(Rom) Papst Franziskus läßt von verschiedenen Stellen der Römischen Kurie prüfen, wie die Kollegialität der Bischöfe aufgewertet werden kann. Im Zuge der Stärkung der bischöflichen Mitbestimmung läßt er gleichzeitig seinen Verzicht auf den Vorsitz oder besser auf das Nominierungsrecht des Vorsitzenden der italienischen Bischofskonferenz prüfen. Das Spannungsfeld zwischen Kollegialität und Papstprimat tritt in eine neue Phase. Es geht um Vorrang, Gewicht und Bedeutung einerseits der Apostel, die alle gleichermaßen von Christus mit der Weihegewalt ausgestattet wurden und deren Nachfolger heute die Bischöfe sind, andererseits des Petrus, der allein von Christus den Auftrag und die Vollmacht erhielt, seine Kirche zu leiten und zu regieren, dessen Nachfolger die Päpste sind.
Papst Franziskus überlegt, auf Recht zu verzichten, den Vorsitzenden der italienischen Bischofskonferenz zu ernennen
Bischofskonferenzen in ihrer heutigen Form sind eine sehr junge Einrichtung der katholischen Kirche. Sie gehen in Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils auf das Dekret Christus Dominus vom Oktober 1965 zurück. Die Bischofskonferenzen wählen in jedem Land den Vorsitzenden aus ihrer Mitte. Eine besondere Ausnahme bildet die italienische Bischofskonferenz (Conferenza Episcopale Italiana, kurz CEI).
Da der Papst als Bischof von Rom theoretisch selbst dieser Bischofskonferenz angehört, galt es von Anfang an als ungeschriebenes Gesetz, daß er als Primas von Italien automatisch auch Vorsitzender der Konferenz ist. In der Praxis bedeutete dies allerdings, daß der Papst nie an den Bischofskonferenzen teilnahm, um sich nicht auf die Ebene der anderen Bischöfe zu begeben, aber auch um durch seine Anwesenheit nicht jede Diskussion von vorneherein zu unterbinden. Ihm war es daher vorbehalten, sowohl den Vorsitzenden als auch den Sekretär der Bischofskonferenz zu bestimmen.
Papst als Bischof von Rom und Primas von Italien Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz
Papst Benedikt XVI. ernannte 2007 Angelo Kardinal Bagnasco, den Erzbischof von Genua zum Vorsitzenden. Der polyglotte Erzbischof steht in der Tradition seines Vorgängers Kardinal Siri und gehört zu den intellektuellen Schwergewichten der katholischen Kirche. 2012 bestätigte ihn Benedikt XVI. für weitere fünf Jahre im Amt. Die Frage seiner Nachfolge wird daher erst 2017 aktuell.
Papst Franziskus scheint jedoch zu prüfen, im Namen einer größeren Kollegialität auf dieses Vorrecht zu verzichten. Er soll, wie es heißt, den Auftrag erteilt haben, eine Statutenänderung der Bischofskonferenz zu prüfen, die es den Bischöfen ermöglicht, den Vorsitzenden und den Generalsekretär zu wählen.
Damit würde die italienische Bischofskonferenz den anderen 112 weltweit existierenden Bischofskonferenzen gleichgestellt werden. Dort sind die Bischöfe in ihrer Wahl frei, einen aus ihren Reihen zum Vorsitzenden zu bestimmen. Es muß sich dabei weder um den Primas des Landes noch um den Inhaber eines bestimmten Erzbischofsstuhls handeln. Mit dem Vorsitz ist auch nicht die Kardinalswürde verbunden. Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz sind seit 1987 mit Karl Lehmann und Robert Zollitsch Kandidaten, die keinen Bischofsstuhl innehaben, der mit der Kardinalswürde verbunden ist. Wenn Msgr. Lehmann, der Bischof von Mainz, dennoch zum Kardinal erhoben wurde, hatte das weniger mit dem einst bedeutenden Mainzer Bischofssitz zu tun. Es war eine von zahlreichen Initiativen Roms, um Wasser auf einen schwelenden Brand in der deutschen Kirche zu schütten. Robert Zollitsch, seit 2008 Nachfolger Lehmanns, ein Kompromißkandidat, wurde hingegen nicht mehr mit der Kardinalswürde bedacht.
