„Die Kirche lebt“: Letzte Generalaudienz von Papst Benedikt


„Dan­ke von Her­zen! Ich bin wirk­lich bewegt, und ich sehe: Die Kir­che lebt!“ Gleich zu Beginn der Audi­enz erin­nert Papst Bene­dikt an sei­nen Amts­an­tritt vor fast acht Jah­ren hier auf dem Peters­platz: „Die Kir­che lebt, und die Kir­che ist jung!“, hat­te er im April 2005 aus­ge­ru­fen. Jetzt geht er, weil ihm die Kräf­te zur, wie er es for­mu­lier­te, „akti­ven Aus­übung“ des Petrus­am­tes schwinden.

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„Ich dan­ke vor allem Gott, der die Kir­che lei­tet und wach­sen lässt, der sein Wort aus­sät und so den Glau­ben sei­nes Vol­kes nährt. In die­sem Moment umar­me ich in Gedan­ken die Kir­che in der gan­zen Welt… Ich spü­re, dass ich euch alle im Gebet in die Gegen­wart Got­tes hin­ein­tra­ge, wo ich jede Begeg­nung, jede Rei­se, jeden Pasto­ral­be­such vor ihn brin­ge. Alles und alle ver­traue ich dem Herrn an…“

Er füh­le in sich „gro­ßes Ver­trau­en“, weil er wis­se – „wir alle wis­sen“ – „dass das Wort der Wahr­heit des Evan­ge­li­ums die Kraft der Kir­che ist, ihr Leben“. Das Evan­ge­li­um rei­ni­ge und erneue­re, so Bene­dikt XVI., es tra­ge Frucht, wo immer die Gemein­schaft der Gläu­bi­gen es höre und aufnehme.

„Manch­mal gün­sti­ge Bri­se, manch­mal hoher Wellengang“

„Als ich am 19. April vor fast acht Jah­ren den Petrus­dienst ange­nom­men habe, hat­te ich die­se feste Gewiss­heit, die mich immer beglei­tet hat: die Gewiss­heit, dass die Kir­che aus dem Wort Got­tes lebt! In die­sem Moment frag­te ich mich inner­lich: Herr, war­um ver­langst du das von mir? Und was genau ver­langst du? Das ist eine gro­ße Last, die du mir auf die Schul­tern legst. Aber wenn du mich dar­um bit­test, dann wer­de ich auf dein Wort hin das Netz aus­wer­fen – mit der Sicher­heit, dass du mich trotz all mei­ner Schwä­chen führst.“

Acht Jah­re danach kön­ne er nun wirk­lich sagen, dass der Herr ihn geführt habe und ihm nahe­ge­we­sen sei.

„Es war für die Kir­che eine Weg­strecke, bei der es Momen­te der Freu­de und des Lich­tes gab, aber auch nicht ein­fa­che Momen­te. Ich fühl­te mich wie der hei­li­ge Petrus mit den Apo­steln im Boot auf dem See von Gali­läa: Der Herr gab uns so vie­le Tage der Son­ne und der leich­ten Bri­se, Tage, in denen der Fisch­zug wirk­lich reich war. Aber es gab auch Momen­te, in denen wir hohen Wel­len­gang und Gegen­wind hat­ten, wie in der gan­zen Geschich­te der Kir­che: Momen­te, in denen der Herr zu schla­fen schien.“

Aller­dings habe er „immer gewusst“, so Papst Bene­dikt in sei­ner den Ankün­di­gun­gen nach letz­ten gro­ßen Anspra­che, „dass der Herr in die­sem Boot ist“.

