„Pro multis“, die „Übersetzung“ des Papstes gewinnt an Zuspruch – letzte Widerstände brechen


(Rom) Bene­dikt XVI. ord­ne­te im Rah­men sei­ner lit­ur­gi­schen Erneue­rung an, im Hoch­ge­bet in den Lan­des­spra­chen nicht mehr die nach­kon­zi­lia­re Über­set­zung „für alle“ zu ver­wen­den, son­dern in wört­li­cher Über­set­zung gemäß latei­ni­schem Ori­gi­nal des Römi­schen Kanon die Wor­te „für viele/​für die Vie­len“. Der Papst traf die­se Ent­schei­dung trotz erheb­li­cher Wider­stän­de meh­re­rer Bischofs­kon­fe­ren­zen, dar­un­ter auch der deut­schen und der ita­lie­ni­schen. Wäh­rend eini­ge Bischofs­kon­fe­ren­zen die Rück­kehr des pro mul­tis in die mut­ter­sprach­li­che Über­set­zung des Mis­sa­le bereits umge­setzt haben, so die eng­lisch­spra­chi­gen Län­der und Ungarn, muß­te Bene­dikt XVI. die Bischö­fe des deut­schen Sprach­raums fast sechs Jah­re nach der ent­spre­chen­den Anwei­sung der Lit­ur­gie­kon­gre­ga­ti­on vom 17. Okto­ber 2006 an alle Bischofs­kon­fe­ren­zen mit einem Schrei­ben ermah­nen und noch ein­mal aus­drück­lich dazu auffordern.

Trotz Widerstände lenkt der deutsche Sprachraum ein – Italien letzter Hort des Widerstandes

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Ita­li­en scheint uner­war­te­ter­wei­se der letz­te Hort des Wider­stan­des zu sein. Dort tra­ten nun aber zwei mehr dem pro­gres­si­ven Lager zuge­rech­ne­te Bibel- und Lit­ur­gie­wis­sen­schaft­ler an die Öffent­lich­keit, um die Posi­ti­on des Pap­stes zu stüt­zen, wie der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster berichtet.

Im Zuge der nach­kon­zi­lia­ren Lit­ur­gie­re­form wur­de das pro mul­tis in den mei­sten lan­des­sprach­li­chen Über­set­zun­gen des Mis­sa­le still­schwei­gend und mit einem theo­lo­gi­schen Gewalt­akt mit „für alle“ über­setzt. Mehr­fa­che Ermah­nun­gen durch die Kon­gre­ga­ti­on für den Got­tes­dienst und die Sakra­men­ten­ord­nung zei­tig­ten kei­ne Erfolge.

Erst mit dem Pontifikat Benedikts XVI. kam Bewegung in die Frage

Erst das Pon­ti­fi­kat Bene­dikts XVI. brach­te Bewe­gung in die Sache. Meh­re­re Bischofs­kon­fe­ren­zen kor­ri­gier­ten bei Neu­aus­ga­ben des Mis­sa­le durch wort­ge­treue Über­set­zun­gen des Römi­schen Kanons. Seit Advent 2011 heißt es in den USA „for many“, eben­so folg­ten die spa­nisch­spra­chi­gen Län­der, wäh­rend in Frank­reich „pour la mul­ti­tu­de“ gebraucht wird. Im deut­schen Sprach­raum ist die wort­ge­treue Über­set­zung „für vie­le“ nach dem päpst­li­chen Rüf­fel in Vor­be­rei­tung. Die deut­sche Bischofs­kon­fe­renz hat, trotz Wider­stän­den, den Weg vom „für alle“ zum „für vie­le“ bereits ein­ge­schla­gen. In Öster­reich ist ein ent­spre­chen­der Beschluß noch aus­stän­dig. Letzt­lich wird die Kor­rek­tur jedoch für den gan­zen deut­schen Sprach­raum und damit auch für die Deutsch­schweiz, Liech­ten­stein, Süd­ti­rol und Luxem­burg gel­ten, wie es Bene­dikt XVI. in sei­nem Schrei­ben gefor­dert hat.

