Fatih 1453 – islamische Überlegenheit, christliche Karikatur? Kampf der Kulturen auf der Leinwand


(Bei­rut) Der tür­ki­sche Film Fatih 1453 erzählt von der dra­ma­ti­schen und für die Chri­sten­heit trau­ma­ti­schen Erobe­rung Kon­stan­ti­no­pels durch die mos­le­mi­schen Osma­nen im Jahr 1453. Kon­stan­ti­no­pel, mehr als 1100 Jah­re Haupt­stadt des Römi­schen Rei­ches war mit Rom die bedeu­tend­ste Stadt des Chri­sten­tums. Der in der Tür­kei begei­stert auf­ge­nom­me­ne 17-Mil­lio­nen-Dol­lar-Film stößt hin­ge­gen auf har­te Kri­tik der Chri­sten im Ori­ent. Der Film ent­hal­te zahl­rei­che histo­ri­sche Irr­tü­mer und stach­le zum Haß gegen Chri­sten auf.

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Der Film soll in den Kinos von Bei­rut gezeigt wer­den. Die christ­li­chen Gemein­schaf­ten des Zedern­lan­des rufen jedoch zum Boy­kott auf. Sie spre­chen von einem „Pro­pa­gan­da­film“. Die 160-Minu­ten-Pro­duk­ti­on des tür­ki­schen Regis­seurs Faruk Aksoy beginnt mit einer Rück­blen­de, in der Moham­med im Exil von Medi­na sei­nen Anhän­gern „ewi­ges Glück“ ver­heißt, wenn sie die byzan­ti­ni­sche Haupt­stadt erobern. Der osma­ni­sche Sul­tan greift Jahr­hun­der­te spä­ter die­se Ver­hei­ßung Moham­meds sym­bo­lisch auf, so die Dar­stel­lung im Film, und beginnt sei­nen Feld­zug gegen Kon­stan­ti­no­pel, die Stadt, die seit 800 Jah­ren dem Islam trotzte.

Politisch-religiöser Propagandafilm fernab der historischen Wahrheit

Die Kom­bi­na­ti­on aus reli­giö­ser Ver­hei­ßung und osma­ni­scher Erobe­rung im Film spricht offen­sicht­lich den tür­ki­schen Natio­nal­stolz an, wie die aus­ver­kauf­ten Kino­sä­le seit Febru­ar zeigen.

Einer histo­ri­schen Bestands­auf­nah­me hält der Film, so Kri­ti­ker, aber nicht stand. Die dar­in dar­ge­stell­ten histo­ri­schen Feh­ler sol­len die Geschich­te im Sin­ne einer Ver­herr­li­chung des Islam und des Sul­tans als poli­tisch-reli­giö­ser Füh­rer­fi­gur zurecht­bie­gen. Damit hat der Film nicht nur eine histo­ri­sche, son­dern auch eine aktu­el­le poli­ti­sche Dimen­si­on. Eine poli­ti­sche Dimen­si­on, die an die statt­fin­den­de Reis­la­mi­sie­rung der Tür­kei und das Anfang des 20. Jahr­hun­derts unter­ge­gan­ge­ne Osma­ni­sche Reich anknüpft und die Tür­kei als ori­en­ta­li­sche Groß­macht zeigt.

Rodri­gue Khou­ry, der Grün­der der christ­li­chen liba­ne­si­schen Par­tei Al-Mach­req gehör­te zu den Ersten, die den Film vor­ab in einer Vor­füh­rung sehen konn­te. Der liba­ne­si­sche Christ zeig­te sich schockiert. Er über­mit­tel­te eine aus­führ­li­che Film­kri­tik mit detail­lier­ten Anga­ben zu histo­ri­schen Feh­lern an Gene­ral Sure­te, den Zen­sur­be­auf­trag­ten der liba­ne­si­schen Regie­rung. Khou­ry zog sich damit die Kri­tik zahl­rei­cher Jour­na­li­sten zu, die im Namen der Frei­heit von Mei­nung und Kunst die Aus­strah­lung des Film vertreten.