Bischofskonferenzen durch Konzil geschaffen – Sonderregelungen nur in Belgien und im Nahen Osten
Es wurde gesagt, daß alle anderen 112 Bischofskonferenzen ihren Vorsitzenden frei wählen können, was nicht ganz stimmt. Es gibt zwei weitere Gegenden, in denen die Bischöfe nicht wählen. Das ist einmal Belgien, wo automatisch der jeweilige Erzbischof von Mecheln-Brüssel auch Vorsitzender der Bischofskonferenz ist. Das ist seit 2010 der Ratzingerianer Erzbischof André-Joseph Léonard. Wegen eines anderen ungeschriebenen Gesetzes wurde er noch nicht in den Kardinalsrang erhoben und blieb damit, neben anderen Ratzingerianern, wie dem Patriarchen von Venedig, Francesco Moraglia, vom Konklave ausgeschlossen. Das Gewohnheitsrecht sagt, daß der regierende Bischof nicht Kardinal wird, solange sein Amtsvorgänger im Kardinalsrang nicht das 80. Lebensjahr vollendet hat. So ergab es sich, daß Leonards Vorgänger Godfried Kardinal Danneels am Konklave mitwählte.
Zum anderen sind dann noch die lateinischen Bischöfe der arabischen Staaten. Dort steht der Vorsitz automatisch dem Lateinischen Patriarchen von Jerusalem zu. Sowohl in Belgien als im lateinischen Nahen Osten wählen die Bischöfe allerdings den Generalsekretär der Bischofskonferenz, während auch diese Entscheidung für Italien dem Papst vorbehalten ist.
Kollegialität birgt Gefahr verstärkter Disharmonie und der Gruppenbildung
Eine Gleichstellung der italienischen Bischofskonferenz mache zwar Statutenänderungen notwendig, es stünden aber keine unüberwindbaren Hürden im Wege, wie es an der Römischen Kurie heißt. Durch die Vertrauensstellung des vom Papst ernannten Vorsitzenden der italienischen Bischofskonferenz konnten sich Johannes Paul II. und Benedikt XVI. darauf verlassen, daß die CEI nicht offen oder verdeckt einen antirömischen Kurs fährt, wie dies durch andere Bischofskonferenzen immer wieder der Fall war. In Italien war das nicht anders seit der Zeit Pauls VI. Eine antirömische, progressiv angehauchte Mehrheit in der Bischofskonferenz unter dem Vorsitz von Anastasio Alberto Kardinal Ballestrero, Karmelit und Erzbischof von Turin, gab den Ton an, der gegen den Wiederaufbau der Kirche durch Johannes Paul II. Widerstand leistete.
Erst die Ernennung des Weihbischofs von Reggio Emilia und Guastalla, Camillo Ruini 1986 zum Generalsekretär und 1991 zum Vorsitzenden der Bischofskonferenz änderte das Verhältnis zwischen Papst und Bischofskonferenz. Die Stellungnahmen des Vorsitzenden stimmten mit denen des Papstes überein. Was nicht bedeutete, daß nicht auch weiterhin italienische Bischöfe den Papst einen lieben Mann im fernen Rom sein ließen.
Die wenig begeisternde Situation des Weltepiskopats läßt schwerlich erkennen, welchen Nutzen dessen Aufwertung durch Mitbestimmungsgremien für die Kirche, die Verteidigung des Glaubensgutes und des liturgischen und sakramentalen Schatzes sowie in einer nachdrücklicheren und unverkürzten Verkündigung des Evangeliums bringen sollte, wenn nicht den der Gefahr einer größeren Disharmonie in einer an schrägen und auch schrillen Mißtönen nicht gerade armen Situation. Kirchenhistoriker werden freilich nicht müde, daran zu erinnern, daß der Episkopat als Ganzes in der jüngeren Kirchengeschichte selten leuchtete. Die leuchtenden Ausnahmen bestätigten vielmehr die Regel der Mittelmäßigkeit oder des offenen Versagens.
