Liturgie muß schön sein! Sinn und Bedeutung des priesterlichen Ornats


Weihbischof (em.) frimt Jugendliche im außerordentlichen Ritus. 6. November 2011 St. Aegidii Münstervon Peter Stephan

Die Fehldeutung der katholischen Liturgie als äußerlicher Prunk

Anzei­ge

Wer in die bei Stutt­gart gele­ge­ne Stadt Lud­wigs­burg kommt, soll­te nicht nur die berühm­ten Gar­ten­an­la­gen, son­dern auch den Thron­saal des Schlos­ses besu­chen. Der präch­ti­ge Bal­da­chin, der den Thron über­fängt, ist aus Mess­ge­wän­dern und Antepen­di­en gefer­tigt, die 1803, nach der Säku­la­ri­sie­rung der Klö­ster und Reichs­ab­tei­en, in den Besitz der würt­tem­ber­gi­sche Kro­ne gelangt waren.

Die Umwid­mung der Para­men­te soll­te zum einen die neu­en ter­ri­to­ria­len Herr­schafts­ver­hält­nis­se doku­men­tie­ren. Zum ande­ren woll­te der pro­te­stan­ti­sche Lan­des­va­ter im Zeit­al­ter der Auf­klä­rung ein kir­chen­po­li­ti­sches Zei­chen set­zen: Barocker Prunk, der katho­li­schen Prä­la­ten zur Selbst­dar­stel­lung dien­te, hat­te in den Got­tes­dien­sten sei­nes Lan­des nichts zu suchen. Schließ­lich hat­te schon Mar­tin Luther fest­ge­stellt: „Die Mes­se ist umso christ­li­cher, je näher und ähn­li­cher sie der aller­er­sten Mes­se ist, die Chri­stus beim letz­ten Mah­le gehal­ten hat. Aber Chri­sti Mes­se war so ein­fach wie mög­lich, ohne jeden Prunk mit Gewän­dern, Gebär­den, Gesän­gen und ande­rer zere­mo­ni­el­ler Pracht.“ Daher sei es, so Luther wei­ter, wich­tig, „daß nie­mand, durch den Glanz der Zere­mo­nien betro­gen und den viel­fäl­ti­gen Prunk ver­wirrt, (…) das schlich­te Wesen der Mes­se ver­liert und an den vie­len äußer­li­chen Zuta­ten des Geprän­ges hängt.“ Denn in der Urkir­che sei die Mes­se in erster Linie ein Lie­bes­mahl gewe­sen, bei dem die „Kol­lek­ten nach dem Bei­spiel der Apo­stel (Apg 4, 34f) an alle Bedürf­ti­gen ver­teilt wer­den soll­ten“. [1]Mar­tin Luther, Die Gefan­gen­schaft der Kir­che (Die refor­ma­to­ri­sche Grund­schrif­ten, Bd. 3), Mün­chen 1983, S. 51; WA Bd. 6, S. 523.

Ganz ähn­lich sieht man es mitt­ler­wei­le auch in der katho­li­schen Kir­che. Luthers Wor­te hät­ten auch von Anni­ba­le Bug­nini, dem Erfin­der der Lit­ur­gie­re­form von 1970, gespro­chen wer­den kön­nen. Und unter Papst Fran­zis­kus schei­nen sie aber­mals an Bedeu­tung zu gewin­nen. Jeden­falls ist der Unter­schied zwi­schen den neu­en Papst­mes­sen und dem „Para­men­te­stil“ des Ratz­in­ger-Pon­ti­fi­kats unüber­seh­bar. Hämisch geben die Geg­ner von Bene­dikts lit­ur­gi­scher Reform der Reform zu ver­ste­hen, die Zei­ten des „Kar­ne­vals“ und des „Tun­ten­bal­letts“ sei­en nun end­gül­tig vor­über. [2]Dani­el Deckers, Der Vati­kan unter Papst Fran­zis­kus. Der Kar­ne­val ist aus, in FAZ vom 24.03.2013

