(Vatikan/Castel Gandolfo/Menzingen) Am vergangenen Samstag, 14. Juli gab das Generalhaus der Piusbruderschaft kurz nach 17 Uhr das Ende des Generalkapitels bekannt, daß es zu den Versöhnungsgesprächen mit Rom eine „allgemeine Erklärung an Rom“ richten werde, die dann veröffentlicht würden.
Über den Inhalt des Generalkapitels sind bisher nur vereinzelte Details bekannt. Wie die katholische Nachrichtenagentur der Schweiz berichtet, wurde das von Bischof Fellay gegen Bischof Richard Williamson verhängte Teilnahmeverbot wegen „anhaltenden Ungehorsams“ von einer großen Mehrheit der Oberen bestätigt. Von 38 abgegebenen Stimmen, sprachen sich 29 Obere für den Ausschluß Williamsons aus, neun stimmten dagegen. KIPA wertet das Abstimmungsergebnis als deutliche Stärkung der Position des Generaloberen und damit der Bemühungen um eine Versöhnung mit Rom.
Diesbezüglich schrieb der progressive spanische Religionsjournalist José Manuel Vidal unter Berufung auf den spanischen Oberen, daß eine Versöhnung „definitiv gescheitert“ sei, da die am 13. Juni von Rom übergebene Präambel für die Piusbruderschaft „inakzeptabel“ sei. Daß eine Unterschrift unter die Juni-Präambel, die fast wörtlich der Präambel-Fassung vom September 2011 entspreche, wohl unmöglich sei, hatte Msgr. Fellay dem damaligen Präfekten der Glaubenskongregation noch in Rom mitgeteilt. Da Vidal der einzige ist, der in diesen Tagen eine Veröffentlichung wagte, wurde seine Meldung vieldutzendfach von Journalisten und Blogs aufgegriffen. Es hieß, am Sonntag werde die Erklärung der Piusbruderschaft veröffentlicht. Darin werde sich die Bruderschaft bei Rom bedanken für die Gespräche und die Möglichkeit, die ihr gewährt wurde, ihre Position darzulegen, aber gleichzeitig ein „Nein“ zur Versöhnung mitteilen.
[Update: Der Distriktobere von Spanien und Portugal der Piusbruderschaft, Pater Juan Maria de Montagut dementierte inzwischen Vidal und verlangte eine Richtigstellung. Ein Beispiel mehr für offensichtlich immer neue gezielte Störfeuer, die entfacht werden. Dazu gehört auch jene mediale Begleitmusik im deutschen Sprachraum rund um Msgr. Richard Williamson, mit der die Piusbruderschaft indirekt in die Nähe von Antisemitismus und Holocaustleugnung gerückt werden soll. Unschwer läßt sich hinter dieser Absicht der Wunsch erkennen, daß die Gespräche zwischen Econe und Rom scheitern sollen. Doch soweit ist es noch nicht. Das Generalhaus selbst teilte inzwischen mit, daß sich jedes Mitglied des Generalkapitels durch einen Eid auf die Heilige Schrift zum Stillschweigen über Inhalt und Verlauf der Kapitelversammlung verpflichtet hat. Von Journalisten und im Internet veröffentlichte Angaben zum Generalkapitel werden daher rundweg dementiert, verbunden mit der Aufforderung, keine selbsterfundene Gerüchte in die Welt zu setzen.]
Papst Benedikt XVI. besuchte gestern, Sonntag, die Stadt Frascati in der Nähe von Rom. Der Bischofssitz ist mit der Kardinalswürde von Staatssekretär Tarcisio Bertone verbunden. Der Papst wollte im Zuge teils wilder Gerüchte rund um Spannungen innerhalb der römischen Kurie, Intrigen und der Vatileaks-Affäre ein Signal der Verbundenheit mit Kardinal Bertone setzen. In seiner Predigt ging das Kirchenoberhaupt in besonderer Weise auf das Zweite Vatikanische Konzil ein. Sicher kein Zufall an einem Tag, an dem die Antwort der Piusbruderschaft erwartet wurde. Der Papst legte wert, zu betonen, daß das Konzil „viel zu sagen“ habe und forderte auf, dessen Dokumente erneut zu lesen, aber auch „neu“ zu lesen. Eine Aufforderung, die sich offensichtlich an Progressisten wie Traditionalisten richtete, das Konzil im Licht der Tradition zu „entdecken“. Um diesen Zusammenhang zu verdeutlichen, forderte Benedikt XVI. gleichzeitig auch auf, den Katechismus zu lesen.
