(Vatikan) Ab 1. März steht für jeden der 116 Teilnehmer am Konklave im Gästehaus Santa Marta im Vatikan ein Zimmer zur Verfügung. Statt an ihren National- und Titularkirchen oder den Generalhäusern ihrer Orden abzusteigen, werden die Kardinäle, sobald sie nach 20 Uhr des 28. Februar aus aller Welt in Rom eintreffen, um am 1. März an der Generalkongregation teilzunehmen, sofort in den Vatikan begleitet.
Während des Vatileaks-Skandals überprüfte die vatikanische Gendarmerie mit modernster Technik die Gebäude des Vatikans nach Wanzen und Abhörsystemen jeglicher Art. Durch die Unterbringung der Papstwähler in Santa Marta bereits ab dem 1. März und nicht erst ab Konklavebeginn können ihre Bewegungen und Treffen besser kontrolliert werden. Dabei geht es nicht um die Überwachung der Kardinäle, sondern um die Verhinderung von Indiskretionen, die der Wahlordnung des Konklave widersprechen. Wegen des angekündigten Rücktritts von Benedikt XVI. ist die Vorbereitungszeit auf das Konklave diesmal mehr als doppelt so lang als im Normalfall beim Tod eines Kirchenoberhaupts. An der Römischen Kurie drängt man daher auf eine Verkürzung des Interregnums. Der Papst scheint diesem Wunsch durch ein ad hoc zu erlassendes Motu proprio entgegenzukommen, wie Vatikan-Sprecher Pater Federico Lombardi gestern bestätigte. Unterdessen arbeiten die vatikanischen Sicherheitsexperten an der Perfektionierung von abhörsicheren Räumen.
Mindestens 78 Stimmen auf einen Kandidaten zu vereinen, um die vorgeschriebene Zwei-Drittel-Mehrheit zu erreichen, ist kein leichtes Unterfangen. Die Karten könnten nach den ersten Abstimmungen, die offenlegen, in welche Richtung sich die Kardinäle orientieren, schnell neu zu mischen sein und vorherige Planungen und Absprachen unbrauchbar machen.
Wenn sich aus den unterschiedlichen Stellungnahmen der Kardinäle ein roter Faden herauslesen läßt, dann bisher am ehesten jener, daß man nach dem kurzen und stürmischen Pontifikat Benedikts XVI., der mehrfach einem fast gespenstisch konzertierten Generalangriff der Massenmedien ausgesetzt war, kein „Übergangspontifikat“ wünscht, sondern eine solide und starke Regierung.
In diesem Zusammenhang werden mehrere gewichtige Namen genannt. An erster Stelle, nicht nur in Italien, sondern in diesen Tagen auffallend häufig auch in Rom, der Erzbischof von Mailand und vormalige Patriarch von Venedig, Angelo Kardinal Scola. Der von Papst Benedikt XVI. geschätzte Oberhirte der größten Diözese der Welt gilt als einziger Italiener mit realen Erfolgsaussichten. Gianfranco Kardinal Ravasi, dem „Martini light“ und „Linksratzingerianer“ (Claude Barthe) werden nur Außenseiterchancen zuerkannt, wenngleich linkskatholische Kreise in diesen Tagen bemüht sind, den Fastenprediger des Papstes ins Rampenlicht zu stellen. Mit noch weniger Zuspruch darf der philippinische Neo-Kardinal Luis Tagle rechnen, ein Schüler der progressiven Schule von Bologna, den – wenig erstaunlich – John Allen, der Vatikanist des National Catholic Reporter, des Flaggschiffs der Progressiven in den USA als Favorit auserkoren hat.