Die Polemik gegen eine feierliche Liturgie als Angriff auf das heilige Messopfer

Aller­dings lohnt es sich, dar­auf zu ach­ten, in wel­chem gedank­li­chen Zusam­men­hang das eben ange­führ­te Luther-Zitat steht. Es fin­det sich in der Schrift über „Die baby­lo­ni­sche Gefan­gen­schaft der Kir­che“. In die­sem Werk ver­such­te der Refor­ma­tor nach­zu­wei­sen, daß die Leh­re von den Sakra­men­ten eben­so wie das Myste­ri­um der Tran­sub­stan­tia­ti­on eine Erfin­dung der Scho­la­stik sei, mit­tels derer die Papst­kir­che ihre Tyran­nei über die wah­re Kir­che Chri­sti errich­tet habe. In der luthe­ri­schen Abend­mahls­leh­re geht die Ableh­nung präch­ti­ger Meß­ge­wän­der Hand in Hand mit der Ver­un­glimp­fung des hei­li­gen Meß­op­fers als Götzendienst.

Luthers Pole­mik gegen das Meß­op­fer taugt also kei­nes­falls als Begrün­dung für inner­ka­tho­li­sche Lit­ur­gie­re­for­men – es sei denn, man will den Cha­rak­ter der katho­li­schen Meß­fei­er wirk­lich im Sin­ne der refor­ma­to­ri­schen Abend­mahls­theo­lo­gie ver­än­dern und die kirch­li­che Hier­ar­chie zugun­sten eines basis­de­mo­kra­tisch orga­ni­sier­ten Kir­chen­volks abschaffen.

Der Ornat als Symbol für das Priestertum Christi

In Wirk­lich­keit hat das katho­li­sche Mess­op­fer jedoch nicht das min­de­ste mit dem pro­te­stan­ti­schen Gedächt­nis­mahl zu tun, und dies aus gutem Grund. Wie Bene­dikt XVI. in sei­ner Jesus-Mono­gra­phie noch ein­mal klar her­aus­ge­ar­bei­tet hat, fei­er­te Chri­stus beim sog. Letz­ten Abend­mahl nicht nur das jüdi­sche Pascha-Fest. [3]Joseph Ratzinger/​Benedikt XVI., Jesus von Naza­reth, Bd. 2, Frei­burg 2010, v.a. S. 126–145 Viel­mehr mach­te Er, indem er in den Gestal­ten von Brot und Wein Sei­nen Kreu­zes­tod vor­weg­nahm, auch sich selbst zum Opfer­lamm. Er setz­te Sein Blut, das Er am Holz des Kreu­zes ver­goß, mit dem Blut gleich, mit dem Mose beim aller­er­sten Pascha-Fest die Tür­pfo­sten der Israe­li­ten hat­te bestrei­chen las­sen. Damals hat­te das Opfer­blut das Got­tes­volk vor der Ver­skla­vung durch den Pha­rao und vor der Rache des Wür­ge­en­gels bewahrt. Nun aber soll­te es die Welt aus der Knecht­schaft der Sün­de und aus den Ban­den des Todes erret­ten. Anders als das jüdi­sche Pascha-Fest und die pro­te­stan­ti­sche Abend­mahl­fei­er, die das gött­li­che Heils­han­deln durch Erin­ne­rung an das Ver­gan­ge­ne ver­ge­gen­wär­ti­gen, wei­sen das Letz­te Abend­mahl Chri­sti und das katho­li­sche Meß­op­fer auf Zukünf­ti­ges vor­aus: dar­auf, daß Gott durch das Lei­den und die Auf­er­ste­hung Sei­nes Soh­nes die Wür­de des Men­schen, die er wun­der­bar erschaf­fen hat, noch wun­der­ba­rer erneu­ert; daß er uns Anteil gege­ben hat an Sei­ner himm­li­schen Herrlichkeit.

Vor die­sem gedank­li­chen Hin­ter­grund erhält auch das katho­li­sche Meß­ge­wand sei­nen Sinn. Mit ihm legt sich der Prie­ster gleich­sam Chri­stus um. Er schlüpft buch­stäb­lich in die Rol­le des Hohen­prie­sters nach der Ord­nung des Mel­chise­dek, der sich selbst als Opfer dar­ge­bracht hat.