Film zeigt den Kampf zwischen christlicher und moslemischer Kultur – Christentum als groteske Karikatur

„Der Film“, so Khou­ry, „erzählt nicht den Kampf zwei­er Rei­che, wie der Unter­ti­tel behaup­tet, son­dern den Kampf zwei­er Kul­tu­ren, der christ­li­chen und der mos­le­mi­schen. Die christ­li­che Kul­tur wird dabei in einer gro­tes­ken Form ver­zerrt und als Ursprung allen Übels, die isla­mi­sche Kul­tur hin­ge­gen als per­fek­te, ein­wand­freie und damit über­le­ge­ne Kul­tur dar­ge­stellt.“ Die jun­gen Chri­sten des Liba­non leh­nen den Film daher ab, weil er „offen zum Haß gegen Chri­sten auf­ruft“, so Khoury.

Der­sel­ben Mei­nung ist Pater Abdo Abou Kas­sem, der Pres­se­be­auf­trag­te der katho­li­schen Kir­che im Liba­non. „Die christ­li­che Reli­gi­on wird durch die zahl­rei­chen und plum­pen histo­ri­schen Irr­tü­mer her­ab­ge­wür­digt und als kor­rupt und unwür­dig dar­ge­stellt.“ Eine Sze­ne zei­ge, so der katho­li­sche Prie­ster, wie Sul­tan Meh­med (Moham­med) II. nach der Erobe­rung der Stadt die Basi­li­ka Hagia Sophia betritt, indem er sich Platz unter Tau­sen­den Gläu­bi­gen ver­schafft, die ter­ro­ri­siert die Flucht ergrei­fen. Der Sul­tan umarmt und beru­higt dann ein Kind und erklärt, daß der Erobe­rer es schüt­zen wer­de. „Wie wir durch die Chro­ni­sten und die Geschichts­wis­sen­schaft wis­sen, ist das alles abso­lut erfun­den. Als der Sul­tan die größ­te Kir­che der Stadt betrat, gab er Befehl, alle dort anwe­sen­den Chri­sten zu ermor­den, mehr als 3000, und ließ durch sei­ne Sol­da­ten als Zei­chen der Besitz­ergrei­fung die christ­li­chen Frau­en ver­ge­wal­ti­gen. Die Basi­li­ka wan­del­te er in eine Moschee um“, so Pater Abdo.

„Fatih 1453“ gelangt weni­ge Wochen nach den Pro­te­sten gegen einen pri­va­ten Kurz­film gegen Moham­med in die ara­bi­schen Län­der. Wegen einer „blas­phe­mi­schen“ Ver­un­glimp­fung Moham­meds und des Islam gin­gen Hun­dert­tau­sen­de Mos­lems in zahl­rei­chen Staa­ten auf die Stra­ße. Die teils gewalt­sa­men Pro­te­ste koste­ten mehr als 50 Men­schen­le­ben, dar­un­ter das des ame­ri­ka­ni­schen Bot­schaf­ters in Liby­en und Hun­der­te Verletzte.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Asianews

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1 Kommentar

  1. Papst Bene­dikt XVI. hat mehr­fach dar­auf hin­ge­wie­sen, dass vie­le Chri­sten in West­eu­ro­pa offen­sicht­lich heu­te nicht mehr bereit sind, das kul­tu­rel­le Erbe des Chri­sten­tums, „die christ­li­che Leit­kul­tur“ zu ver­tei­di­gen. Die Fol­gen sind bereits spürbar.
    Patri­arch Bar­tho­lo­mai­os von Kon­stan­ti­no­pel muss sehr vor­sich­tig agie­ren, er hat es in der Tür­kei schwer genug.
    Ten­den­ziö­se Fil­me, wie offen­bar die­ser Film,werfen ein­mal mehr die Fra­ge auf, was die Tür­kei eigent­lich in der EU zu suchen hat?
    Noch als Kar­di­nal hat der jet­zi­ge Papst ein­deu­tig die For­de­rung gestellt, die Tür­kei müs­se sich zur Mit­schuld am Völ­ker­mord an den Arme­ni­ern (1915), eben­so an den syri­schen und assy­ri­schen Chri­sten zur glei­chen Zeit bekennen.Dies ist bis­her nicht geschehen.
    Die ortho­do­xe Hoch­schu­le des Patri­ar­chats von Kon­stan­ti­no­pel in Chal­ki wur­de 1974 geschlos­sen und das trotz vie­ler Ver­spre­chun­gen bis heu­te nicht wie­der eröff­net worden.

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