Ägyptens Kopten kämpfen gegen Scharia in der Verfassung


(Kai­ro) Wäh­rend die Span­nung zwi­schen Ägyp­tens neu­ge­wähl­tem Staats­prä­si­den­ten von der Mus­lim­bru­der­schaft und dem Mili­tär­rat steigt, kom­pli­ziert die künf­ti­ge Bedeu­tung der Scha­ria die Bezie­hun­gen zwi­schen den Isla­mi­sten und der christ­li­chen Minderheit.

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Zwi­schen Staats­prä­si­dent Mur­si und den Mili­tärs fin­det ein Tau­zie­hen wegen der vom Ver­fas­sungs­ge­richts­hof ange­ord­ne­ten Auf­lö­sung des Par­la­ments statt. Bei den Par­la­ments­wah­len erran­gen die isla­mi­sti­schen Grup­pen der Mus­lim­brü­der und der Sala­fi­sten rund 70 Pro­zent der Stim­men und Man­da­te. Unab­hän­gig vom Aus­gang die­ser Fra­ge gibt es einen wei­te­ren har­ten Kon­flikt rund um den Arti­kel 2 der neu­en Ver­fas­sung. Dar­in wol­len die Isla­mi­sten die Rol­le des isla­mi­schen Rechts fest­schrei­ben, ein zen­tra­les The­ma in einem Land, in dem die Isla­mi­sten durch den „ara­bi­schen Früh­ling“ über eine erdrücken­de Mehr­heit ver­fü­gen. Die christ­li­che Min­der­heit des Lan­des sieht im Umgang mit der Scha­ria den ent­schei­den­den Punkt, um zu erken­nen, wie­viel die Ver­si­che­run­gen der Mus­lim­brü­der wert sind. Die Bru­der­schaft hat­te den Chri­sten, allen vor­an den Kop­ten demon­stra­tiv und öffent­lich mehr­fach ver­si­chert, daß sie nichts zu fürch­ten hät­ten und ihre Rech­te in kei­ner Wei­se beschnit­ten würden.

Garantiert Staatspräsident und Muslimbruder Mursi die Sicherheit der Christen?

Wie­viel die­ses Wort zählt, ent­schei­det die Fra­ge der Scha­ria. Es geht dabei nicht um die Erwäh­nung des isla­mi­schen Rechts in der Ver­fas­sung. Das gab es bereits wäh­rend der Amts­zeit von Staats­prä­si­dent Muba­rak. Nie­mand gibt sich daher der Illu­si­on hin, daß aus­ge­rech­net die Isla­mi­sten die­se Erwäh­nung nun aus der Ver­fas­sung strei­chen wer­den. Arti­kel 2 der gel­ten­den Ver­fas­sung besagt, daß „der Islam Staats­re­li­gi­on ist, Ara­bisch Staats­spra­che und daß die Grund­sät­ze der Scha­ria die Haupt­quel­le der Rechts­ord­nung ist“. Für die Sala­fi­sten ist das noch zu vage. Statt eines „blo­ßen“ Hin­wei­ses auf die „Grund­sät­ze“ wol­len sie einen aus­drück­li­che­ren Ver­weis auf die Scha­ria mit den Wor­ten „Regeln der Scha­ria“. Eine Ände­rung, die nicht nur ein blo­ßes Wort­spiel wäre.

Scharia in der Verfassung für Kopten inakzeptabel

Gegen eine sol­che Ände­rung sprach sich Ahmad al-TayÄ«b, der Scheich der Al Azhar-Uni­ver­si­tät von Kai­ro aus. Sei­ner Ansicht nach soll­te der Arti­kel 2 unver­än­dert blei­ben. Ein Stand­punkt, der offen­bar dar­auf abzielt, wei­te­re Spal­tun­gen inner­halb der isla­mi­schen Gesell­schaft zu ver­mei­den, aber auch mit Blick auf die Schutz­be­dürf­tig­keit der christ­li­chen Min­der­heit des Lan­des, die immer­hin rund 12 Pro­zent der Bevöl­ke­rung ausmacht.