„Wie Kin­der in den Armen Gottes“

„Und ich habe immer gewusst, dass das Boot der Kir­che nicht mei­nes ist, und auch nicht unse­res, son­dern Sei­nes, und dass der Herr uns nicht unter­ge­hen lässt. Er führt das Ruder, natür­lich auch durch Men­schen, die er sich aus­ge­sucht hat, weil er das so woll­te. Das war und ist eine Gewiss­heit, die durch nichts ver­dun­kelt wer­den kann. Und das ist der Grund, war­um mein Herz heu­te vol­ler Dank­bar­keit gegen­über Gott ist: Er hat es mir und der Kir­che gegen­über nie an sei­nem Trost, sei­nem Licht, sei­ner Lie­be feh­len lassen!“

Der schei­den­de Papst erin­ner­te an das von ihm aus­ge­ru­fe­ne Jahr des Glau­bens, das er am 11. Okto­ber des ver­gan­ge­nen Jah­res fei­er­lich ein­ge­lei­tet hat, am 50. Jah­res­tag des Beginns des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils. Es dau­ert noch bis in den Novem­ber hin­ein und wird von sei­nem Nach­fol­ger abge­schlos­sen werden.

„Ich möch­te alle ein­la­den, ihr festes Ver­trau­en in den Herrn zu erneu­ern! Ver­trau­en wir uns ihm an wie Kin­der in den Armen Got­tes. Wir kön­nen sicher sein, dass die­se Arme uns immer­dar hal­ten; das lässt uns jeden Tag mit sei­ner Mühe auf sich neh­men. Ich wünsch­te, dass sich ein jeder von die­sem Gott geliebt füh­le, der sei­nen Sohn für uns hin­ge­ge­ben hat und uns sei­ne Lie­be ohne Gren­zen erwie­sen hat. Ich wünsch­te, dass jeder die Freu­de des Christ­seins spü­ren möge… Ja, sei­en wir dank­bar für das Geschenk des Glau­bens, es ist das kost­bar­ste Gut, das uns nie­mand ent­rei­ßen kann! Dan­ken wir dem Herrn jeden Tag dafür, mit dem Gebet und mit einem kohä­ren­ten christ­li­chen Leben. Gott liebt uns, aber er erwar­tet, dass auch wir ihn lieben.“

„Nie allein gefühlt“

Doch nicht nur Gott wol­le er in die­sen letz­ten Stun­den sei­nes Pon­ti­fi­ka­tes dan­ken, so Bene­dikt XVI. Ein Papst sei „nicht allein am Ruder des Schiff­leins Petri“, er habe sich „nie allein gefühlt im Tra­gen der Freu­de und Last des Petrus­dien­stes“, der Herr habe ihm vie­le groß­zü­gi­ge Hel­fer und Freun­de an die Sei­te gestellt. Der Papst dank­te den Kar­di­nä­len, von denen vie­le neben ihm saßen, für ihre „Weis­heit“, ihren „guten Rat“ und „ihre Freund­schaft“. Aus­drück­lich bedank­te er sich auch bei sei­nem Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Tar­cis­io Ber­to­ne, „der mir in die­sen Jah­ren treu zur Sei­te gestan­den ist“, dem Staats­se­kre­ta­ri­at und der gan­zen Römi­schen Kurie.

„Ich dan­ke über­haupt allen, die in ver­schie­de­nen Berei­chen dem Hei­li­gen Stuhl die­nen: Es sind vie­le Gesich­ter, die nicht her­vor­ste­chen, son­dern im Schat­ten blei­ben.. Aber gera­de im Schwei­gen und der täg­li­chen Arbeit, in einem Geist des Glau­bens und der Demut, waren sie für mich eine siche­re und ver­läss­li­che Unterstützung.“

„Mit dem Her­zen des Vaters“

Der Papst dank­te sei­nem Bis­tum Rom, den Bischö­fen und Prie­stern, den Ordens­leu­ten und „dem gan­zen Volk Got­tes“: „Bei mei­nen Pasto­ral­rei­sen, Begeg­nun­gen und Audi­en­zen habe ich immer gro­ße Auf­merk­sam­keit und tie­fe Zunei­gung erfah­ren. Aber auch ich habe immer alle und jeden ein­zel­nen geliebt, ohne Unter­schied, mit der pasto­ra­len Lie­be des Hir­ten… Jeden Tag habe ich jeden von euch in mein Gebet ein­ge­schlos­sen, mit dem Her­zen des Vaters. Ich wünsch­te, mein Gruß und mein Dank erreich­ten schlecht­hin alle: Das Herz eines Pap­stes wei­tet sich auf die gan­ze Welt hin!“

Aus­drück­lich dank­te der Papst den Medi­en und dem eben­falls in sei­ner Nähe sit­zen­den Diplo­ma­ti­schen Corps, es reprä­sen­tie­re „die gro­ße Fami­lie der Nationen“.

