(Moskau) Der Hidschab, die islamische Ganzkörperverschleierung für Frauen wurde an höheren Schulen der südrussischen Region Strawropol an der Grenze zu mehrheitlich islamischen Gebieten des Nordkaukasus verboten. Der Oberste Gerichtshof der Russischen Förderation bestätigte am 10. Juli das Verbot. Die Höchstrichter wiesen den Einspruch der islamischen Gemeinschaft, die von Rechtsanwalt Murad Musayew vertreten wurde, ab.
Bereits das zuständige Gericht von Stawropol hatte das Hidschab-Verbot gutgeheißen. Begründet wurde das Urteil mit der Trennung von Staat und Kirche. Die Zulassung einer religiösen Bekleidungsbestimmung schaffe eine nicht erwünschte Ungleichheit unter den Schülern, die unterschiedlichen Glaubensbekenntnisses seien. Für die Richter dürfe das äußere Erscheinungsbild der Schüler keine offensichtliche Unterscheidung nach religiösem Bekenntnis zeigen.
Rechtsanwalt Musayew begründete den Einspruch beim Höchstgericht damit, daß das Hidschab-Verbot die Verfassungsrechte der Moslems verletze, die ihnen das Tragen religiöser Symbole garantiere. Das Verbot habe die moslemische Gemeinschaft von Stawropol gezwungen, ihre Kinder aus den öffentlichen Schulen zu nehmen und auf konfessionelle Schulen zu schicken oder überhaupt zu Hause zu unterrichten.
Im Februar hatte das zuständige Gericht in Stawropol den Einspruch der moslemischen Gemeinschaft gegen eine Anordnung der Regionalregierung vom 31. Oktober 2012 abgewiesen. Die Regierungsanordnung legte eine einheitliche Schülerkleidung fest. Hintergrund war die Abweisung mehrerer Schülerinnen an verschiedenen Schulen, die im Hidschab dem Schulunterricht folgen wollten. Wegen der Nähe zu moslemischen Völkern im russischen Nordkaukasus, wo ein jahrelanger Bürgerkrieg in Tschetschenien tobte, herrscht in Stawropol besondere Wachsamkeit vor einer Ausbreitung strengerer oder radikaler Formen des Islam.
Musayew legte am 22. April Einspruch gegen die Stawropoler Gerichtsentscheidung ein, die wegen der zu klärenden Verfassungsfrage an den Obersten Gerichtshof weitergereicht wurde.
Im Oktober 2012 hatte bereits Staatspräsident Waldimir Putin zur Frage Stellung genommen. Die Behörden hätten das Glaubensbekenntnis der Bürger zu respektieren. Ihre Entscheidungen hätten sie jedoch auf der Grundlage einer Trennung von Staat und Religion zu treffen, so der Präsident.
In der Region Stawropol, aus der Michail Gorbatschow, der letzte Staats- und kommunistische Parteichef der UdSSR stammt, leben fünf Prozent Moslems. Fast die Hälfte von ihnen ist erst in jüngster Zeit aus dem Nordkaukasus zugewandert. Das gilt vor allem für die Darginen, einem einst christlichen, seit dem Spätmittelalter moslemischen Volk Dagestans. Laut Volkszählung von 2012 bekennen sich 55 Prozent der Bevölkerung zum Christentum, davon 48 Prozent zum orthodoxen Glauben, sieben Prozent zu anderen christlichen Bekenntnissen, darunter auch die Katholiken. 19 Prozent bezeichnen sich als konfessionslos, 16 Prozent als Atheisten und 7 Prozent machte keine Angaben.
Text: Asianews/Giuseppe Nardi
Bild: Asianews
Wenn das Oberste Gericht Russlands das Verbot als gerechtfertigt ansieht, sollte es nun von der Regierung für ganz Russland umgesetzt werden.