Salafisten drängen auf Verfassungsänderung mit Scharia

Die Sala­fi­sten reagier­ten mit wüten­der Kri­tik. Die Ver­tre­ter der Al-Nour-Par­tei attackier­ten auch die Ver­tre­ter der Mus­lim­brü­der, die den Scheich teil­wei­se ver­tei­dig­ten. Die Sala­fi­sten erin­ner­ten die Mus­lim­bru­der­schaft dar­an, daß Staats­prä­si­dent Mur­si auch dank ihrer Stim­men zum Staats­ober­haupt gewählt wurde.

Für die Kop­ten wäre eine Ände­rung der Ver­fas­sung zugun­sten einer wei­te­ren Ver­stär­kung der Scha­ria völ­lig inak­zep­ta­bel. Sie brach­ten einen eige­nen Ände­rungs­vor­schlag zum Arti­kel 2 ein. Damit möch­ten sie in der Ver­fas­sung ver­an­kern, daß Nicht-Mos­lems in den Berei­chen, die die Reli­gi­on betref­fen und den Sta­tus der Per­son nach ihren eige­nen reli­giö­sen Geset­zen leben können.

Mursi versprach vor der Wahl einen Christen zum Vizepräsidenten zu ernennen

Es gibt aber noch ein ande­res The­ma, bei dem die Sala­fi­sten gegen die Chri­sten auf die Bar­ri­ka­den stei­gen. Den Isla­mi­sten miß­fiel, daß sowohl der gewähl­te Staats­prä­si­dent Mur­si von den Mus­lim­brü­dern als auch sein lai­zi­sti­scher Gegen­kan­di­dat Shafiq im Prä­si­dent­schafts­wahl­kampf den Chri­sten ver­spra­chen, einen Chri­sten zum Vize­prä­si­den­ten zu ernen­nen. Sie ver­su­chen das Staats­ober­haupt und sein poli­ti­sches Umfeld unter Druck zu set­zen, die­ses Ver­spre­chen nicht zu hal­ten. Die Kop­ten ihrer­seits for­dern, daß der Vize­prä­si­dent nicht nur ein Fei­gen­blatt mit Ali­bi-Funk­ti­on wer­den soll, son­dern eine reprä­sen­ta­ti­ve Gestalt der christ­li­chen Gemein­schaft des Lan­des. Als mög­li­che Kan­di­da­ten für das Amt wer­den in der kop­ti­schen Gemein­schaft der ehe­ma­li­ge Tou­ris­mus­mi­ni­ster Abd Al-Nur und der Unter­neh­mer Hani Aziz genannt.

Auch in Tunesien wächst Druck, die Scharia in der Verfassung zu verankern

Nicht min­der bri­sant ist das The­ma Scha­ria im nahen Tune­si­en. Die isla­mi­sche Par­tei Ennha­da hat­te noch im März akzep­tiert, die Scha­ria nicht aus­drück­lich in der Ver­fas­sung zu erwäh­nen und den bis­her gel­ten­den Sta­tus Quo bei­zu­be­hal­ten. Radi­ka­le isla­mi­sti­sche Kräf­te üben ver­stärkt Druck auf Ennha­da aus, um die Par­tei zu einer Kurs­än­de­rung zu bewegen.

Text: Vati­can Insider/​Giuseppe Nardi
Bild: Vati­can Insider

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2 Kommentare

  1. Jeder, der sich den Isla­mi­sten wider­setzt, dürf­te in Kür­ze ein toter Mann sein.

    Mus­li­me sind sich selbst die größ­ten Feinde.
    Ein immer vor­han­de­ner „sprung­be­rei­ter“ Haß gegen jeden Ver­däch­tig-ten, ob Mos­lem, Jude oder Christ.

  2. Die Sala­mi-Tak­tik wird inner­halb von 5 Jah­ren zur Scha­riah und dem Ein­fluss Sau­di-Ara­bi­ens füh­ren. Es wird zeit den Sau­dis die Stirn zu zei­gen. Nicht nur über Al Nour und Ennad­ha in Ägyp­ten und Tune­si­en, son­dern vor allem in Syri­en ter­ro­ri­sie­ren sie die tole­ran­te Mehrheit.

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