Der Priester als Diener Christi

Somit zeigt das Gewand an, daß der Prie­ster wäh­rend der Mes­se – vor allem aber bei der Spen­dung der Sakra­men­te – aus­schließ­lich in per­so­na Chri­sti han­delt. Das Gewand erhebt ihn nicht über ande­re, son­dern macht ihn zum unwür­di­gen Werk­zeug. Um die­ses Han­deln in per­so­na Chri­sti zum Aus­druck zu brin­gen, sieht der Alte Ritus sogar vor, daß der Prie­ster dann, wenn er ‚per­sön­lich wird’, etwa bei der Pre­digt, das Meß­ge­wand ablegt. Frü­her war es bis­wei­len sogar üblich, daß das Gewand zu Beginn der Mes­se noch (in Erin­ne­rung an das Lamm bei der Opfe­rung oder an den Jesus­kna­ben bei der Dar­brin­gung im Tem­pel) auf der Altar­men­sa lag und erst nach dem Intro­itus ange­legt wurde.

Der liturgische Stil Benedikts XVI.: sich klein machen, um Christus Raum zu geben

Doch auch inner­halb des Neu­en Ritus gibt es Mög­lich­kei­ten, die Rol­le des Prie­sters als eines Die­ners Chri­sti her­aus­zu­stel­len. Eines der ein­drucks­voll­sten Bei­spie­le hier­für war die Vigil, die Bene­dikt XVI. zum Abschluß des Prie­ster­jah­res 2010 auf dem Peters­platz abhielt und die in der Ver­eh­rung des Aller­hei­lig­sten gip­fel­te. Bene­dikt war ganz von sei­nem Plu­via­le umschlos­sen. Man sah von ihm nur noch die gefal­te­ten Hän­de und das auf Chri­stus gerich­te­te Gesicht. Und da die Zere­mo­nia­re das Plu­via­le auch über die Knie­bank gelegt hat­ten, war der Papst völ­lig bewe­gungs­un­fä­hig. Er war außer­stan­de, über das Beten hin­aus eine ande­re Tätig­keit zu ver­rich­ten. Chri­stus hat­te ganz von ihm Besitz ergrif­fen. [Sie­he dazu auch die Bil­der­ga­le­rie]

Der Ornat als Symbol des Königtums Christi

Doch reich­te die Wir­kung von Bene­dikts Plu­via­le noch wei­ter. Da der Hei­li­ge Vater ad alta­re knie­te, bil­de­te die gol­de­ne Bor­dü­re auf dem Plu­via­le­schild zusam­men mit dem Altar­kreuz eine durch­ge­hen­de senk­rech­te Linie, wäh­rend der übri­ge Stoff sich optisch voll­kom­men mit der Orna­men­tik des Antepen­di­ums ver­band. Nun ging die Per­son des Pon­ti­fex erst recht im lit­ur­gi­schen Gese­hen auf. Die­ses wie­der­um bezog das gesam­te Umfeld auf sich. Die Fas­sa­de der Basi­li­ka, deren Säu­len die Altar­ker­zen gleich­sam ins Rie­sen­haf­te poten­zier­ten, erschien wie ein gewal­ti­ges Reta­bel, in des­sen Mit­te das Bild des hei­li­gen Pfar­rers von Ars prang­te. Der Bereich vor der Fas­sa­de wur­de zum Kir­chen­raum, wobei die ein­zel­nen Bezir­ke (Piaz­za Pio XII., Peters­platz und die Piaz­za Ret­ta) in die­ser Abfol­ge einem Sakral­raum mit Vor­hal­le, Lang­haus und Hoch­chor ent­spra­chen. Dank dem lit­ur­gi­schen Ornat wur­de die Herr­schaft, die der im Altar­sa­kra­ment gegen­wär­ti­ge rex glo­riae über die Stadt und den Erd­kreis aus­üb­te, sinn­lich erfahrbar.

Tat­säch­lich steht der lit­ur­gi­sche Ornat nicht nur für das Hohe­prie­ster­tum, son­dern auch für das König­tum Chri­sti: für die himm­li­sche Herr­lich­keit, in wel­cher der Herr am Jüng­sten Tag wie­der­kom­men wird und in die Er uns heim­füh­ren will. Inso­fern trägt der Prie­ster die Para­men­te auch stell­ver­tre­tend für alle Gläu­bi­gen – die rei­chen wie die armen.

