(Rom) Am Angelicum, der vom Dominikanerorden geführten Päpstlichen Universität Heiliger Thomas von Aquin in Rom, wurde das Buch Quelli che fecero il Concilio (Jene, die das Konzil machten, EDB-Verlag, Bologna), mit 16 Interviews vorgestellt. Autor Filippo Rizzi, Journalist des Avvenire, der Tageszeitung der italienischen Bischofskonferenz, hat sie unter Kardinälen, Bischöfen, Theologen und Laien gesammelt, die persönlich auf unterschiedliche Weise am Zweiten Vatikanischen Konzil mitgewirkt haben. Darunter die beiden Konzilsväter Luigi Bettazzi und der spätere Kardinal Giovanni Canestri, die damaligen Periti, der spätere Kardinal Roger Etchegaray und der Theologe aus dem Jesuitenorden Paolo Molinari, die späteren Kardinäle aus dem Jesuitenorden und Exegeten Carlo Maria Martini und Albert Vanhoye sowie Roberto Tucci, die Vatikanisten Raniero La Valle, Benny Lai und Ettore Masina, der Sekretär von Johannes XXIII., Erzbischof Loris Capovilla und die späteren Kardinäle Paul Poupard, Achille Silverstrini und Giovanni Coppa, die als Beobachter des Staatssekretariats am Konzil teilnahmen.
Neues Buch im EDB-Verlag – Progressive Zelebration des Konzil
Zum 50. Jahrestag der Konzilseröffnung finden eine ganze Reihe von Initiativen und Buchveröffentlichungen statt. Darunter stechen vor allem jene des Verlags EDB des Dehonianerordens in Bologna hervor. In Bologna ist auch die vom Kirchenhistoriker Giuseppe Alberigo gegründete und heute von Alberto Melloni geleitete progressive „Schule von Bologna“ angesiedelt, die lange mit ihrer Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils die Wahrnehmung dieses kirchlichen Großereignisses des 20. Jahrhunderts maßgeblich geprägt hat. Die Mitarbeiter der „Schule von Bologna“, die jene Hermeneutik des Bruchs vertreten, gegen die Papst Benedikt XVI. während seines ganzen Pontifikats ankämpfte, sind gern gesehene Autoren des EDB-Verlags. Einer der jüngsten Kardinäle der Kirche, der Erzbischof von Manila, Luis Antonio Tagle stammt ausgerechnet aus der „Schule von Bologna“. „Er war es, der das Schlüsselkapitel zur meistgelesenen Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils geschrieben hat, das als Bruch und ‚Neubeginn‘ interpretiert wird. Aber an der Römischen Kurie hat man das unterschlagen“, wie der Vatikanist Sandro Magister anmerkte, als Ende 2011 die Einberufung eines Konsistoriums für Februar 2012 bekannt wurde und der Name des philippinischen Erzbischofs unter den neuen Kardinälen auftauchte.
Der 55jährigeKardinal Tagle gehörte altersbedingt nicht zu den Interviewpartner Rizzis. Dafür stand Luigi Bettazzi bereit, der am Konzil teilnahm und zur „Schule von Bologna“ gehört.
An der Buchvorstellung am Angelicum nahmen dafür Interviewpartner teil, der Schweizer Kardinal Georges M. Cottier OP und Pater Gianpaolo Salvini SJ, von 1985 bis 2011 Chefredakteur der eng mit dem Vatikan verbundenen Jesuitenzeitschrift Civiltà Cattolica. Mit dabei war auch Pater Pier Luigi Cabra SCJ, der Direktor des EDB-Verlags der Dehonianer, der darauf verwies, daß er genau am Tag der Konzilseröffnung geboren wurde.
Konzil „brachte nicht wenige und nicht kleine Früchte“
Die Anwesenden lobten den Beitrag, den das Buch leiste, um durch die Erzählungen der Befragten die Erinnerung an „dieses überaus wichtige Kapitel der Kirchengeschichte“ wachzuhalten. Die Redner waren sich auch darin einig, daß das Konzil seine Stärken noch nicht erschöpft hat, obwohl es für das Leben der katholischen Kirche „nicht wenige und nicht kleine Früchte“, wenn auch manches Unbehagen, gebracht habe.