Vor allem jene Kardinäle, die harte Zeiten auf die Kirche zukommen sehen, und dabei keineswegs an erster Stelle an einen gewalttätigen Islam denken, sondern an die sich ausbreitende intolerante Meinungs- und Entscheidungsdiktatur eines radikalen Linksliberalismus, richten ihr Augenmerk auf die Altersgruppe der 60jährigen Konklave-Teilnehmer. In diese Gruppe gehören Kaliber wie der Frankokanadier Marc Ouellet: bereits Erzbischof der Erzdiözese Quebec, heute Präfekt der wichtigen Bischofskongregation, der Englisch und Französisch fließend spricht, aber ebenso Spanisch, da er mehrere Jahre als Missionar in Lateinamerika tätig war. Der missionarische Drang ist dann auch ein wesentliches Element seines Wesens. Ein anderes Kaliber ist Timothy Kardinal Dolan, der Erzbischof von New York und Vorsitzende der amerikanischen Bischofskonferenz. Papst Benedikt XVI. betrachtete die USA als den entscheidenden Kampfschauplatz um die Religionsfreiheit. Ein Kampf, der jenseits des Atlantik für den gesamten Westen, auch für das alte Europa, ausgetragen wird. Dolan kommt darin eine wichtige Rolle zu. Gleichzeitig kann seine US-amerikanische Herkunft ein Hindernis im Konklave sein. Der Heilige Stuhl bemühte sich, einer Umarmung durch die USA zu entgehen, gerade auch im Verhältnis zum Islam, zur Volksrepublik China, zu Rußland und auch zum Iran. In der islamischen Welt wird das Christentum vielfach mit den USA gleichgesetzt. Ein amerikanischer Papst könnte diesem völlig irrigen Eindruck Plausibilität verleihen. In kirchlichen Kreise hält man dem entgegen, daß niemand besser, als ein Amerikaner auf dem Heiligen Stuhl unter Beweis stellen könnte, daß es keine Deckungsgleichheit zwischen Rom und Washington gibt, jedenfalls nicht mehr als mit anderen Staaten auch.
Gesundheit, Alter, Geopolitik, große katholische Organisationen, drängendste Herausforderungen für die Kirche und die Menschheit sprechen für den New Yorker Erzbischof Dolan. Allerdings gehört er wie Tagle noch zu den Neulingen im Kardinalskollegium.
Die „unbelastete“ Seite derselben geopolitischen Überlegungen stellt der Kanadier Ouellet dar, als Nordamerikaner, aber nicht US-Bürger. Ouellet gehört zudem, wie Scola, zu jener Hälfte der Konklaveteilnehmer, die noch von Papst Johannes Paul II. in das Kardinalskollegium aufgenommen wurden. Beiden Nordamerikanern wird bei allen charakterlichen Unterschieden eine feste Regierungshand zugetraut, wobei Erzbischof Dolan zudem als charismatischer Kommunikator gilt, der – im Gegensatz etwa zu deutschen Bischöfen – keine Scheu zeigte, sich in Fernsehstudios zu setzen, um Rede und Antwort zu stehen.
Unterdessen laufen die Vorbereitungen auf das Konklave in Rom bereits auf Hochtouren. Die Unterkünfte der Kardinäle im Gästehaus Santa Marta wurden bereits nach Wanzen durchkämmt. Sie stehen bis zum Ende des Konklaves unter strenger Überwachung. Gleiches gilt für die Sixtinische Kapelle. Mobiltelefonverbindungen und Internet werden für alle in der mit den Fresken Michelangelos einzigartig gestalteten Kapelle unerreichbar sein. Technische Vorkehrungen sollen die Eventualität unterbinden, daß ein Kardinal, den vielleicht der Mitteilungsdrang überkommt, eine Nachricht auf Twitter um die Welt schickt, in Realzeit aus dem für kurze Zeit abgeschirmtesten Ort der Welt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican Insider
Jetzt lassen wir den Heiligen Geist und seine Handlanger, die Hochwürdigen Herren Kardinäle machen. Alle miteinander wérden es schon richten. Die Qualität aber können wir beeinflussen mit unserem Gebet.
Ich denke nicht, daß ich Paulus fehlinterpretiere, wenn er sagt, jede Regierung kommt von Gott.
Es gibt keinen Automatismus für einen vom Hl. Geist auserwählten Papst. Die Herren werden sich auf denjenigen einigen, mit dem alle leben können. Ja, das Gebet kann vieles ändern, wenn nicht sogar das Unmögliche. Aber wir müssen auch auf nüchterne Art und Weise das Geschen betrachten.
Stimmt, jede Regierung kommt von Gott und ist zu respektieren. Da geht es aber um irdische Dinge. Bei den übernatürlichen Dingen müssen wir Gott mehr gehorchen als dem Menschen. Der Glaube und das Gewissen gehen bevor. Das heißt auch, wenn ein Papst im Widerspruch zur Tradition Gehorsam einfordert, müssen wir widerstehen