Der Ornat als Symbol der Erlösung

Grund­le­gend für die­se zwei­te Sym­bo­lik des Ornats sind zwei bibli­sche Meta­phern: das pau­li­ni­sche Bild von der Tau­fe, durch die wir den alten Adam und die Wer­ke der Fin­ster­nis able­gen, um Chri­stus anzu­zie­hen (vgl. Eph. 4,22; Kol. 3,9; Röm. 6,6 und 13, 12–14), sowie das von Jesa­ja und Baruch ver­wen­de­te Bild vom neu­en Jeru­sa­lem bzw. von der Braut Chri­sti, die sich das Kleid der Trau­er und der Wit­wen­schaft able­gen darf, um sich mit den Gewän­dern des Heils zu schmücken (Jes 61,1–2a und 10–11; Bar 5,1–2). Die­se zwei­te Meta­pher kehrt im Buch der Offen­ba­rung wie­der, wenn vom neu­en Jeru­sa­lem als der „kost­bar geschmück­ten Braut“, der spon­sa orna­ta, die Rede ist (Offb 21,1).
Doch wie kost­bar darf der Ornat der spon­sa orna­ta sein? Müs­sen es Sei­de und Gold­bro­kat sein? Oder genügt das ein­fa­che Weiß, in dem die Gewän­der der Hei­li­gen erstrah­len, nach­dem sie durch das Blut des Opfer­lam­mes rein­ge­wa­schen wur­den (Offb 4,4 u. 7.14)? Und was bedeu­tet Ornat überhaupt?

Die latei­ni­sche Voka­bel orna­tus (Schmuck, Zier­de, Aus­rü­stung) hängt eng mit dem grie­chi­schen Wort kós­mos zusam­men. Kos­mos bezeich­net das Welt­all, aber auch die Ord­nung, die Gott Sei­ner Schöp­fung gege­ben hat. Kos­mos ist das Gegen­teil von Cha­os. Zugleich bedeu­tet Kos­mos (wie der latei­ni­sche Begriff decor) das, was ange­mes­sen ist, was sich ziemt. Die Welt-Ord­nung fin­det also in all dem einen ange­mes­se­nen Aus­druck, was Gott zur Zier­de und zum Schmuck gereicht, was Ihn aus­zeich­net. In die­sem Sin­ne hat der prie­ster­li­che Ornat – wie die gesam­te Lit­ur­gie – die Auf­ga­be, Gott und auf gebüh­ren­de Wei­se zur Zier­de zu gerei­chen und Sei­ner Ord­nung ange­mes­sen Aus­druck zu verleihen.

Die Schönheit der Liturgie als Spiegel der Wahrheit und Güte Gottes

Daß der Ornat dies vor allem dann lei­stet, wenn er schön ist, war in der Kir­che ein selbst­ver­ständ­li­ches All­ge­mein­gut – jeden­falls bis die von moder­nen Kunst­theo­re­ti­kern ver­brei­te­te The­se, Schön­heit sei kit­schig und unwahr­haf­tig und Orna­ment sei ein Ver­bre­chen (Adolf Loos), auch in die theo­lo­gi­schen Fakul­tä­ten Ein­zug hielt. Bis dahin galt, daß das Wah­re und das Gute sich immer auch im Schö­nen offen­bart, wes­halb die via pulchri­tu­di­nis (von der auch Bene­dikt XVI. immer wie­der sprach) als eine Metho­de der Got­tes­er­kennt­nis aner­kannt war: die Schön­heit in der Welt weist den Weg zu Gott.

Wie sehr sich das Gött­li­che im Schö­nen offen­bart, zeigt auch die Bibel. Die Gelieb­te, die Gott sich zur spon­sa orna­ta erwählt hat, wird vor allem als schön beschrie­ben (Hld 4,1–16). Alle ande­ren Eigen­schaf­ten, ihre Treue, ihre Rein­heit und ihre Tugend­haf­tig­keit, wer­den unter die­sem Begriff subsumiert.

