(Rom) Der Vatikanist Sandro Magister, er hat in Italien die Stellung von Matthias Matussek, stellte einige Überlegungen zu einer offensichtlichen Beobachtung an: dem Widerstreben von Papst Franziskus, sich als Papst zu bezeichnen und seine Stellung als Oberhaupt der Weltkirche sichtbar zu zeigen.
Magister befaßt sich mit den Auswirkungen und möglichen Entwicklungen dieses Schweigens, den Chancen und Gefahren, den Hoffnungen jener, die das Papsttum beschädigen oder zerschlagen möchten, aber auch den Hoffnungen einer Annäherung zwischen West und Ost.
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von Sandro Magister
Seit Beginn seines Pontifkats gebrauchte Jorge Mario Bergoglio das Wort ‚Papst‘ äußerst sparsam.
Er gebrauchte es nie für seinen lebenden Vorgänger, Joseph Ratzinger, den er am vergangenen Samstag auf Castel Gandolfo traf. Für ihn gebrauchte er immer nur die Bezeichnung „Bischof“.
Und auch für sich selbst bevorzugte er die Bezeichnung als ‚Bischof von Rom‘.
Bei seinem ersten Segen von der Mittelloggia des Petersdoms, am Abend des 13. März, präzisierte der Neugewählte den heiligen Ignatius von Antiochien zitierend: die Kirche von Rom „ist jene, die in der Liebe allen anderen Kirchen vorsteht“. In den folgenden Tagen hat er diese auf die gesamte christliche Ökumene ausgeweitete Form des Primats der Kathedra Petri aber weder aufgegriffen noch erläutert.
Gleichzeitig übt er in seinem täglichen Handeln die Macht und die Befugnisse eines Papstes vollkommen und kraftvoll aus, die keiner anderen Autorität unterworfen ist außer Gott. Und er weiß, daß die Entscheidungen, die er trifft, auch die kleinsten, nicht auf die Diözese von Rom beschränkt bleiben, sondern Wirkung auf die Kirche weltweit haben.
Franziskus ist ein Papst der überraschenden Schritte. Und früher oder später erwartet man sich, daß er seine Vision seines Amtes darlegen wird.
Inzwischen aber ist es so, daß jene, die innerhalb und außerhalb der Kirche die Zurückdrängung, wenn nicht sogar die Zerschlagung des päpstlichen Primats herbeiwünschen, in ihm den Mann sehen, der ihren Erwartungen entgegegenkommt. Erwartungen, bei denen sie sich meist auf einen angeblichen „Geist“ des Konzils berufen.
In Wirklichkeit hat das Zweite Vatikanum die Macht des Papstes über die gesamte Kirche keineswegs geschwächt. Die Neuheit des Konzils bestand darin, nachdem im Ersten Vatikanum das Unfehlbarkeitsdogma des Papstes festgeschrieben worden war, die päpstliche Gewalt in jene des Kollegiums der Bischöfe zu integrieren, dem er auch angehört.
In Kapitel III von Lumen Gentium, der dogmatischen Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Kirche heißt es: Der Bischof von Rom hat nämlich kraft seines Amtes als Stellvertreter Christi und Hirt der ganzen Kirche volle, höchste und universale Gewalt über die Kirche und kann sie immer frei ausüben. Die Ordnung der Bischöfe aber, die dem Kollegium der Apostel im Lehr- und Hirtenamt nachfolgt, ja, in welcher die Körperschaft der Apostel immerfort weiter besteht, ist gemeinsam mit ihrem Haupt, dem Bischof von Rom, und niemals ohne dieses Haupt, gleichfalls Träger der höchsten und vollen Gewalt über die ganze Kirche (63). Diese Gewalt kann nur unter Zustimmung des Bischofs von Rom ausgeübt werden. Der Herr hat allein Simon zum Fels und Schlüsselträger der Kirche bestellt (vgl. Mt 16,18–19) und ihn als Hirten seiner ganzen Herde eingesetzt (vgl. Joh 21,15 ff).
Wenn man sich also von Papst Franziskus Neuheiten erwarten darf, so können diese in keiner Weise den päpstlichen Primat mindern, der ihm als Nachfolger des Petrus zusteht und der auch durch das Zweite Vatikanische Konzil mit Nachdruck vollständig und präzise definiert wurde.
Die Neuheiten könnten hingegen die Form betreffen, in der der Papst seine Befugnisse mit den mit ihm verbundenen Bischöfen ausübt, wie das bei Konzilen und Synoden der Fall ist und in noch unbekannten Formen einer zeitlich beschränkten oder dauerhaften kollegialen Regierung der Kirche der Fall sein könnte. Kollegiale Formen, die natürlich immer nur durch den Papst einberufen, geleitet und durch seine Letztentscheidung bestätigt werden könnten, wie es das Zweite Vatikanische Konzil und andere lehramtlische Dokumente vorgesehen haben.
In der Ausgabe der renommierten Jesuitenzeitschrift Civiltà Cattolica vom 21. März beschrieb der Kirchenrechtler und Jesuit Pater Gianfranco Ghirlanda, emeritierter Rektor der Päpstlichen Universität Urbaniana, in einem genau dokumentierten Aufsatz von 14 Seiten mit dem Titel „Das Petrusamt“, den Primat und die Rechte und Zuständigkeiten des Papstes, wie sie vom Lehramt der Kirche seit dem Ersten Vatikanischen Konzil bis heute definiert wurden.
Gleichzeitig warf Pater Ghirlanda einen Blick auf mögliche Entwicklungen in der konkreten Ausübung der um die Unterstützung durch die Bischöfe bereicherten päpstlichen Gewalt.
Und für das Petrusamt „eine Zukunft, die jeder Gläubige verwirklicht sehen möchte“ skizzierend, die gerade unter Franziskus Gestalt annehmen könnte, verwies Ghirlanda am Ende seines Aufsatzes auf das 2007 von Katholiken und Orthodoxen unterschriebene „Dokument von Ravenna“, das als wichtiger Schritt auf dem ökumenischen Weg zwischen Rom und dem Osten gesehen wird.
In dieser Hinsicht hat das Pontifikat von Franziskus unter einem guten Stern begonnen. Bei seiner Amtseinführung war erstmals der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholmäus I. anwesend.
Und es ist wahrscheinlich, daß im nächsten Jahr beide, Franziskus und Bartholomäus zusammen in Jerusalem sein werden, um des 50. Jahrestages der historischen Umarmung zwischen Paul VI. und Athenagoras zu gedenken.
Der Aufsatz Il Ministero Petrino (Das Petrusamt) von Pater Ghirlanda ist im Heft 3906 von La Civiltà Cattolica vom 23. März 2013, S. 549–563 erschienen. Die Jesuitenzeitschrift geht erst nach vorheriger Durchsicht durch den Vatikan in Druck. Der vollständige italienische Aufsatz kann hier gelesen werden.
In der vorherigen Ausgabe (Heft 3905) vom 2. März war ein anderer Aufsatz von Pater Ghirlanda erschienen, in dem er sich kategorisch gegen die Bezeichnung „emeritierter Papst“, für einen von seinem Amt zurückgetretenen Papst wandte. Der vollständige italienische Aufsatz kann hier gelesen werden.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild. Settimo Cielo