(Rom) Die Frage taucht immer wieder auf: Warum gibt es heute nicht auch die Zwölf, die Jesus aussandte und ihnen gebot: „Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe. Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus!“ (Mt 10,5ff) Vielleicht nicht Zwölf, vielleicht Hundert oder auch nur Drei.
Die Frage kann hier nicht aufgelöst werden. Sie soll aber vielleicht eine Antwort finden. Ein Buch erzählt die unglaubliche Geschichte von Pater Matteo La Grua. Der Angehörige des Minoritenordens ist am 15. Januar 2012 im hohen Alter von 97 Jahren in seiner Heimat Sizilien verstorben. Die Menschen schrieben ihm die Fähigkeit zu, Blinde sehen und Krüppel gehen zu lassen. Eine solche Formulierung wies er mit Entschiedenheit zurück. „Ich mache gar nichts, ich bete nur“, war eine seiner häufig wiederholten Kurzformeln, mit der er erklärte.
Der operative Arm Gottes auf Erden
Pater La Grua war der geistliche Assistent der katholischen Charismatischen Erneuerung. Der Vatikanist Paolo Rodari bezeichnete ihn als „operativen Arm Gottes auf Erden“. So sahen ihn viele.
„Es genügte ein Wort von ihm, ein Blick, eine kleine Berührung, daß Blinde ihr Augenlicht wiederfanden, Lahme wieder gehen konnten und Zweifler zum Glauben fanden. Heute wie vor 2000 Jahren“, so Rodari.
Im Priester Matteo La Grua wurde der Alter Christus sichtbar wie im heiligen Franz von Assisi vor 800 Jahren und im heiligen Pater Pio von Pietrelcina im vorigen Jahrhundert.
Um die Wunder zu erzählen, die rund um Pater La Grua geschehen sind, führte Roberta Ruscica eine Reihe von Gesprächen, die sie nun im Buch „Contro Satana“ (Gegen den Teufel) veröffentlicht hat. Aus den Zeilen fügt sich ein ungewohntes Bild zusammen, das sichtbar werden läßt, daß diese Welt und das Übernatürliche spürbar ineinandergreifen.
Man kann nicht Berge versetzen, ohne Glauben, pflegte der Sohn des heiligen Franziskus zu sagen. Man kann nicht Kranke heilen, ohne an die Macht Christi zu glauben. Deshalb sagte Pater Matteo: „Christus macht keinen Unterschied zwischen Krankheiten und Kranken. Alle Leiden könnten geheilt werden durch das Gebet, wenn wir glauben, daß die Macht Gottes unbegrenzt ist und sogar den Toten das Leben zurückgeben kann.“
An einem Donnerstag morgen standen die Eltern mit ihrer seit Jahren an den Rollstuhl gefesselten Tochter vor der Tür in seiner Pfarrei in Palermo. Das Mädchen sollte nach Bologna gebracht werden, um sich einer weiteren Operation zu unterziehen. Die Eltern wollten, daß Pater Matteo ihre Tochter vor der Abreise noch segnet. „Pater, glauben Sie, daß ich gesund werde?“, fragte ihn das Mädchen. Pater Matteo antwortete: „Natürlich, ich glaube es. Steh auf und geh.“ Und vor den erstaunten Eltern stand das Mädchen sofort von ihrem Rollstuhl auf und machte nach Jahren ihre ersten Schritte wieder. Sie war vollkommen geheilt.
Beichtvater und Doyen der Exorzisten
Pater Matteo La Grua wurde am 14. Februar 1914 in Castelbuono nahe der großartigen Normannenkirche von Cefal๠geboren. Während seiner Gymnasialstudien trat er in den franziskanischen Ordenszweig der Minoriten ein. Im Alter von erst 16 Jahren legte er 1930 in Palermo die zeitlichen Gelübde ab, 1935 in Rom die ewigen Gelübde. 1937 zum Priester geweiht, schloß er 1940 sein Theologiestudium an der Päpstlichen Fakultät St. Bonaventura in Rom ab. Von 1939 an unterrichtete er Theologie zunächst an der ordenseigenen Priesterausbildung der Minoriten in Palermo, dann am erzbischöflichen Priesterseminar ebendort. Unter seinen zahlreichen Aufgaben sind zu nennen, daß er ab 1952 Vorsitzender des Kirchengerichts der Erzdiözese war, dann Bischofsvikar, von 1971 bis 1986 Provinzial der Minoriten auf Sizilien. 1975 beauftragte ihn der Erzbischof von Palermo, Salvatore Kardinal Pappalardo, geistlicher Assistent der charismatischen Erneuerung in der Erzdiözese zu werden. An die Sakristei seiner Kirche in Palermo klopften viele, auch von sehr weit her, Reiche und Arme, und für alle öffnete er seine Tür. Viele kamen, um ihn um Heilung zu bitten. Heilung von physischen Leiden, aber auch von geistlichen Leiden. Kardinal Pappalardo hatte seinen Beichtvater La Grua gleichzeitig zum Exorzisten des Erzbistums ernannt. Wann immer er auf den Exorzismus und konkrete Fälle von Besessenheit angesprochen wurde, antwortete er mit einem kurzen: „Darüber spreche ich nicht.“ Sehr wohl sprach er aber oft und ausführlich über das Böse und dessen Wirken in der Welt.