Kirchenreform bedeutet, Liturgie schön zu gestalten

Selbst der Begriff der Kir­chen­re­form zielt auf die Schön­heit der Braut Chri­sti ab. Para­do­xer­wei­se wird die­ser Begriff heu­te meist als Schlag­wort miß­braucht, um die Lit­ur­gie ihrer Schön­heit zu berau­ben. In Wahr­heit zielt er jedoch dar­auf ab, der Kir­che jene Schön­heit (for­mo­si­tas) zurück­zu­ge­ben, die sie als Braut Chri­sti ursprüng­lich gehabt hat. Refor­ma­re bedeu­tet nicht, die Kir­che neu zu erfin­den, son­dern sie in ihrer ursprüng­li­chen Gestalt (for­ma) wie­der­her­zu­stel­len: so, wie Chri­stus sie sich zur Braut erwählt hat: „ohne Flecken und Run­zeln, noch mit etwas der­glei­chen, son­dern hei­lig und makel­los“ (Eph 5, 27). Die­se Schön­heit wird nir­gend­wo so sinn­fäl­lig wie in der Liturgie.

Die Schönheit der Liturgie äußert sich auch in der Kostbarkeit der Paramente

Biblisch ist außer­dem, daß die­se Schön­heit mit Kost­bar­keit ein­her­geht. In den Tex­ten des Alten Testa­ments sowie im Buch der Offen­ba­rung sind Gold, Edel­stei­ne und erle­se­ne Stof­fe gera­de gut genug, um der Ehre Got­tes Aus­druck zu ver­lei­hen. Das gilt für die hohen­prie­ster­li­chen Gewän­der Aarons (2 Mose 2,1–42), für die Geschmei­de der Braut Got­tes (Jes 61,3.10; Hld 4,9), für die Archi­tek­tur des Salo­mo­ni­schen Tem­pels (1 Kön 6,1–38, v.a. V 21.28–36), für den gött­li­chen Thron (Offb 4,2–6) und für die Mau­ern des himm­li­schen Jeru­sa­lem (Offb 21,9–26).

Wie ist eine prachtvolle Liturgie mit der Armut Jesu vereinbar?

Doch wie sind die­se Vor­ga­ben mit jenen Pas­sa­gen zu ver­ein­ba­ren, die von der Armut im Stall zu Beth­le­hem, von Jesu Ein­zug in Jeru­sa­lem auf einem Esel, von der Ein­fach­heit des Letz­ten Abend­mahls, von der Schmach der Dor­nen­kro­ne und vom Elend des Kreu­zes berich­ten? Hat nicht der Zim­mer­manns­sohn aus Naza­reth, indem er Sei­ne Jün­ger zur Armut ver­pflich­te­te und das Anhäu­fen irdi­scher Schät­ze ver­bot, an die Stel­le des prunk­vol­len Tem­pel­kults die schlich­te Fei­er der Aga­pe gesetzt? Hat Er mit der Erfül­lung und Über­win­dung des Geset­zes nicht auch die lit­ur­gi­schen Bestim­mun­gen des Buches Exodus außer Kraft gesetzt und hat Gott dies nicht durch das Zer­rei­ßen des Tem­pel­vor­hangs aller Welt bekun­det? Doch wenn dem so ist, wie­so wer­den dann die alt­te­sta­ment­li­chen Bil­der der kost­bar geschmück­ten Braut, des gol­de­nen Him­mels­throns und des edel­stein­be­setz­ten Jeru­sa­lem am Ende der Hei­li­gen Schrift, im Buch der Offen­ba­rung, wie­der restituiert?

Die Ant­wort dürf­te dar­in lie­gen, daß die Hei­li­ge Schrift zwi­schen dem außerwelt­li­chen und dem innerwelt­li­chen Erschei­nen Got­tes genau unter­schei­det. Das Alte Testa­ment und die Offen­ba­rung schil­dern die außer­welt­li­che Herr­lich­keit Got­tes, aus der Chri­stus gekom­men und in die Er nach Sei­ner Auf­er­ste­hung zurück­ge­kehrt ist. Die Evan­ge­li­en befas­sen sich hin­ge­gen mit der Selbst­ent­äu­ße­rung Jesu, mit sei­ner inner­welt­li­chen Exi­stenz bis zum Tod am Kreuz. Die­se Dif­fe­ren­zie­rung soll­te auch für das kirch­li­che Leben gel­ten. Die Lit­ur­gie, in der die Kir­che Gott ver­herr­licht und den Tri­umph des Lebens über den Tod fei­ert, soll­te den Vor­ga­ben des Alten Testa­ments und dem Buch der Offen­ba­rung fol­gen. Das Pri­vat­le­ben der Kle­ri­ker und der Gläu­bi­gen soll­te sich hin­ge­gen am irdi­schen Leben Jesu ori­en­tie­ren. Hier gel­ten die Maß­stä­be der Evan­ge­li­en.

