„Ja, wo laufen sie denn, wo laufen sie denn hin?“ – Kardinal Meisners Erkenntnisse über Kontrazeption, Interzeption, Kontragestion und Abortion


von Johan­nes Buchmann

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Es ist gut, daß sich Kar­di­nal Meis­ner bei dem mut­maß­li­chen Ver­ge­wal­ti­gungs­op­fer ent­schul­digt hat. Es ist auch gut, daß er sich über den aktu­el­len wis­sen­schaft­li­chen Dis­kurs zum The­ma post­ko­ita­le Kon­traf­er­ti­li­sa­ti­on infor­miert hat. Sein übri­ges Vor­ge­hen in der Cau­sa „Pil­le danach“ erscheint jedoch allen­falls gut gemeint.

Besteht sei­ner Mei­nung nach denn eine wirk­li­che Hil­fe für ein ver­ge­wal­tig­te Frau in den Hinweisen

„wenn Sie ein Prä­pa­rat , des­sen Wirk­prin­zip die Ver­hin­de­rung einer Zeu­gung ist, mit der Absicht ein­set­zen, die Befruch­tung zu ver­hin­dern, dann ist dies aus mei­ner Sicht ver­tret­bar. Wenn Sie jedoch ein Prä­pa­rat, des­sen Wirk­prin­zip die Nida­ti­ons­hem­mung ist, mit der Absicht ein­set­zen, die Ein­ni­stung der bereits befruch­te­ten Eizel­le zu ver­hin­dern, ist das nach wie vor nicht ver­tret­bar, weil damit der befruch­te­ten Eizel­le, der der Schutz der Men­schen­wür­de zukommt, die Lebens­grund­la­ge aktiv ent­zo­gen wird. Dass das Abge­hen befruch­te­ter Eizel­len auch ganz natür­li­cher­wei­se ohne mensch­li­ches Zutun geschieht, berech­tigt einen Men­schen nicht dazu, die­sen natür­li­chen Vor­gang aktiv zu imi­tie­ren. Denn die Been­di­gung eines Men­schen­le­bens durch die Natur nennt man ein Natur­er­eig­nis. Des­sen absicht­li­che Imi­ta­ti­on nennt man Tötung.“

Ergibt sich für die betrof­fe­nen Ärz­te wirk­li­che Hand­lungs­si­cher­heit durch sei­ne Aufforderung

„sich rück­halt­los der Not ver­ge­wal­tig­ter Frau­en anzu­neh­men und sich dabei unter Berück­sich­ti­gung des neu­sten Stands der medi­zi­ni­schen Wis­sen­schaft in ihrem ärzt­li­chen Han­deln an den oben genann­ten Prin­zi­pi­en aus­zu­rich­ten. Dar­über hin­aus ist nichts dage­gen ein­zu­wen­den, dass sie in die­sem Fall auch über Metho­den, die nach katho­li­scher Auf­fas­sung nicht ver­tret­bar sind, und über deren Zugäng­lich­keit auf­klä­ren, wenn sie dabei, ohne irgend­wel­chen Druck aus­zu­üben, auf ange­mes­se­ne Wei­se auch die katho­li­sche Posi­ti­on mit Argu­men­ten erläu­tern. In jedem Fall muss in katho­li­schen Ein­rich­tun­gen die Hil­fe für ver­ge­wal­tig­te Frau­en aber natür­lich weit über die Erör­te­rung sol­cher Fra­gen hin­aus gehen.“

Unter­stützt er die Schwan­ger­schafts­be­ra­te­rin­nen sei­nes Bis­tums in ihrer schwie­ri­gen Arbeit durch Argu­men­ta­tio­nen wie diese:

„Zu beto­nen ist, dass sich mei­ne Erklä­rung auf die Situa­ti­on einer Ver­ge­wal­ti­gung bezieht und nicht auf die Situa­ti­on in einer sakra­men­ta­len Ehe, die die Enzy­kli­ka „Hum­a­nae Vitae“ behan­delt. Ent­spre­chend hat­te auch schon die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on die Ein­nah­me von Anti­kon­zep­ti­va durch Ordens­schwe­stern in einer Welt­ge­gend, in der sie Ver­ge­wal­ti­gun­gen fürch­ten muss­ten, erlaubt. Es geht beim The­ma Ver­ge­wal­ti­gung nicht um die Ganz­heit­lich­keit eines lie­ben­den Aktes, son­dern um die Ver­hin­de­rung einer ver­bre­che­ri­schen Befruchtung.“

Oder lie­fert er Orga­ni­sa­tio­nen wie „Donum Vitae“ und  ZdK, die sich offen und sehr oft weni­ger offen für Abtrei­bun­gen im katho­li­schen Raum enga­gie­ren Argumentationshilfe?

