Benedikt XVI. fordert eucharistische Anbetung – „Einseitige Lesart des Konzils“ schuld an deren Vertrocknen


(Vati­kan) Am ver­gan­ge­nen Don­ners­tag, dem Fron­leich­nams­fest hielt Papst Bene­dikt XVI. eine bedeu­ten­de Pre­digt. Er sag­te, daß wir heu­te eine Form von geist­li­cher Not durch­le­ben, die auch durch eine „ein­sei­ti­ge Sicht­wei­se des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils“ begün­stigt wur­de. Er erin­ner­te dar­an, daß „das Hei­li­ge eine erzie­he­ri­sche Funk­ti­on hat und daß sein Ver­schwin­den unver­meid­lich auch die Kul­tur ver­ar­men lässt, beson­ders bei der Her­an­bil­dung der neu­en Gene­ra­tio­nen“. Bene­dikt stell­te „zwei mit­ein­an­der ver­bun­de­ne Aspek­te des eucha­ri­sti­schen Geheim­nis­ses“ in den Mit­tel­punkt sei­ner Aus­füh­run­gen: die „eucha­ri­sti­sche Ver­eh­rung und sei­ne Sakra­li­tät. Es ist wich­tig, die­se bei­den Aspek­te zu über­den­ken, um sie vor einem unvoll­stän­di­gen Ver­ständ­nis des eigent­li­chen Myste­ri­ums zu bewah­ren, so wie es in letz­ter Zeit beob­ach­tet wer­den konnte.“

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Umso­mehr müs­se man dar­über wachen, daß sie nicht ihren hei­li­gen Cha­rak­ter ver­lie­ren. Zur  „Sakra­li­tät der Eucha­ri­stie“ führ­te Bene­dikt XVI. aus: „Auch hier haben wir in jüng­ster Ver­gan­gen­heit ein gewis­se Fehl­deu­tung der authen­ti­schen Bot­schaft der Hei­li­gen Schrift erlebt. Die Neu­heit des Chri­sten­tums bezüg­lich der kul­ti­schen Ver­eh­rung ist beein­flusst wor­den von einer gewis­sen ver­welt­lich­ten Men­ta­li­tät der sech­zi­ger und sieb­zi­ger Jah­re des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts. Es ist wahr und es wird immer wahr blei­ben, daß die Mit­te des Kul­tes nicht mehr die Riten und die Opfer der Vor­zeit sind, son­dern Chri­stus selbst, mit sei­ner Per­son, mit sei­nem Leben, mit sei­nem öster­li­chen Geheim­nis. Gleich­wohl darf man von die­ser fun­da­men­ta­len Neu­heit nicht schlie­ßen, daß es das Hei­li­ge nicht mehr gibt, son­dern daß es sei­ne Erfül­lung in Chri­stus gefun­den hat, der fleisch­ge­wor­de­nen gött­li­chen Lie­be. Der Brief an die Hebrä­er, den wir heu­te Abend in der zwei­ten Lesung gehört haben, spricht zu uns von eben die­ser Neu­heit des Prie­ster­tums Chri­sti, des »Hohen­prie­sters der künf­ti­gen Güter« (Hebr 9,11), aber er sagt nicht, daß das Prie­ster­tum zu Ende wäre. Chri­stus ist »Mitt­ler eines neu­en Bundes«(Hebr 9,15), geschlos­sen in sei­nem Blut, das „unser Gewis­sen von toten Wer­ken rei­nigt“ (Hebr 9,14). Er hat den das Hei­li­ge nicht abge­schafft, son­dern er hat es zur Voll­endung geführt und einen neu­en Kult errich­tet, der voll­ends geist­lich ist, der sich aber den­noch der Zei­chen und Riten bedient, solan­ge wir noch unter­wegs sind in der Zeit, und der erst an eine Ende kom­men wird im himm­li­schen Jeru­sa­lem, wo es kei­nen Tem­pel mehr geben wird (vgl. Offb 21,22). Chri­stus sei Dank ist die Sakra­li­tät wah­rer, inten­si­ver und – wie bei den Gebo­ten – auch for­dern­der! Es reicht nicht, die Riten zu beach­ten, son­dern es ist eine Rei­ni­gung des Her­zens nötig und die Mit­ein­be­zie­hung des gan­zen Lebens.“

Bene­dikt XVI, kri­ti­sier­te, daß an vie­len Orten die eucha­ri­sti­sche Anbe­tung auf­ge­ge­ben wor­den sei. „Eine ein­sei­ti­ge Inter­pre­ta­ti­on des II. Vati­ka­ni­schen Kon­zils hat die Dimen­si­on der Ver­eh­rung ver­nach­läs­sigt und die Eucha­ri­stie prak­tisch auf den eigent­li­chen Voll­zug in der Fei­er reduziert.“

„Tat­säch­lich ist es sehr wich­tig gewe­sen, die Zen­tra­li­tät des Voll­zugs der Fei­er anzu­er­ken­nen. […] Die­se Wert­schät­zung der lit­ur­gi­schen Fei­er­ge­mein­schaft, in der der Herr wirkt und sein Geheim­nis der Gemein­schaft ver­wirk­licht, bleibt natür­lich gül­tig, aber sie muß wie­der in das rech­te Gleich­ge­wicht gerückt wer­den. Denn um einen Aspekt zu beto­nen wird – wie so oft – ein ande­rer auf­ge­ge­ben.“  […] In die­sem Fall ist die Beto­nung des Fei­er­voll­zugs der Eucha­ri­stie auf Kosten der Anbe­tung gegan­gen, die ein Akt des Glau­bens ist und ein Akt des Gebets zum Herrn Jesus, der wirk­lich gegen­wär­tig ist im Sakra­ment des Altars.“