„Vie­le Brie­fe von ein­fa­chen Leuten“

„Ich möch­te auch wirk­lich von Her­zen den vie­len Men­schen in aller Welt dan­ken, die mir in den letz­ten Wochen bewe­gen­de Zei­chen der Auf­merk­sam­keit, der Freund­schaft und des Gebets haben zukom­men las­sen. Ja, der Papst ist nie allein, das erfah­re ich jetzt noch ein­mal auf so groß­ar­ti­ge Wei­se, dass sie wirk­lich ans Herz rührt. Der Papst gehört allen, und unzäh­li­ge Men­schen füh­len sich ihm nahe. Natür­lich bekom­me ich Brie­fe von den Gro­ßen der Welt – Staats­chefs, reli­giö­sen Füh­rern, Ver­tre­tern der Welt der Kul­tur usw. Aber ich bekom­me auch sehr vie­le Brie­fe von ein­fa­chen Leu­ten, die mir ein­fach von Her­zen schrei­ben und mir ihre Zunei­gung aus­drücken… Die­se Per­so­nen schrei­ben mir nicht, wie man zum Bei­spiel einem Für­sten oder einem Gro­ßen schreibt, den man nicht kennt. Sie schrei­ben mir wie Brü­der und Schwe­stern oder wie Söh­ne und Töch­ter, mit einer Art sehr anhäng­li­chem Familienzusammenhalt.“

Hier las­se sich mit Hän­den grei­fen, was die Kir­che in Wirk­lich­keit sei, so der Papst: „kei­ne Orga­ni­sa­ti­on, kein Ver­band mit reli­giö­ser oder huma­ni­tä­rer Ziel­set­zung, son­dern ein leben­di­ger Leib, eine Gemein­schaft von Brü­dern und Schwe­stern im Leib Chri­sti“. „Die Kir­che so zu erle­ben, die Kraft ihrer Wahr­heit und ihrer Lie­be fast mit Hän­den grei­fen zu kön­nen, das ist ein Grund zur Freu­de in einer Zeit, wo so vie­le von einem Nie­der­gang der Kir­che reden. Wir sehen doch, wie die Kir­che heu­te leben­dig ist!“

„Rück­tritt zum Wohl der Kirche“

Der Papst kam dann direkt auf sei­nen bevor­ste­hen­den Rück­tritt zu spre­chen; er begrün­de­te sei­nen Schritt noch ein­mal. „In die­sen letz­ten Mona­ten habe ich gefühlt, wie mei­ne Kräf­te nach­las­sen, und ich habe Gott im Gebet instän­dig gebe­ten, mich mit sei­nem Licht zu erleuch­ten, damit ich die beste Ent­schei­dung nicht zu mei­nem Wohl, son­dern zum Wohl der Kir­che tref­fe. Ich habe die­sen Schritt im vol­len Bewusst­sein dar­um, wie schwer­wie­gend und auch wie neu er ist, getan, aber mit tie­fer Gelas­sen­heit. Die Kir­che lie­ben heißt auch, schwie­ri­ge, har­te Ent­schei­dun­gen zu tref­fen und sich dabei immer das Wohl der Kir­che vor Augen zu hal­ten, nicht das eige­ne Wohl.“

