch in der Umsetzung behindert gehört.“ Wahrscheinlich aus Sorge, sie könnte im Sommer neue Gläubige anziehen, die sie noch nicht kennen, aber – einmal kennengelernt – die Reihen der traditionsverbundenen Gläubigen stärken. „Leider ist das die wahrscheinlichste Hypothese“, so Gnocchi und Palmaro. Daß manch Gläubiger solchermaßen gezwungen zur Piusbruderschaft wechseln könnte, wird in bestimmten Kirchenkreise sogar begrüßt: „Schlimmer für ihn, soll er ruhig zur Piusbruderschaft gehen. Ein Traditionalist weniger zwischen den Füßen“, umreißen die beiden Autoren diese Haltung.
Daß es anders auch geht, stellt der Erzbischof von Ferrara, Luigi Negri unter Beweis. In seiner Erzdiözese sind 16 Priester mit der Feier des Alten Ritus beauftragt. Da gibt es keinen organisatorischen Engpaß. Auch nicht in den heißen Sommermonaten.
Text: Corrispondenza Romana/Giuseppe Nardi
Bild: Accion Liturgica/Montage