(Vatikan) Da Papst Franziskus im Gegensatz zu seinen Amtsvorgängern täglich die Heilige Messe öffentlich zelebriert, handelt es sich bei seinen Predigten um offizielle Äußerungen des katholischen Kirchenoberhauptes. Radio Vatikan verbreitet sie konsequenterweise als solche.
Jede morgendliche Predigt eine offizielle Äußerung
Die kurzen Betrachtungen sind improvisiert und werden nicht vorab vom theologischen Berater des Papstes, Kurienerzbischof Ladaria Ferrer durchgesehen. Entsprechend verschwommen und vage ist der Gebrauch mancher theologischer Begrifflichkeiten. Am Montag morgen sprach der Papst über Verleumdung. Diese sei zwar eine Sünde, aber sie „auch etwas anderes“, nämlich ein „Werk des Satans. Wo Verleumdung ist, da ist Satan, und zwar genau er.“
Unscharfe Wortwahl wirft zahlreiche Fragen auf – Sündenkategorien? Urheberschaft der Sünde?
Die Wortwahl des Papstes und die von ihm vorgenommene Definition von Verleumdung werfen wegen der mangelnden Schärfe Fragen auf. Was ist Sünde? Welche Steigerungsform von Sünde gibt es? Wer ist der Vater aller Sünde? Sind die Sünden nicht das „Werk des Satans“? Es gibt Sünden und Todsünden. Da Verleumdung nach kirchlicher Lehre nicht in die Kategorie der Todsünden fällt, aber laut Papst Franziskus mehr als eine Sünde ist, stellt sich die Frage, was sie ist. Laut Heiliger Schrift und kirchlicher Lehre können alle Sünden vergeben werden. Nur eine einzige nicht, die Sünde wider den Heiligen Geist.
Heute, Dienstag, sprach Papst Franziskus über das Zweite Vatikanische Konzil: „Das Konzil war ein schönes Werk des Heiligen Geistes […] Aber haben wir 50 Jahre danach alles getan, was uns der Heilige Geist im Konzil gesagt hat? In jener Kontinuität des Wachstums der Kirche, die das Konzil gewesen ist?“
„Halsstarrige“ wollen „Heiligen Geist domestizieren“
Für Papst Franziskus mangelte es in dem halben Jahrhundert seit dem Konzil an „Kontinuität der Kirche“. Und es gab „Halsstarrige“, die sogar vor das Konzil zurückkehren wollen, die „den Heiligen Geist domestizieren“ möchten.
Das Stichwort liefert die Lesung aus der Apostelgeschichte über die Steinigung des Stephanus. Dieser bezeichnete vor seiner Hinrichtung jene als „Halsstarrige“ (Apg 7,51), die sich dem Heiligen Geist widersetzen. Die Gedanken führte Papst Franziskus bei der morgendlichen Heilige Messe aus, die er heute zur Ehren des 86. Geburtstags von Papst Benedikt XVI. zelebrierte.
Was genau will der Papst den Christen sagen?
Der Papst erinnerte zudem in seiner Predigt daran, wie Jesus die Emmausjünger ermahnte, zu langsam anzunehmen, was die Propheten lehrten. „Auch unter uns gibt es immer diesen Widerstand gegen den Heiligen Geist. […] Um es deutlich zu sagen: Der Heilige Geist ist uns lästig. Weil er uns bewegt, uns gehen macht, die Kirche drängt, vorwärts zu gehen. Und wir sind wie Petrus in der Verklärung: ‚Ah, wie schön ist so zu sein, alle zusammen!‘ … aber er soll uns nicht lästig fallen. Wir wollen, daß der Heilige Geist sich beruhigt… wir wollen den Heiligen Geist domestizieren. Und das geht nicht. Weil Er Gott ist und Er jener Wind ist, der kommt und geht und du weißt nicht nicht von wo. Er ist die Kraft Gottes, jener, der uns Trost gibt und die Kraft vorwärts zu gehen. Eben: Vorwärts zu gehen! Und das ist lästig. Die Bequemlichkeit ist schöner.“
Was aber genau will der Papst damit sagen? Sind seine Worte, soweit verständlich, wörtlich zu nehmen? Identifiziert er den Heiligen Geist mit dem „Geist des Konzils“? Was hat das Konzil „gelehrt“, das noch nicht umgesetzt wurde? Was aber ist mit den nicht verständlichen Teilen? Was bedeutet für die Kirche: „Hauptsache vorwärts“? Um welche theologische Kategorie handelt es sich dabei? Wer genau sind die Halsstarrigen? Worin besteht für Papst Franziskus das theologische Unterscheidungsmerkmal zwischen denen, die dem Heiligen Geist folgen und jenen, die dies nicht tun und daher halsstarrig sind? Laut Stephanus sind es jene, die Christus nicht annehmen. Laut Papst Franziskus scheinen es aber jene zu sein, die den im Credo festgeschriebenen Glauben vollständig anerkennen, nicht aber einen bestimmten Weg der Kirche. Dazwischen liegen Welten. Viele Fragen, zu viele Fragen, die durch einen saloppen Umgang mit Worten, Begriffen und Kategorien entstehen.
Weshalb eine ganz andere Frage berechtig erscheint, jene nach Opportunität und Nützlichkeit von improvisierten Papstpredigten im Medienzeitalter, wo jedes Wort in Windeseile um den Globus geht.
Text: Radio Vatikan/Giuseppe Nardi
Bild: Asianews