Wer­den mit die­ser Argu­men­ta­ti­on nicht die Ver­ge­wal­ti­gungs­op­fer mit theo­lo­gi­schen Spie­gel­fech­te­rei­en zuge­müllt, die Ärz­te in ihrer kon­kre­ten Ent­schei­dungs­si­tua­ti­on allein­ge­las­sen und die Schwan­ger­schafts­be­ra­te­rin­nen mit ver­wa­sche­nen Ver­wei­sen auf Extrem­si­tua­tio­nen in Afri­ka verunsichert?

Sta­te of the art beim The­ma post­ko­ita­le Kon­tra­zep­ti­on im Hin­blick auf die bei­den zur Ver­fü­gung ste­hen­den Prä­pa­ra­te ist der­zeit folgendes:

Nach einer aktu­el­len Stel­lung­nah­me der FIGO (2011) besteht der Haupt­wir­kungs­me­cha­nis­mus von Levon­or­gest­rel als „Pil­le danach“ in einer Unter­drückung oder Ver­schie­bung der Ovu­la­ti­on. Der „Haupt­wir­kungs­me­cha­nis­mus“ wohlgemerkt!

Für den zwei­ten Wirk­stoff, Uli­pristal­ace­tat, wur­de in einer pla­ce­bo­kon­trol­lier­ten Ver­gleichs­stu­die die Wir­kung von 10, 50 und 100 mg UPA in der frü­hen Luteal­pha­se unter­sucht. Es zeig­te sich eine erheb­li­che Ver­zö­ge­rung der endo­me­tria­len Rei­fung. Die­ser Effekt ließ sich beson­ders signi­fi­kant durch Endo­me­tri­ums­bi­op­sien 4–6 Tage nach der Ovu­la­ti­on bei Ein­nah­me von höhe­ren Dosie­run­gen mit 50 und 100 mg nach­wei­sen (Strat­ton et al. 2010).

Die vor­sich­ti­ge For­mu­lie­rung der Instruk­ti­on „Dignita­tis per­so­nae“ im Hin­blick auf eine mög­li­cher­wei­se intra­zep­ti­ve Wir­kung der „Pil­le danach“ ver­langt dem­nach doch mehr als nur eine „Dif­fe­ren­zie­rung“.

All das wäre schon bedenk­lich genug. Was jedoch in die­ser Cau­sa einen beson­ders bit­te­ren Nach­ge­schmack hin­ter­läßt, ist die Tat­sa­che, daß zeit­gleich der Bun­des­rat den Weg für die PID frei­ge­macht hat – ohne eine ein­zi­ge Sil­be aus dem Mund des Kar­di­nals. Abtrei­bungs­lob­by­isten außer­halb der Kir­che wer­den ver­eint mit dem ZdK und Donum Vitae jubeln.

Daß es auch anders geht, zeigt der St. Pölt­ner Moral­theo­lo­ge Josef Spin­del­böck mit sei­ner Stel­lung­nah­me:

„Eine Ver­ge­wal­ti­gung stellt für eine Frau ein schlim­mes und oft auch trau­ma­ti­sches Ereig­nis dar. Betrof­fe­nen Frau­en darf der nöti­ge mensch­li­che und fach­li­che Bei­stand nicht ver­wei­gert wer­den. Zugleich gilt es, der Frau zu hel­fen, im Fal­le einer Schwan­ger­schaft Ja zu sagen zum Kind, des­sen Leben von der Emp­fäng­nis an hei­lig und unver­letz­lich ist. Eine Abtrei­bung ist kei­ne wirk­li­che Hil­fe für eine betrof­fe­ne Frau. Die Abtrei­bung wür­de dem Unrecht, das die Frau durch eine Ver­ge­wal­ti­gung erlei­den muss­te, ein neu­es Unrecht gegen­über dem Kind durch des­sen Tötung hin­zu­fü­gen, was in die­sem Fall frei­lich nicht die situa­tiv über­for­der­te Frau zu ver­ant­wor­ten hät­te, son­dern zuerst der Ver­ge­wal­ti­ger, wel­cher die Frau in die­se aus­weg­lo­se Lage gebracht hat, aber auch jene, die ihr zu einer Abtrei­bung raten oder bei der Durch­füh­rung einer sol­chen mitwirken.

Da bei einer ‚Pil­le danach‘ (Levon­or­gest­rel) die Ver­hin­de­rung der Ein­ni­stung einer bereits befruch­te­ten Eizel­le in die Gebär­mut­ter der Frau bewirkt wer­den kann (sog. ‚Früh­ab­trei­bung‘), ist deren Ein­nah­me nicht zu befürworten.“

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