Bene­dikt XVI. kam noch ein­mal auf den 19. April 2005 zurück – den Tag, an dem er im Kon­kla­ve zum Papst gewählt wor­den war. „Die Schwe­re der Ent­schei­dung lag auch an der Tat­sa­che, dass ich von die­sem Moment an völ­lig und für immer im Ein­satz für den Herrn war. Immer – wer den Petrus­dienst über­nimmt, hat kei­ne Pri­vat­sphä­re mehr. Er gehört immer und völ­lig allen, der gan­zen Kir­che. Sei­nem Leben wird sozu­sa­gen die pri­va­te Dimen­si­on völ­lig genom­men. Aber ich konn­te erfah­ren und erfah­re es genau jetzt, dass einer das Leben gewinnt, wenn er es gibt.“ Ein Papst habe „Brü­der und Schwe­stern, Söh­ne und Töch­ter in der gan­zen Welt“ und füh­le sich „sicher in der Umar­mung der Gemein­schaft“. Er gehö­re „nicht mehr sich selbst, son­dern allen, und alle gehö­ren ihm“.

„Kei­ne Rück­kehr ins Privatleben“

„Das „Immer“ ist auch „Für immer“: Es gibt kei­ne Rück­kehr ins Pri­va­te. Mei­ne Ent­schei­dung, auf die akti­ve Aus­übung des Dien­stes zu ver­zich­ten, wider­ruft das nicht. Ich keh­re nicht ins Pri­vat­le­ben zurück, in ein Leben der Rei­sen, Begeg­nun­gen, Emp­fän­ge, Kon­fe­ren­zen usw. Ich ver­las­se nicht das Kreuz, ich blei­be auf eine neue Wei­se beim gekreu­zig­ten Herrn. Ich habe nicht mehr die Amts­ge­walt für die Regie­rung der Kir­che, aber ich blei­be im Dienst des Gebets sozu­sa­gen im Bereich des hei­li­gen Petrus. Der hei­li­ge Bene­dikt, des­sen Namen ich als Papst tra­ge, wird mir dar­in immer ein gro­ßes Bei­spiel sein. Er hat uns den Weg gezeigt zu einem Leben, das – aktiv oder pas­siv – doch voll­stän­dig dem Werk Got­tes gehört.“

Er dan­ke „allen und jedem ein­zel­nen für den Respekt und das Ver­ständ­nis“, auf das sei­ne Ent­schei­dung zum Rück­tritt gesto­ßen sei, fuhr Bene­dikt XVI. fort. „Ich wer­de den Weg der Kir­che wei­ter mit dem Gebet und der Medi­ta­ti­on beglei­ten, mit der­sel­ben Hin­ga­be an den Herrn und an die Kir­che, um die ich mich bis heu­te bemüht habe. Ich bit­te euch, vor Gott an mich zu den­ken und vor allem für die Kar­di­nä­le zu beten, die zu einer so wich­ti­gen Auf­ga­be auf­ge­ru­fen sind, und für den neu­en Nach­fol­ger des Apo­stels Petrus. Der Herr beglei­te ihn mit dem Licht und der Kraft sei­nes Geistes.“

Der Papst bat um die Für­spra­che Mari­ens und rief dann zum Schluss sei­ner Anspra­che noch ein­mal aus: „Lie­be Freun­de, Gott führt sei­ne Kir­che, er steht ihr immer bei, vor allem in den schwie­ri­gen Momen­ten! Ver­lie­ren wir nie die­se Visi­on des Glau­bens, die die ein­zig wah­re Visi­on des Weges der Kir­che und der Welt ist. Möge im Her­zen eines jeden von uns immer die freu­di­ge Gewiss­heit herr­schen, dass der Herr uns nahe ist! Er ver­lässt uns nicht, er ist uns nahe und hüllt uns in sei­ne Lie­be ein.“

Fast 350 Gene­ral­au­di­en­zen insgesamt
Ins­ge­samt hielt Papst Bene­dikt wäh­rend sei­nes Pon­ti­fi­kats 348 Gene­ral­au­di­en­zen, an denen ins­ge­samt 5.116.600 Gläu­bi­ge teil­nah­men. (Daten von April 2005 bis 27. Febru­ar 2013). Die erste Audi­enz hielt Bene­dikt am 27. April 2005.

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