Wie bereits die früheren Ökumenischen Konzile, habe auch das von Johannes XXIII. eröffnete und von Paul VI. abgeschlossene eine neue Seite in der Geschichte des Volkes Gottes aufgeschlagen, die auf der einen Seite die Vergangenheit nicht ausgelöscht habe, so aber doch objektiv einigen nicht mehr der Sensibilität, den Erwartungen, den Fragen und den im Lauf des 20. Jahrhunderts gereiften Bedürfnissen entsprechenden kirchlichen Stilen ein Ende bereitet hat.
Kardinal Cottier und Pater Salvini erinnerten mit „Dankbarkeit“ an die „Hoffnungen, die das Konzil aufgegriffen hatte und für die Zukunft wecken wollte“. Beide verwiesen auf die „nicht kleinen Veränderungen“, die mit dem Konzil in der katholischen Kirche erfolgten. Auch im Abstand von 50 Jahren sei das Konzil noch imstande, in das Leben der Kirche „neue Keimlinge der Lebendigkeit“ einzupflanzen, „Ideale der Lebenserneuerung, Perspektiven, die das Wachstum beschleunigen können“.
Kardinal Cottier erinnert zudem mit „bewundernswerter Demut“, daß die „wahren Macher des Konzils die teilnehmenden Bischöfe waren“.
Allerdings übten die Experten, die Theologen, die als Periti am Konzil teilnahmen, aber auch andere Teilnehmer im Beobachterstatus und nicht direkt Teilnehmende einen großen Einfluß aus auf die Entwicklung, die Abfassung und Überarbeitung der von der Konzilsvollversammlung beschossenen Dokumente. Rizzis Buch läßt dies deutlich werden.
Zweites Vatikanum ein „Polarstern im Bereich Liturgie, Seelsorge und Moral“?
Dennoch reiht sich das Buch in eine ganze Reihe von persönlichen Erinnerungen an das Zweite Vatikanische Konzil ein, die es in apologetische Form zelebrieren und das Gedenken zu 50 Jahre Konzilsbeginn mehr zudecken als erhellen. Auf Seite 43 wird Johannes XXIII. als „der Vulkan der Konzilsidee“ bezeichnet. Auf Seite 65 heißt es: Das Zweite Vatikanum „ist ein Polarstern im Bereich der Liturgie, der Seelsorge und der Moral“, das „inzwischen mehr in den Händen der Söhne als denen der ‚Väter‘ (liegt), die fast alle verstorben sind“ (S. 35).
Die Absicht des Buches sei, „den idealen Übergang mit Übergabe“ zwischen den Generationen zu fördern, „damit dieser wichtige Nachlaß des kirchlichen Lehramtes für die Jungen vor allem ein lebendiger Schatz bleibt und nicht nur eine Erinnerung“ (S. 13). Einhelliges Lob gibt es für die beiden Konzilspäpste Johannes XXIII. und Paul VI. von allen Interviewten, allerdings mit Einschränkungen für Paul VI. wegen dessen Enzyklika Humanae vitae, die im Widerspruch zum Konzil, wohl mehr des ominösen Konzilsgeistes, stehe, wie Raniero La Valle und Ettore Masina meinen. Lobende Worte gibt es gleichermaßen für den konservativen Kardinal Giuseppe Siri (Genua) und den progressiven Kardinal Giacomo Lercaro (Bologna), die von ihren Positionen nicht verschiedener sein hätten können. 50 Jahre danach scheinen sich in der Erinnerung anderer deren tiefgehenden Gegensätze in einem Halbsatz milder Worte aufzulösen. Selbst Erzbischof Marcel Lefebvre wird von Kardinal Etchegaray ins Spiel gebracht.
Das Buch bleibt damit weitgehend auf einer verklärenden Ebene stehen, die für die historische, aber auch inhaltliche Aufarbeitung des Konzils, dessen Interpretation und Einbettung in die Kirchengeschichte wenig Neues und wirklich Brauchbares liefert. Ein Symptom für einen Großteil der meisten Initiativen zum Beginn des Konzils vor 50 Jahren.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Asianews