Liturgie wird auf den Kopf gestellt, wenn sie nicht die außerweltliche Herrlichkeit Gottes, sondern die innerweltliche Armut Jesu darstellt.

Pro­ble­ma­tisch ist es, wenn wir die Din­ge ver­keh­ren. Wenn eine mate­ri­ell satu­rier­te Kir­che wie die deut­sche die Lit­ur­gie arm macht und dies von Gläu­bi­gen, die per­sön­lich nicht bereit sind, ihren Wohl­stand mit den Bedürf­ti­gen zu tei­len, auch noch als mora­lisch rich­tig befun­den wird. Dies erin­nert stark an das Ver­hal­ten des Judas Ischa­ri­ot, der Maria von Betha­ni­en vor­warf, sie hät­te das Geld für das teu­re Öl, mit dem sie Jesus salb­te, lie­ber den Armen geben sol­len. Bekannt­lich wies Chri­stus die­sen Vor­wurf mit dem Hin­weis zurück, daß die Jün­ger die Armen alle Tage unter sich hät­ten, Ihn aber nur ein­mal (Joh 12,1–6). Eben­so ließ Er es bereit­wil­lig zu, daß die Men­ge beim Ein­zug in Jeru­sa­lem vor Ihm die Klei­der aus­brei­te­te und Ihm mit Palm­zwei­gen als König hul­dig­te. Auch lehn­te Er die kost­ba­ren Gaben, wel­che die Wei­sen in Beth­le­hem dar­brach­ten, nicht ab. Das Öl der Maria, die Klei­der und Palm­zwei­ge der Men­ge und die Gaben der Köni­ge waren Zei­chen des Glau­bens und der Treue in einer Welt, die für ihren Schöp­fer sonst nur die Krip­pe und das Kreuz bereithielt.

Eine würdige und erhabene Liturgie ist Ausdruck der Liebe zu Christus und zu den Armen

Die­se Treue zu Chri­stus äußer­te sich auch, wenn Geist­li­che unter Lebens­ge­fahr gol­de­ne Kel­che in den Prie­ster­block von Dach­au schmug­gel­ten, um das Meß­op­fer wür­dig zu fei­ern. Wenn die frü­hen Chri­sten, kaum daß sie den Kata­kom­ben ent­stie­gen waren, dar­an gin­gen, pracht­vol­le Basi­li­ken zu errich­ten, weil sie dar­in jene Gewän­der erblick­ten, mit denen die Kir­che sich nach dem Ende ihrer Ver­fol­gung für den himm­li­schen Bräu­ti­gam schmück­te. Auf­schluß­reich ist in die­sem Zusam­men­hang vor allem die Kirch­weih­pre­digt, die der Kir­chen­va­ter Euse­bi­us von Cäsarea 317 n. Chr. in Tyrus hielt (Kir­chen­ge­schich­te 10,4). Die Feind­se­lig­keit der Welt zeig­te sich hin­ge­gen, wenn athe­isti­sche Dik­ta­to­ren Kir­chen in Stäl­le ver­wan­del­ten oder selbst­herr­li­che Duo­dez­für­sten aus Para­men­ten Thron­bal­da­chi­ne anfer­ti­gen ließen.