Italien: Nur 11 Bischöfe für „für viele“ – 171 für Beibehaltung von „für alle

Der Wider­stands­kreis wird klei­ner und es scheint nur mehr Ita­li­en das nach­kon­zi­lia­re lit­ur­gi­sche Expe­ri­ment zu ver­tei­di­gen. Aus­ge­rech­net im Land, in dem der Papst als Bischof von Rom auch Pri­mas ist, beharrt man nach wie vor auf ein „per tut­ti“. Erst im Novem­ber 2010 stimm­te eine erdrücken­de Mehr­heit der ita­lie­ni­schen Bischö­fe für die Bei­be­hal­tung der theo­lo­gisch gewag­ten Über­set­zung. Von 187 abstim­men­den Bischö­fen spra­chen sich ledig­lich 11 für die Über­set­zung „per mol­ti“ aus. Vier wei­te­re erklär­ten, die fran­zö­si­sche For­mu­lie­rung zu bevor­zu­gen. Abge­se­hen von einer wei­ßen Stim­me, votier­ten damit 171 ita­lie­ni­sche Bischö­fe für das „für alle“. Haupt­ar­gu­ment war, daß eine Ände­rung die Gläu­bi­gen ver­un­si­chern wür­de und Glau­bens­zwei­fel för­dern könnte.

Papst Bene­dikt XVI. beton­te in sei­nem Schrei­ben an die deut­schen Bischö­fe, daß er sich die­ser Gefahr durch­aus bewußt sei. Des­halb for­der­te er dazu auf, den Gläu­bi­gen die Kor­rek­tur und deren theo­lo­gi­sche und escha­to­lo­gi­sche Not­wen­dig­keit zu erklä­ren. Der Papst ermahn­te damit die Bischofs­kon­fe­ren­zen, sich nicht hin­ter noch so berech­tigt erschei­nen­den Argu­men­ten oder ver­meint­li­chen Wider­stän­den von Gläu­bi­gen zu ver­stecken, son­dern die Gläu­bi­gen vor­zu­be­rei­ten und zu unter­wei­sen. Auch in jenen Län­dern, in denen die Been­di­gung des nach­kon­zi­lia­ren Expe­ri­ments, wenn nicht frei­wil­lig durch die Bischö­fe, son­dern auf Anord­nung des Hei­li­gen Stuhls umge­setzt wird.

Päpstliches Mahnschreiben an deutsche Bischöfe löste in Italien lebhafte Debatte aus

Seit Som­mer­be­ginn herrscht in Ita­li­en eine leb­haf­te Debat­te rund um das pro mul­tis. Aus­ge­löst wur­de sie durch den päpst­li­che Mahn­brief an die deut­schen Bischö­fe. Von wis­sen­schaft­li­cher Sei­te fehlt es dabei nicht an Kri­tik an Bene­dikt XVI., doch in der Sub­stanz, wird von der aka­de­mi­schen Fach­welt die päpst­li­che Ent­schei­dung geteilt und fin­det immer mehr Unterstützung.
Nam­haf­te Wort­füh­rer der jüng­sten Zeit sind Don Fran­ces­co Pie­ri, Prie­ster der Erz­diö­ze­se Bolo­gna und Dozent für Lit­ur­gie, Grie­chisch und Kir­chen­ge­schich­te der Anti­ke, und Don Sil­vio Bar­ba­glia, Prie­ster der Diö­ze­se Nova­ra und Dozent für Altes und Neu­es Testament.

