(Berlin) Die „Öffnung“ von Kardinal Rainer Maria Woelki Richtung Homosexuellen oder zumindest „in fester Beziehung lebenden Homosexuellen“ ging inzwischen einmal um die Welt. Zumindest im Westen gibt es wohl kein Land, dessen Medien die „Sensation“ nicht wahrgenommen hätten. Da war gerade der Wirbel um die umstrittene Bestätigung eines homosexuellen Pfarrgemeinderats durch Wiens Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn abgeklungen, da sprang der Funken schon von Wien nach Berlin über. Besser gesagt funkte es am Katholikentag in Mannheim. Um genau zu sein, erfolgte Kardinal Schönborns „Präzisierung“ seiner Haltung, nicht zufällig in Rom, am selben Tag, als Kardinal Woelki in Mannheim „unpräzise“ formulierte. Mediale Böswilligkeit? Perfektes Timing? Eine Panne nach der anderen? Wer berät die Bischöfe eigentlich in Medienfragen?
Geschehen die Dinge so, weil man es so will? – Wer berät Bischöfe in Medienfragen?
Kardinal Schönborn präzisierte in Rom, daß sich an der Haltung der katholischen Kirche zur Homosexualität „nichts geändert“ habe und auch nichts ändern werde. Der Pressesprecher von Kardinal Woelki präzisierte ebenfalls umgehend, nachdem die Medien die „Öffnung“ posaunten.
Nun, die Richtigstellung von Woelkis Pressesprecher war wiederum so gehalten, daß sie einer „Präzisierung“ bedürfte. Man könnte zum Schluß kommen, daß die Dinge so geschehen, wie sie geschehen, weil man es so will.
„Wann lernen Bischöfe präzise zu sprechen?“
„Wann lernen die Bischöfe, so präzise zu sprechen, daß anschließend keine Präzisierungen notwendig sind?“, fragte mich ein empörter Freund, der nach der Präzisierung durch Kardinal Schönborn erleichtert war und im selben Moment durch Kardinal Woelki wieder aufgeschreckt wurde. Es war nicht das Thema, das ihn irritierte, sondern das Unverständnis dafür, daß die höchsten Vertreter der Kirche nördlich der Alpen nicht imstande scheinen, den Medien Rede und Antwort für ihren Glauben zu stehen. „Und zwar so, daß die Menschen dann wirklich wissen, was die Lehre der Kirche ist, und nicht die x‑te persönliche und zudem mißverstandene Meinung von Kardinal X oder Bischof Y oder Pfarrer Z!“
Was sollte ich sagen? Ich konnte nur beipflichten.
Wer ist für Medien interessant: Religionsdienstleister oder kantiger Glaubenszeuge?
Die katholische Glaubenslehre ist bestimmt komplex, aber ist sie wirklich so kompliziert, daß ihre höchsten Repräsentanten sie nicht auszudrücken wissen? Oder liegt es an ihrer Medienunerfahrenheit? Das kann man beheben. Und sollte es auch. Die Mediengesetze kämen der katholischen Kirche durchaus entgegen. Viele Journalisten mögen den Absolutheitsanspruch der Wahrheit nicht, sind ihm vielmehr feindlich gesonnen, aber er fasziniert sie. Das seichte Gesäusel von alle umarmenden Religionsdienstleistern interessiert die Medien nicht. Wer Kanten hat, und das haben für den derzeit herrschenden Zeitgeist, alle katholischen Bischöfe, Priester und Laien, der ist für sie spannend. Wer erinnert sich nicht daran, daß Erzbischof Dyba und Bischof Krenn „Medienlieblinge“ waren. Der frühere Weihbischof von Wien und spätere Bischof von Sankt Pölten war ein mediales Naturtalent. Die Medien kontrollierten nicht ihn, sondern er kontrollierte die Medien. Die Journalisten führten ihn nicht vor, sondern er übernahm die Zügel, sobald man ihm Sendezeit einräumte.
Die „heißen“ Eisen der Zeit lassen sich an zwei Händen abzählen. Zumindest zu diesen sollten die Bischöfe eine klare Sprache beherrschen mit Aussagen, die jederzeit, auch in unerwarteten Situationen abrufbar sind.
Situation für Kirche nicht neu – Erfahrungswerte nützen
Bleiben wir beim Thema Homosexualität. Sie betrifft zwar nur eine kleine Minderheit, scheint im medialen Resonanzkasten aber weltbewegend zu sein. Einige definierbare Kreise haben darin ein gesellschaftspolitisches Kampfthema erkannt. Es geht um die Durchsetzung einer Meinung und damit um Macht. Wer die öffentliche Meinung beherrscht, übt Macht über ein ganzes Land aus.
Die aktuelle Situation ist allerdings nicht neu. Die Kirche hat sie bereits in frühchristlicher Zeit erlebt und ist schon einmal siegreich daraus hervorgegangen. Warum nicht an dieses Wissen und diese Erfahrungswerte anknüpfen?
Wer weiß denn schon, was Bibel und Kirche zur Homosexualität wirklich sagen?
Warum lassen sich die Oberhirten die Themen diktieren? Warum drücken sie sich so mißverständlich aus, daß die Medien sie mißverstehen können? Bleiben wir bei den Beispielen der Kardinäle Schönborn und Woelki. In beiden Fällen wurde in Fülle über die katholische Kirche und die Homosexualität geschrieben. Wann aber wurde in diesem Zusammenhang präzise die Lehre der Kirche dargestellt? Denn was heißt denn letztlich: „An der Haltung der Kirche hat sich nichts geändert“, wenn die meisten Leute keine oder bestenfalls eine verkürzte oder arg verzerrte Ahnung davon haben, was die Haltung der Kirche überhaupt ist?!
Wie wäre es mit Katechesen zu den „heißen Eisen“ des Zeitgeistes?
Wenn die Medien solche Schwierigkeiten haben, die katholische Lehre verstehen oder zumindest richtig wiedergeben zu wollen, warum setzen die Hirten, setzt ein Erzbischof von Wien oder ein Erzbischof von Berlin nicht von sich aus einen Schritt, um es ihnen, dem gläubigen Volk und allen Menschen zu erklären? Er muß dazu keine Pressekonferenz einberufen. Er könnte aber viel passender die Abhaltung einer Katechese in der Kathedralkirche seiner Diözese oder sei es auch in irgendeinem Saal ankündigen und dort präzise die Lehre der Kirche verkünden. Das wäre in der Tat innovativ, eindeutig, angebracht.
Noch haben die Bischöfe zum Beispiel Zugang zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Sie sollten diese Möglichkeit nicht für Allerweltsgerede verplempern, um zu harmlosen Tagesthemen zu sagen, was ohnehin alle sagen, sondern die Sendezeiten nützen, um „das ganz Andere“ sichtbar zu machen, mit der größten Provokation, die das menschliche Dasein ein Leben lang herausfordert, mit Jesus Christus.
Bild: donfigliuzzi