Papst mißtraut dem „Geist des Konzils“ – Konzil durch dessen Dokumente entdecken


(Vati­kan) Schritt um Schritt, Anspra­che um Anspra­che, lie­fert Papst Bene­dikt XVI. der katho­li­schen Kir­che die Ele­men­te für eine Neu­in­ter­pre­ta­ti­on des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils. Die in Rom tagen­den Syn­oden­vä­ter wis­sen, daß eine Neue­van­ge­li­sie­rung kaum mög­lich ist, wenn es kei­ne kla­re Vor­stel­lung dar­über gibt, was das Kon­zil war. „Jenes Ereig­nis, das die Kir­che in die Ein­ge­wei­de der moder­nen Welt gesto­ßen hat“, so der Vati­ka­nist Pao­lo Rodari.

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Am Mitt­woch ver­ließ der Papst für zwei Stun­den den Syn­oden­saal, um bei der Gene­ral­au­di­enz eine Kate­che­se zu hal­ten, die reich an per­sön­li­chen Erin­ne­run­gen an das Kon­zil war. Bene­dikt XVI. sprach von „sei­nem“ Kon­zil, das Johan­nes XXIII. ein­be­ru­fen hat­te, „um den Glau­ben auf eine erneu­er­te, prä­gnan­te­re Wei­se spre­chen zu las­sen, dabei aber an sei­nen ewig­gül­ti­gen Inhal­ten ohne Nach­ge­ben und ohne Kom­pro­mis­se festzuhalten“.

Weil dies offen­sicht­lich in der Nach­kon­zils­zeit durch ande­re Gesichts­punk­te über­la­gert wur­de, sei das Kon­zil erst wirk­lich zu ent­decken. Dies kann laut Bene­dikt XVI. nur über des­sen Doku­men­te gesche­hen: „Wir müs­sen sie befrei­en von jener Mas­se von Publi­ka­tio­nen, die sie ver­deckt haben, statt sie bekannt zu machen.“

Weni­ge Minu­ten bevor der Papst die­se Wor­te sprach, wur­de der Text ver­öf­fent­licht, den er im ver­gan­ge­nen Som­mer in Castel Gan­dol­fo für den 50. Jah­res­tag der Eröff­nung des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils ver­faßt hat­te. Es han­delt sich um die Ein­lei­tung zu sei­nen Kon­zils­schrif­ten, die vom Her­der Ver­lag ver­öf­fent­licht wer­den und in einer Son­der­num­mer des Osser­va­to­re Roma­no im Vor­ab­druck erschie­nen ist.

Dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil gin­gen ande­re Kon­zi­le vor­aus, heißt es im Text, die ein­be­ru­fen wor­den waren, „um grund­le­gen­de Ele­men­te des Glau­bens zu defi­nie­ren und vor allem, um Irr­tü­mer zu kor­ri­gie­ren, die den Glau­ben bedroh­ten“. Das Kon­zil von Niz­äa von 325 wider­setz­te sich der aria­ni­schen Häre­sie. Das Kon­zil von Ephe­sos von 431 ver­kün­de­te das Dog­ma der Got­tes­mut­ter­schaft Mari­ens. Das Kon­zil von Kal­ze­do­nia von 451 bekräf­tig­te die eine Per­son Chri­sti in zwei Natu­ren, der gött­li­chen und der mensch­li­chen. Das Kon­zil von Tri­ent, das 1545 begann, ant­wor­te­te auf die pro­te­stan­ti­sche Kir­chen­spal­tung. Das Erste Vati­ka­ni­sche Kon­zil bekräf­tig­te die Unfehl­bar­keit des Pap­stes bei der Ver­kün­dung eines Dogmas.

Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil aber sei etwas ganz ande­res gewe­sen, so Bene­dikt XVI. „Als es ein­be­ru­fen wur­de, gab es kei­ne beson­de­ren Glau­bens­irr­tü­mer zu kor­ri­gie­ren oder zu ver­ur­tei­len, noch Fra­gen der Glau­bens­leh­re zu klä­ren.“ Es gab hin­ge­gen die Not­wen­dig­keit, „auf neue Wei­se das Ver­hält­nis zwi­schen der Kir­che und der Moder­ne, zwi­schen dem Chri­sten­tum und eini­gen grund­le­gen­den Ele­men­ten des moder­nen Den­kens“ abzu­stecken, „nicht um sich die­sem anzu­pas­sen, son­dern um die­ser unse­rer Welt, die dazu neigt sich von Gott zu ent­fer­nen, auf­zu­zei­gen, daß sie des Evan­ge­li­ums in sei­ner gan­zen Grö­ße und Rein­heit bedarf.“

