(Frankfurt) Der 6. Februar ist der Internationale Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung. In diesem Jahr steht er nach Einschätzung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) im Zeichen des Rückschritts. „Die Machtergreifung der Muslimbrüder in Ägypten hat den Kampf gegen diese grausamen und frauenverachtenden Praktiken weit zurückgeworfen“, so die IGFM. Präsident Mohamed Mursi habe in einem Fernsehinterview Anfang Januar die bisher in Ägypten verbotene Genitalverstümmelung de facto wieder freigegeben.
Muslimbrüder und die mit ihnen verbündeten ultra-fundamentalistischen Salafisten würden in Oberägypten offen die Verstümmelung von Frauen und Mädchen propagieren und mit mobilen Arztgruppen kostenlose Verstümmelungen vor Ort anbieten. Nach verschiedenen Schätzungen sind zwischen 91 und 97 Prozent aller Frauen und Mädchen ab 15 Jahren in Ägypten „beschnitten“. Vor allem im Süden an der Grenze zum Sudan sei ein Teil von ihnen sogar infibuliert. Bei der Infibulation werden nicht nur große Teile der weiblichen Genitalien herausgeschnitten, sondern die Vagina bis auf eine winzige Restöffnung zugenäht, so dass sie verwächst. Diese Narbe wird dann bei jedem Verkehr gewaltsam – mit einem Messer – vom Ehemann aufgeschnitten. „Der geläufige Begriff ‚Beschneidung‘ ist irreführend und verharmlosend. Es handelt sich dabei um ein Verbrechen! Mit dem offenen oder stillschweigenden Segen religiöser Autoritäten werden noch heute Millionen von Mädchen traumatisiert“, kritisiert IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin.
Todesfälle und chronische Schäden
Die Genitalverstümmelung in Afrika ist älter als Islam und Christentum. In Ägypten ist diese Praxis in beiden Religionsgruppen erschreckend weit verbreitet. Erst ganz langsam hat sich in Ägypten in den letzten Jahren in Ansätzen ein Bewußtsein dafür entwickelt, diese Tradition in Frage zu stellen. Anlaß dafür waren vor allem Todesfälle von jungen Mädchen, die nach der „Beschneidung“ verbluteten. Viele andere schwerwiegende Folgen der Genitalverstümmelung sind dagegen weiter mit Tabus belastet. Zum Beispiel Schmerzen und andere Probleme beim ehelichen Verkehr, die Bildung von Zysten und zahlreiche, in manchen Fällen tödliche Probleme bei der Geburt von Kindern.
Verbot der „Beschneidung“ faktisch aufgehoben
Erst im Jahr 2008 war die „Beschneidung“ von Mädchen gesetzlich verboten worden. „Islamische Geistliche der Muslimbrüder und Salafisten wollen nun das Rad zurückdrehen“. Präsident Mursi habe im staatlich kontrollierten Fernsehen verkündet, die „Beschneidung“ liege im Ermessen der Familien. Damit habe Mursi zwar nicht juristisch, aber de facto das Verbot der Genitalverstümmelung aufgehoben und Straffreiheit garantiert. Die christlichen Kirchen hielten sich, von einigen wenigen kirchlichen Initiativen abgesehen, auffallend im Hintergrund und ignorierten das Problem weitgehend. Ägypten ist das bevölkerungsreichste Land der arabischen Welt. Mit über 80 Millionen Einwohnern ist es – nach Nigeria – auch das Land mit der zweitgrößten Bevölkerung Afrikas. Beim Kampf gegen die Genitalverstümmelung spielt Ägypten daher eine Schlüsselrolle.
Text: PM/ Linus Schneider
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