(Bengasi) Libysche Islamisten machen weiterhin Jagd auf Christen, die im nordafrikanischen Land arbeiten. Sie werfen ihnen summarisch Proselytismus vor. Der jüngste Vorfall betrifft die Mittelmeerstadt Bengasi, die Hauptstadt der Kyrenaika. In der zweitgrößten Stadt Libyens wurden 48 ägyptische Christen verhaftet, wie Asianews berichtet. Es handelt sich um orthodoxe Kopten, die von libyschen Islamisten angezeigt wurden. Die Christen, Kaufleute und Händler, die den Markt von Bengasi besuchten, werden beschuldigt, religiöse Bilder und Darstellungen mit sich geführt zu haben. Ein von der Polizei beschlagnahmtes Video zeigt, wie die Christen in einem kleinen Raum von Salafisten gefangengehalten werden. Sie erscheinen physisch ausgezehrt. An vielen sind Wunden und Abschürfungen zu erkennen. Die Islamisten haben allen Christen den Kopf geschoren.
Der Vorfall erregte unter der Einwohnerschaft von Bengasi Mißfallen. Erst im Oktober hatte sie sich gegen die salafistischen Milizen erhoben, die beschuldigt werden, das Attentat auf das amerikanische Konsulat verübt zu haben, bei dem der amerikanische Botschafter Christopher Stevens getötet wurde.
Die Behörden teilten am Donnerstag mit, daß die ägyptischen Christen nicht aus religiösen Gründen verhaftet worden seien, sondern wegen Verletzung der Einwanderungsbestimmungen. Erst Mitte Februar wurden vier Christen verhaftet, ein Ägypter, ein Südafrikaner, ein Südkoreaner und ein Schwede mit US-amerikanischer Staatsbürgerschaft. Ihnen wird vorgeworfen, Bibeln und anderes christliches Material verbreitet zu haben.
Die Ausbreitung des islamischen Extremismus trifft auch die katholischen Orden, die zum Teil seit langem auf dem Gebiet des heutigen Libyen wirken. Sie haben Krankenhäuser errichtet und sind in der Altenbetreuung tätig. Erst im Januar ist es den Islamisten gelungen, die Franziskanerinnen des Jesukindes von Barce und die Herz-Jesu-Ursulinen von Beida zu zwingen, das Land zu verlassen. Im Oktober 2012 wurden die Schwestern der Heiligen Familie von Spoleto gezwungen, Libyen wegen der ständigen Drohungen und Angriffe der Islamisten zu verlassen, wie Pater Dominique Rézeau berichtet.
„Es vergeht kein Tag, an dem nicht Gräber von Christen geschändet und zerstört werden“, beklagte Bruno Daimasso gegenüber der Zeitschrift Tempi, der Gärtner des italienischen Friedhofs von Tripolis. „Die sterblichen Überreste der Christen werden aus den Gräbern gerissen und auf dem Friedhof verstreut“, wie Jeune Afrique berichtet. „Die libyschen Behörden sind gekommen, haben Fotos gemacht und nichts unternommen“, so Daimasso.
Laut Dominique Rézeau sind von den offiziell rund 200.000 Christen, die vor dem Sturz Ghaddafis in Libyen lebten und drei Prozent der Bevölkerung ausmachten, nach dem sogenannten Arabischen Frühling „nur mehr wenige Tausend übriggeblieben“. Wie der Apostolische Vikar Msgr. Giovanni Innocenzo Martinelli bestätigte, sind die Kirchen in der Kyreinaika zwar nach wie vor geöffnet, die Lage der Christen sei jedoch „sehr kritisch“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Asianews/Tempi