Bene­dikt XVI. erin­ner­te an Johan­nes XXIII., der bei der Eröff­nung des Kon­zils „ein Chri­sten­tum vor sich hat­te, das immer an Kraft zu ver­lie­ren schien“. Des­halb die Not­wen­dig­keit eines „aggior­na­men­to“. Eine Auf­ga­be, die aller­dings „von den ein­zel­nen Epi­sko­pa­ten“ auf unter­schied­li­che Wei­se inter­pre­tiert wur­de. Der deut­sche Epi­sko­pat ziel­te auf den Öku­me­nis­mus ab, ande­re mehr auf die Ekkle­sio­lo­gie. Ein wich­ti­ges The­ma für die mit­tel­eu­ro­päi­schen Bischö­fe war „die lit­ur­gi­sche Erneuerung“.

Das Schlüs­sel­the­ma berühr­ten jedoch die fran­zö­si­schen Bischö­fe, „das soge­nann­te Sche­ma XIII, die Bezie­hun­gen zwi­schen Kir­che und moder­nen Welt“, so Bene­dikt XVI. „Die Kir­che, die in der Barock­zeit im wahr­sten Sinn des Wor­tes die Welt geformt hat­te, war seit dem 19. Jahr­hun­dert in eine nega­ti­ve Bezie­hung zur Moder­ne getre­ten. Soll­ten die Din­ge so blei­ben?“ Das Kon­zil ant­wor­te­te mit Nein und tat dies vor allem mit zwei Doku­men­ten. Jenem über die Reli­gi­ons­frei­heit, in dem die Leh­re Pius XII. der blo­ßen Tole­rie­rung mit dem Kon­zept des Rechts den eige­nen Glau­ben zu wäh­len, über­wun­den wur­de. Und dem zwei­ten Doku­ment über die Bezie­hun­gen zu den nicht-christ­li­chen Reli­gio­nen. Der Rezep­ti­ons­pro­zeß die­ses Doku­men­tes „Nost­ra Aet­a­te“ zei­ge eine „Schwä­che“, so Bene­dikt XVI. „Er spricht über die Reli­gi­on als etwas posi­ti­ves und igno­riert die kran­ken und gestör­ten For­men der Religion“.

Bene­dikt XVI. will beson­ders her­aus­strei­chen, daß die Kon­zils­vä­ter kei­ne ande­re Kir­che woll­ten. Des­halb „ist eine Her­me­neu­tik des Bruchs des Kon­zils absurd und wider­spricht dem Geist und dem Wil­len der Kon­zils­vä­ter“, so der Papst.

Im Mit­tel­punkt der gleich­zei­tig tagen­den Bischofs­syn­ode steht die Wei­ter­ga­be des Glau­bens und damit das­sel­be The­ma, das der Ein­be­ru­fung des Kon­zils zugrun­de­lag. Es geht dabei nicht nur dar­um, wie der Glau­be wei­ter­ge­ge­ben wer­den kann, son­dern dar­um, wel­cher Glau­ben wei­ter­ge­ge­ben wird. Marx Kar­di­nal Ouel­let, der Prä­fekt der Kon­gre­ga­ti­on für die Bischö­fe hielt am Mitt­woch eine aus­führ­li­che Rede über das Apo­sto­li­sche Schrei­ben Ver­bum Domi­ni von 2010, in dem Papst Bene­dikt XVI. dar­leg­te, daß es ohne Bezug auf die Hei­li­ge Schrift kei­ne wah­re Wei­ter­ga­be des Glau­bens geben kön­ne. Für Kar­di­nal Ouel­let kommt die siche­re Ver­an­ke­rung aus dem Lehr­amt, das die Hei­li­ge Schrift kor­rekt aus­legt. Bereits Kuri­en­kar­di­nal Zen­on Gro­cho­lew­ski hat­te kurz zuvor in sei­nem Rede­bei­trag jene Theo­lo­gie gegei­ßelt, die sich nicht am Lehr­amt der Kir­che aus­rich­tet, son­dern „andau­ernd Unsi­cher­heit und Ver­wir­rung säe“, weil sie von jenen ver­tre­ten wer­de, die „ver­ses­sen dar­auf sind groß, ori­gi­nell und wich­tig zu werden“.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Mes­sa in latino