Vor die­sem Hin­ter­grund erweist sich der Ver­such, die Armut Chri­sti zu ehren, indem man – ohne äuße­re Not – Meß­kel­che aus Holz und Para­men­te aus gro­ber Baum­wol­le ver­fer­tigt, als fal­sche Beschei­den­heit. Das­sel­be gilt für Got­tes­häu­ser, die in der Pri­mi­ti­vi­tät von Bet­scheu­nen erbaut wer­den. Mit sol­chen Maß­nah­men ver­ban­nen wir Chri­stus erneut in den Stall von Beth­le­hem und wickeln ihn erneut in zer­schlis­se­ne Win­deln. [4]Wie sehr die Lie­be zu Chri­stus auch der sinn­li­chen Ver­mitt­lung bedarf und wie sehr die rech­te äuße­re Form den Glau­ben vor der Ver­äu­ßer­li­chung bewahrt, zei­gen bei­spiel­haft die Blog­sei­ten Motu … Con­ti­n­ue rea­ding Vor­bild­lich sind dage­gen all jene reli­giö­sen Insti­tu­te päpst­li­chen Rechts, die sich – im Neu­en wie im Alten Ritus – um eine vor­bild­li­che Lit­ur­gie küm­mern, ohne auf Kir­chen­steu­er­mit­tel zurück­zu­grei­fen, etwa Die Geist­li­che Fami­lie. Das Werk in Bre­genz oder das Insti­tut St. Phil­ipp Neri in Ber­lin. Vor­bild­lich waren auch die Ein­wan­de­rer­ge­mein­den des 19. Jahr­hun­derts in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten, die sich trotz – oder gera­de auch wegen – ihrer mate­ri­el­len Armut die pracht­voll­sten Orna­te lei­ste­ten. Und vor­bild­lich war der hei­li­ge Pfar­rer von Ars, der sich die kost­ba­ren Para­men­te buch­stäb­lich vom Mund abspar­te – und den­noch Gele­gen­heit fand, die Armen selbst­los zu unterstützen.

Hoffnung auf eine Kontinuität in der Papstliturgie

Kurz nach sei­ner Wahl hat Papst Fran­zis­kus dar­auf hin­ge­wie­sen, daß die Kir­che kei­ne Nicht-Regie­rungs­or­ga­ni­sa­ti­on sei, son­dern die Braut Chri­sti. Wenig spä­ter sprach er wäh­rend der Chri­sam-Mes­se von dem kost­ba­ren Salb­öl und von den wert­vol­len Gewän­dern der Hohen­prie­ster. Hof­fen wir, daß er die Bedeu­tung die­ser Meta­phern auf die Gestal­tung der Lit­ur­gie von St. Peter über­trägt. Damit die Papst­mes­sen für alle Prie­ster und Bischö­fe vor­bild­lich blei­ben. Damit die Ein­lei­tungs­wor­te des Motu Pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum von Bene­dikt XVI. ihre Gül­tig­keit behal­ten: Die Sor­ge der Päp­ste ist es bis zur heu­ti­gen Zeit stets gewe­sen, dass die Kir­che Chri­sti der Gött­li­chen Maje­stät einen wür­di­gen Kult dar­bringt, „zum Lob und Ruhm Sei­nes Namens“ und „zum Segen für Sei­ne gan­ze hei­li­ge Kirche“.

Prof. Dr. Peter Ste­phan hat Geschich­te, Kir­chen­ge­schich­te und Kunst­ge­schich­te stu­diert und ist apl. Pro­fes­sor für Kunst­ge­schich­te an der Uni­ver­si­tät Frei­burg im Breis­gau. Zugleich lehrt er als Pro­fes­sor für Archi­tek­tur­theo­rie an der Fach­hoch­schu­le Pots­dam und ist Dozent für Phi­lo­so­phie der Ästhe­tik am Insti­tut St. Phil­ipp Neri in Berlin.

Bild: Jens Falk, Die Mes­se aller Zeiten

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1 Mar­tin Luther, Die Gefan­gen­schaft der Kir­che (Die refor­ma­to­ri­sche Grund­schrif­ten, Bd. 3), Mün­chen 1983, S. 51; WA Bd. 6, S. 523.
2 Dani­el Deckers, Der Vati­kan unter Papst Fran­zis­kus. Der Kar­ne­val ist aus, in FAZ vom 24.03.2013
3 Joseph Ratzinger/​Benedikt XVI., Jesus von Naza­reth, Bd. 2, Frei­burg 2010, v.a. S. 126–145
4 Wie sehr die Lie­be zu Chri­stus auch der sinn­li­chen Ver­mitt­lung bedarf und wie sehr die rech­te äuße­re Form den Glau­ben vor der Ver­äu­ßer­li­chung bewahrt, zei­gen bei­spiel­haft die Blog­sei­ten Motu Pro­prio: Sum­morum Pon­ti­fi­cum und Fides et For­ma.
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