Unterdessen scheint es unwahrscheinlich, daß die Piusbruderschaft die jahrelangen theologischen Gespräche und dann ein Dreivierteljahr der Versöhnungsgespräche einfach mit einem „Es war nett, aber Nein, danke“ beendet. Zuviel ist seit dem 13. Juni, der eine Negativwende einzuleiten schien, geschehen.
Kardinal Levada ist nicht mehr Präfekt der Glaubenskongregation. Papst Benedikt XVI. ernannte Kurienerzbischof Di Noia zum Vize-Präsidenten von Ecclesia Dei und entzog damit offensichtlich dem neuen Glaubenspräfekten, dem ehemaligen Regensburger Bischof Müller diesen Arbeitsbereich, den bisher Kardinal Levada ausfüllte.
Di Noia ließ umgehend weitgehende Gesprächsbereitschaft erkennen, betrachtete Ende Juni eine Einigung als zum Greifen nahe und mobilisierte „seinen“ Dominikanerorden kurz vor Beginn des Generalkapitels der Piusbruderschaft, für die Versöhnung zu beten. Laut Riposte Catholique teilen sich die Befürworter einer Versöhnung mit der Piusbruderschaft im Vatikan in zwei Gruppen. Der amerikanische Kurienerzbischof Di Noia gehört zur Gruppe der „Gherardinianer“. Sie vertreten auf der Linie von Msgr. Brunero Gherardini den Standpunkt, daß alle zwischen Econe und Rom strittigen Passagen in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils keineswegs unantastbar sind und daher selbstverständlich diskutiert werden können. Die Theologen der Tradition können also die Diskussion dazu eröffnen und offen führen und bei Bedarf werde das unfehlbare kirchliche Lehramt irgendwann strittige Fragen klären. Eine Lösung „von unten“ sozusagen, die jene natürliche Entwicklung voraussetzt, wie sie die Kirchengeschichte auszeichnet.
Ihnen stehen die „Levadianer“ gegenüber, benannt nach dem inzwischen abgetretenen Glaubenspräfekten, die eine Lösung „von oben“ anstreben. Sie halten ebenso die strittigen Punkte des Konzils zwar nicht für unantastbar, halten aber die Tatsache für unerträglich für das Erscheinungsbild der Kirche, gewissermaßen eingestehen zu müssen, daß über einen Zeitraum mehrerer Jahrzehnte offiziell eine Fehlentwicklung akzeptiert wurde. Daher versuchen sie, diese sich möglicherweise auftuende Schwachstelle durch eine „akrobatische“ (Riposte Catholique) Theorie der Kontinuität zu überbrücken, belasten damit aber die Gesamtfrage unnötig mit der Frage nach der Verbindlichkeit und damit mit der Frage nach der Anerkennung des gesamten Konzils.
Wie die französische Internetseite Riposte Catholique schrieb, hakten die Verhandlungen seit September 2011 offensichtlich auch daran, daß sie auf Distanz geführt wurden. Es gab keine wirklichen Verhandlungsgespräche, in denen sich beide Seiten gegenüber saßen. In denen zunächst auf informeller, aber direkter persönlicher Ebene nach einer Einigung gesucht wird, ehe man offizielle Dokumente austauscht. Diese persönliche Dimension, die zur Schaffung einer soliden Vertrauensbasis von größter Wichtigkeit sei, habe bisher gefehlt. Was nicht heißt, daß sie nicht nachgeholt oder nun in die Gespräche eingeführt werden kann. Die Ernennung von Kurienerzbischof Di Noia scheint auch diesbezüglich eine entscheidende Wende möglich zu machen, die von Papst Benedikt XVI. gewollt ist, nachdem die Gespräche am 13. Juni einen Knick erfuhren.
Es ist daran zu erinnern, daß es ein persönliches Gespräch zwischen Papst Benedikt XVI. und dem Generaloberen der Piusbruderschaft St. Pius X., Msgr. Fellay war, das im Sommer 2005, wenige Monate nach Beginn dieses Pontifikats, die schrittweise Annäherung zwischen Econe und Rom möglich machte, weil sie Vertrauen schuf.
Möglicherweise ist eine weitere solche direkte Intervention Benedikts XVI. notwendig, wie sie auch bereits die Ernennung von Di Noia darstellt. Vorerst ist die „allgemeine Erklärung“ der Piusbruderschaft nach dem Generalkapitel abzuwarten.
Auf einem anderen Blatt und doch in Zusammenhang steht eine ganz andere Frage: Wann wird Papst Benedikt XVI. wieder seine erste Heilige Messe öffentlich im Alten Ritus zelebrieren?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: periodistadigital