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3 Kommentare

  1. „In einem Buch mit dem Titel ‚Vraie et fausse réforme‘ prä­sen­tier­te P. Yves Con­gar als ‚echt‘ eine ‚Reform‘ der Kir­che, die sich eher als eine wirk­li­che Revo­lu­ti­on denn eine ech­te Reform ent­pupp­te. Auf den Domi­ni­ka­ner geht eine der erste Nen­nun­gen der For­mel ‚Pri­mat der Pasto­ral‘ zurück, die den Unter­schied zwi­schen den Dog­men und ihrer sprach­li­chen For­mu­lie­rung ein­führ­te, als ob der Aus­druck der Leh­re sich ändern kön­ne, ohne ihren Inhalt unbe­scha­det zu las­sen“. (Rober­to de Mat­tei, Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Konzil,S. 118) (…)„Man muss kei­ne ande­re Kir­che schaffen…man muss eine anders­ar­ti­ge Kir­che schaf­fen“ (Ebd.,).

    Schon der jun­ge Theo­lo­ge Ratz­in­ger ver­ehr­te Con­gar, als Papst hat er ihn unlängst äußerst lobend erwähnt.
    Der über­mäch­ti­ge Ein­fluss der Peri­ti auf die Kon­zils­vä­ter ist bekannt. Seit Vat. II haben sowie­so die Theo­lo­gen weit­ge­hend das Lehr­amt über­nom­men. Soll­te der Hei­li­ge Vater das Kon­zil auch mit den ‚Augen Con­gars‘ sehen, wun­dert mich nichts mehr.

  2. Eigent­lich müss­te man die gan­ze Sei­te 118 des Buches von Rober­to de Mat­tei zitie­ren. Dann wür­de schnell klar, war­um der Phi­lo­soph Diet­rich von Hil­de­brand schon in den 1970er Jah­ren die Kir­che als „ver­wü­ste­ten Wein­berg“ wahr­nahm. Natür­lich ist Con­gar nicht allein ver­ant­wort­lich, aber er war ein Prot­ago­nist. Von Johan­nes Paul II. in den Kar­di­nals­rang erho­ben. Und er hat­te ein­fluss­rei­che Kol­le­gen, auch Karl Rah­ner zu nen­nen, reicht nicht aus.

    Die Kri­se der Kir­che ist lei­der auch eine Kri­se Roms. Ohne die Zusa­ge unse­res Herrn, dass „die Pfor­ten der Höl­le sie nicht über­wäl­ti­gen“, wäre die Situa­ti­on aus­sichts­los. Unser Herr hat uns aller­dings nicht ver­spro­chen, dass die äuße­re Gestalt der Kir­che sich nicht ändern kann. Der Glau­bens­prä­fekt Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger sag­te vor­aus, die Kir­che wer­de in Zukunft in klei­nen Grup­pen über­le­ben. Wenn das so wei­ter­geht, wird das düste­re Bild tat­säch­lich schmerz­li­che Rea­li­tät. Noch scheint sie weit ent­fernt von uns. Noch…

  3. Wie Recht Sie haben! Man hat mit dem V 2 das Kind mit dem Bade aus­ge­schüt­tet! Statt den Kern des Glau­bens und der Kir­che bloß­zu­le­gen und sich auf die Tra­di­ti­on im Guten zu kon­zen­trie­ren, ist man in den 70er Jah­ren – dem dama­li­gen Zeit­geist ent­spre­chend – zer­trüm­mernd zu Wer­ke gegan­gen. Und die Fol­gen? Kei­ne Beich­te mehr, kaum noch ein sicht­ba­res sakra­men­ta­les Prie­ster­tum, die Katech­se va.auch in der Erst­kom­mu­ni­on-Vor­be­rei­tung ist ver­schwun­den, etc.etc.
    Wir kön­nen B XVI mehr als dank­bar sein, wenn er nun, end­lich! ein­mal den Dre­wer­män­nern und Küngs (v.a. letz­te­rem, der lie­ber Bücher über den Islam schreibt und seit Jah­ren ein Welt­ethos kon­stru­iert!) das V2 rich­tig, nüch­tern und sach­lich inter­pre­tiert und auch die Fehl­ent­wick­lun­gen aufzeigt.

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