Zwei Kritiker näherten sich durch Studien der Position Benedikts XVI. an

Von Don Pie­ri erscheint dem­nächst ein Buch zum The­ma. Sei­ne Haupt­the­sen ver­öf­fent­lich­te er bereits in der jüng­sten Aus­ga­be der wohl pro­gres­siv­sten kirch­li­chen Zeit­schrift Ita­li­ens Il Reg­no in Bolo­gna. Dar­in wider­spricht er zwar des Brei­ten Papst Bene­dikt XVI. in des­sen Aus­füh­run­gen im Schrei­ben an die deut­schen Bischö­fe und im zwei­ten Band von „Jesus von Naza­reth“. Laut Pie­ri sei kei­ne wis­sen­schaft­li­che Ein­hel­lig­keit mehr dar­über gege­ben, daß der Semi­tis­mus „vie­le“ auch „allen“ ent­spre­che. Trotz die­ser Kri­tik zieht Pie­ri am Ende ver­blüf­fend ähn­li­che Schluß­fol­ge­run­gen wie Papst Bene­dikt XVI. Er macht sich die Exege­se des hebräi­schen Wor­tes „rab­bim“ von Albert Van­ho­ye zu eigen, den Bene­dikt XVI. zum Kar­di­nal kre­ierte und der es mit „eine gro­ße Zahl“ über­setz­te, ohne näher dar­auf ein­zu­ge­hen, wie vie­le genau damit gemeint sei­en. So kommt Pie­ri zum Schluß, daß die fran­zö­si­sche Über­set­zung „pour la mul­ti­tu­de“, ita­lie­nisch „per la mol­ti­tu­di­ne“ die tref­fend­ste lan­des­sprach­li­che Über­set­zung für Ita­li­en wäre.

Don Bar­ba­glia kam zu ähn­li­chen Schlüs­sen. Sei­ne Aus­füh­run­gen ver­öf­fent­lich­te er in der Zeit­schrift Fides et Ratio des Reli­gi­ons­wis­sen­schaft­li­chen Insti­tuts Roma­no Guar­di­ni von Taran­to. Ein­gangs gibt er zu, sei­ne Arbeit mit der Absicht begon­nen zu haben, den Nach­weis zu erbrin­gen, daß die Über­set­zung „für alle“ die beste sei und sich daher der Papst im Unrecht befin­de. Durch die Ver­tie­fung in das The­ma sei sei­ne ursprüng­li­che Posi­ti­on, dem Papst wider­spre­chen zu wol­len, jedoch immer weni­ger halt­bar gewor­den. Schließ­lich sei sein „Vor­ur­teil“, denn als sol­ches habe sich sei­ne Mei­nung ent­puppt, ins Gegen­teil gekippt. Das „per tut­ti“ soll­te auch sei­ner Mei­nung nach durch „mol­ti­tu­di­ni“ ersetzt werden.

Übersetzung für Italien „per molti“ oder „per la moltitudine

Letzt­lich spre­chen sich sowohl Pie­ri als Bar­ba­glia dafür aus, daß die neue lan­des­sprach­li­che Über­set­zung der Wand­lungs­wor­te in ita­lie­ni­scher Spra­che „per voi e per una mol­ti­tu­di­ne“ lau­ten soll­te. Obwohl bei­de Theo­lo­gen in ver­schie­de­nen Fra­gen gegen­sätz­li­che Posi­tio­nen zu jenen Bene­dikts XVI. ver­tre­ten, näher­ten sie sich durch ihre Stu­di­en in der Fra­ge der Wand­lungs­wor­te deut­lich der päpst­li­chen Posi­ti­on an.

Es bleibt die Fra­ge war­um trotz der Sprach­ver­wandt­schaft des Ita­lie­ni­schen zum Latein pro mul­tis mit „mul­ti­tu­di­ne“ (lat. mul­ti­tu­do) über­setzt wer­den soll­te, und nicht mit dem nahe­lie­gen­den „per mol­ti“. Den­noch ist fest­zu­stel­len, daß auch in Ita­li­en, ver­spä­tet aber doch, Bewe­gung in die Pro-mul­tis-Fra­ge kommt und auch der letz­te Wider­stand gegen die Kor­rek­tur eines lit­ur­gi­schen Expe­ri­ments durch Papst Bene­dikt XVI. zusammenbricht.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Inve­ni­mus Messiam

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