(Madrid) Der Jesuit und Bioethiker Juan Masiá Clavel legte ein Buch vor, in dem er sich bemüht, den Nachweis zu erbringen, daß die Tötung ungeborener Kinder unter bestimmten Gesichtspunkten gerechtfertigt ist. „Damit habe ich aber ein großes Problem“, schreibt der Kirchenhistoriker Francisco Fernández de la Cigoña. „Das was Juan Masiá sagt, ist mir völlig egal. Als Katholik will ich wissen, was die Kirche sagt“, das allein zähle.
Was die Kirche sagt, stehe jedoch, so de la Cigoña in offenem Widerspruch zu dem, was der Jesuit Masiá von sich gibt, der die Abtreibung für ungeborene Kinder mit Anenzephalie rechtfertigt. Diese seien keine menschliche Wesen, sondern nur eine Art Zellhaufen ohne Lebensfähigkeit. Solche Kinder seien zwar lebendig, aber mit Bestimmtheit keine Personen.
„Wenn die Kirche das nicht so sieht, wie erlaubt sich dann Masià als Priester und Jesuit das zu behaupten?“, fragt Fernández de la Cigoña. Als Katholiken müsse man erwarten dürfen, daß katholische Vertreter auch die katholische Lehre vertreten. „Und das scheint mir nicht zuviel verlangt“, so der Kirchenhistoriker und katholische Blogger.
Wenn Masiá mit seiner Meinung Recht haben sollte, daß Kinder mit Anenzephalie keine Menschen sind und ausgelöscht werden dürfen, dann hätten dies die zuständigen Stellen der Kirche zu sagen, „die Bischöfe, die Präfekten der römischen Kongregationen und Päpstlichen Räte, die Oberen von Masiá im Jesuitenorden und nicht zuletzt der Heilige Vater. Dann haben wir ein Recht das zu wissen“, de la Cigoña.
„Wenn Masiá aber nicht recht hat, wie können sie es dann dem Jesuitenpater erlauben, diese Meinung zu vertreten? Sehen sie nicht, welche Verwirrung er stiftet“, wie seine Meinung von Abtreibungsbefürwortern auf verschiedenen Internetseiten und Foren ausgeschlachtet werde und welche Unsicherheit unter den Katholiken und den Fragenden gestiftet und die Position der katholischen Kirche nicht sichtbar werde? Daß in der öffentlichen Meinung der marginale Einzel- und Extremfall zum Vehikel wird, die Abtreibung insgesamt zu rechtfertigen nach dem Motto: „Die Kirche ist ja auch dafür …“. Das Schwerwiegende an Masiás Vorstoß ist die Tatsache, daß damit eine Gruppe von ungeborenen Kindern, und sei sie noch so klein und so mit einer schwerwiegenden Pathologie behaftet, aus dem Kreis der Menschen ausgeschlossen wird. Dieser Dammbruch stellt das Skandalöse dar, der mit einem Extremfall eine Bresche schlägt, der dann willkürlich ausgeweitet werden kann. Ein Jesuit, der das Spiel der Abtreibungslobby spielt.
„Masiá ist nicht ein Unbekannter, dessen Meinung keine Rolle spielt. Er ist täglich in den Medien und vertritt dort die Morallehre der Kirche oder tritt sie mit Füßen. Wir haben ein Recht auf Klarheit“, so de la Cigoña. „Haben wir Hirten? Manchmal hat man gehörige Mühe, das zu glauben“, so der Kirchenhistoriker abschließend.
Nach der Hals-über-Kopf-Entscheidung des Kölner Erzbischofs und der deutschen Bischofskonferenz, die Pille danach zu billigen, ohne wie die Schweizer Bischofskonferenz eine vorherige Überprüfung abzuwarten, ob es überhaupt eine Pille danach ohne abtreibende Wirkung gibt, stellt sich die dramatische Frage nicht nur für Spanien.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: La cigüeña de la torre