Die Palermitaner sahen in ihm ihren „lebenden Schutzpatron“. Er selber sah sich nur als „Diener meines Herrn“, mit dem Auftrag „hinauszugehen“, um zu trösten und zu heilen. Seine besonderen Hauptaufgaben sah er deshalb als Beichtvater und als Exorzist. Pater La Grua bildete weltweit zahlreiche Exorzisten aus, so daß er schließlich, wegen seiner intellektuellen Bildung, vor allem aber wegen seiner geistlichen Erfahrung als Doyen der Exorzisten galt.
„Für einen Priester gibt es keinen Ruhestand.“
Auf Nachfrage, warum er als über 90jähriger noch immer so aktiv war, sagte er einfach: „Für einen Priester gibt es keinen Ruhestand.“ Umfangreich ist das Schriftum, das der Priester und Theologe in den fast 75 Jahren seines Priestertums verfaßte. Bücher über das Heilungsgebet, das Befreiungsgebet, über die Prophetengabe, die Lauretanische Litanei, über die Christustherapie, wie er es nannte.
Bei Lara, einem kleinen Mädchen von vier Jahren hatten die Ärzte eine seltene Form von Dysplasie festgestellt. Wegen dieser Deformierungen ist das Kind gezwungen, für den Rest seines Leben eine Stützprothese zu tragen, ohne je wie die Geschwister und andere Kinder hüpfen und laufen zu können. Es ist ein kalter Januarmorgen als die Mutter von Laura Pater Matteo bittet, das Kind zu Hause zu besuchen. Laura liegt mit ihrer Prothese in ihrem Bettchen, die sie auch nachts tragen muß. Pater Matteo betet. Er tut es immer intensiver und spendet dem Kind die Krankensalbung. Dann sagte er zur Mutter: „Hab keine Angst. Der Herr wird heute Nacht Dein Kind besuchen.“
Die Mutter erzählt im Buch: „Die ganze Nacht gingen mir diese Worte von Pater Matteo nicht aus dem Kopf. Als mich Laura am nächsten Morgen ganz zeitig rief, schlief ich noch. Ich sah sie regungslos in ihrem Bettchen liegen, wie am Abend zuvor. Ich konnte nichts erkennen. Sie sagte, Hunger zu haben. So wärmte ich ihr Milch. Dann zog ich die Bettdecke weg, um sie aufzurichten. Da sah ich plötzlich, daß die Prothese in zwei Teile zebrochen war und ihre kleinen Beine völlig frei im Bett lagen. Es war, als wäre nachts jemand im Zimmer meiner Tochter gewesen und hatte dieses Gerät mit einer Feile durchtrennt. Die Röntgenaufnahmen bestätigten, daß Lara vollkommen geheilt war.“
Das Charisma der Heilung, das Pater Matteo besaß, war eine Gnade Gottes. Der Franziskanerkonventuale hatte sich darauf vorbereitet, ohne zu wissen oder auch nur zu ahnen, diese Gabe zu empfangen. Er vertraute in seinem Leben ganz und gar auf Gott. Er glaubte. Als Kind verstummte er für mehrere Monate. Er hatte seine Stimme verloren. Er war stumm, verzweifelte daran aber nicht. Während einer Wallfahrt bat er die Gottesmutter um ihre Fürsprache, damit er seine Stimme wiederbekomme.
So geschah es. Und so wiederholte es sich in seinem Leben noch mehrfach, nachdem er die Priesterweihe empfangen hatte. Auf unerklärliche Weise verlor er einige Male die Stimme. Meist geschah es vor wichtigen geistlichen Ereignissen. Er vertraute sich Gott an und bekam seine Stimme immer wieder zurück.
Er meinte dazu: „Ich verstand, daß Jesus der Regisseur meines Lebens ist und daß Er wirklich Seinen Willen an mir verwirklichen wollte. Ich mußte es zulassen, daß Er meine Schritte lenkt, einen Schritt nach dem anderen.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: RnS