Bischofskonferenzen haben weder biblische noch theologische, sondern praktische Grundlage
Die Bischofskonferenzen haben weder eine biblische noch eine theologische Grundlage, wie sie hingegen die einzelnen Bischöfe in Ausübung ihres Amtes haben. Den Bischofskonferenzen liegen lediglich praktische Erwägungen zugrunde. Aus diesem Grund haben Erklärungen der Bischofskonferenzen, auch Hirtenbriefe derselben keinerlei Relevanz, wenn sie nicht ausdrücklich vom jeweiligen Ortsbischof für seine Diözese anerkannt werden.
Das gilt übrigens auch für die umstrittenen Erklärungen der deutschen, österreichischen und Schweizer Bischofskonferenz, die im Widerspruch zur Enzyklika Humanae vitae von Papst Paul VI. stehen und bis heute nicht revidiert wurden. Die Verantwortung für die Diözese trägt allein der regierende Bischof, nicht die Bischofskonferenz. In der Praxis erkennen die meisten Bischöfe in der Regel die Beschlüsse der Bischofskonferenz an.
Weihegewalt erging an alle Apostel – Auftrag Kirche zu leiten erging nur an Petrus
Papst Franziskus läßt daher auch eine stärkere Einbindung der Episkopate der einzelnen Länder in die Regierung der Weltkirche prüfen. Eine Forderung, mit der progressive Kreise, allen voran aus Deutschland und Frankreich bereits zum Konzil gefahren sind. Die Frage, warum die Kardinäle Jorge Mario Bergoglio zum Papst gewählt haben, hängt auch damit zusammen, daß sich viele Pupurträger und Bischöfe durch ihn die Umsetzung von mehr Mitsprache und Mitentscheidung für die Kardinäle und Bischöfe erwarten. Im Zuge der allgemeinen Demokratisierung wuchs auch innerkirchlich die Unruhe gegenüber der monarchischen Stellung des Papstes. Dem Auftrag Christi an Petrus, die Kirche zu leiten, wird der Kreis der Apostel entgegengestellt. Können sich alle Bischöfe auf die apostolische Sukzession berufen, kann sich allerdings allein der Papst auf einen direkten Auftrag von Christus berufen. Den Leitungsauftrag erteilte Christus nur dem Petrus, nicht allen Aposteln.
Doch die Unruhe ist innerkirchlich groß und sucht immer neu durch strukturelle Veränderungen sich Luft zu verschaffen. Die Vorrangstellung des Bischofs von Rom innerhalb der italienischen Bischofskonferenz widerspricht offenbar dem Kollegialitätsdenken, dem der neue Papst verpflichtet scheint. Bergoglio war als Erzbischof von Buenos Aires und Primas von Argentinien bis 2010 auch Vorsitzender der argentinischen Bischofskonferenz, allerdings gewählt.
„Bergoglio ist ein Mannschaftsspieler“ – Verzicht auf Investiturrecht paßt zum „Bergoglio Style“
Sein Vorgänger als Erzbischof, Antonio Kardinal Quarracino, italienischer Abstammung wie Bergoglio, hatte den heutigen Papst als Nachfolger ins Auge gefaßt, weil er unter seinen Weihbischöfen der beliebteste war. Sein Novizenmeister im Jesuitenorden, Pater Juan Carlos Scannone bschrieb seinen Zögling gegenüber dem Osservatore Romano mit den Worten: „ein Mannschaftsspieler“, dem „der Blutdruck nicht steigen wird, wenn er innerkirchliche Reformen umsetzt“.
Der Verzicht auf das Ernennungsrecht für den Vorsitzenden und den Generalsekretär der italienischen Bischofskonferenz passen in das, was die Medien längst „Bergoglio Style“ nennen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Diözese Lecce