„Die­ses Ungleich­ge­wicht hat auch Rück­wir­kun­gen auf das geist­li­che Leben der Gläu­bi­gen. Indem die gan­ze Bezie­hung mit dem eucha­ri­sti­schen Jesus allein auf den Augen­blick der Hei­li­gen Mes­se kon­zen­triert wur­de, ris­kiert man die rest­li­che Zeit und die exi­sten­zi­el­len Räu­me sei­ner Gegen­wart zu ent­lee­ren. Und so nimmt man weni­ger die stän­di­ge Gegen­wart Jesu mit­ten unter uns und mit uns wahr, eine kon­kre­te, nahe Prä­senz, in unsern Häu­sern, als »pul­sie­ren­des Herz« der Stadt, des Lan­des, der Regi­on mit ihren ver­schie­de­nen Voll­zü­gen und Akti­vi­tä­ten. Das Sakra­ment der Lie­be Chri­sti muß unser gan­zes Leben durchdringen.“

Papst Bene­dikt XVI. setz­te mit die­ser Pre­digt einen wei­te­ren Schritt in sei­nem Reform­werk zur Erneue­rung der Kir­che. Bereits beim Welt­ju­gend­tag in Madrid 2010 führ­te er wäh­rend der Vigil am Sams­tag abend einen Moment der eucha­ri­sti­schen Anbe­tung ein und lud zwei Mil­lio­nen Jugend­li­che auf dem rie­si­gen Welt­ju­gend­tags­ge­län­de am Ran­de der spa­ni­schen Haupt­stadt ein, sich vor dem eucha­ri­sti­schen Herrn nie­der­zu­knien und ihn anzu­be­ten. Zwei Mil­lio­nen Jugend­li­chen aus aller Welt folg­ten der Ein­la­dung des Pap­stes mit bewun­derns­wer­ter Disziplin.

Im Zuge der sich durch Papst Bene­dikt XVI. durch­set­zen­den neu­en Inter­pre­ta­ti­on des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils, die es nicht mehr los­ge­löst und iso­liert von der Kir­chen­ge­schich­te betrach­tet, son­dern ein­ge­bet­tet in die Kon­ti­nui­tät von 2000 Jah­ren, erin­ner­te der Vati­ka­nist Andrea Tor­ni­el­li an eine Enzy­kli­ka Papst Pauls VI. Die­ser Kon­zils­papst, der das Kon­zil zu Ende führ­te und sich dann inmit­ten des nach­kon­zi­lia­ren Sturms wie­der­fand, ver­spür­te die Not­wen­dig­keit im Sep­tem­ber 1965 die Enzy­kli­ka Myste­ri­um Fidei zu ver­öf­fent­li­chen, die zur Gän­ze der Eucha­ri­stie und dem unun­ter­bro­che­nen Glau­ben der Kir­che an die Real­prä­senz Chri­sti in Fleisch und Blut durch die Tran­sub­stan­tia­ti­on von Brot und Wein gewid­met ist.

Paul VI. schrieb dar­in: „Ihr wißt auch, ehr­wür­di­ge Brü­der, daß die hei­li­ge Eucha­ri­stie in Kir­chen und Ora­to­ri­en auf­be­wahrt wird als geist­li­cher Mit­tel­punkt einer Ordens­ge­mein­schaft oder Pfarr­ge­mein­de, ja der gesam­ten Kir­che und der gan­zen Mensch­heit, da sie unter dem Schlei­er der Gestal­ten Chri­stus, das unsicht­ba­re Haupt der Kir­che, den Erlö­ser der Welt, den Mit­tel­punkt aller Her­zen ent­hält, »durch den alles ist und durch den wir sind«.“

Papst Bene­dikt XVI. blickt in sei­nem Reform­werk nicht in fal­scher Nost­al­gie zurück auf eine vor­kon­zi­lia­re Zeit, son­dern kor­ri­giert Zwei­deu­tig­kei­ten an eini­gen Stel­len der Kon­zils­do­ku­men­te und befreit die Kir­che von Fehl­in­ter­pre­ta­tio­nen der Nach­kon­zils­zeit. Dazu gehört vor allem das unver­stan­de­ne und oft igno­rier­te Lehr­amt der Päp­ste in der Nach­kon­zils­zeit, das zudem in bestimm­ten Fäl­len von man­chen sogar offen ver­ra­ten wurde.

Text: Sacri Palazzi/​Giuseppe Nardi
Bild: La Vigna del Signore

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3 Kommentare

  1. Ist es wirk­lich nur die „ein­sei­ti­ge Les­art“? Gern wür­de ich in den ver­schie­de­nen Kon­zils­do­ku­men­ten Hin­wei­se auf die eucha­ri­sti­sche Anbe­tung fin­den, hin­zu­zu­fü­gen wäre die Herz-Jesu-Ver­eh­rung, vom Kost­ba­ren Blut ganz zu schweigen.
    Alles, was „zu katho­lisch“ ist, wur­de bereits wäh­rend des II. Vati­ka­nums auf dem Altar der Öku­me­ne geop­fert. Wem das zu pole­misch klingt, der möge bit­te selbst nach­le­sen, wie oft in den Kon­zils­tex­ten die Rück­sicht auf die „getrenn­ten Brü­der“ gefor­dert wird. Wir tan­zen noch immer nach der „öku­me­ni­si­chen Pfei­fe“ von Augu­stin Kar­di­nal Bea, gebo­ren irgend­wann im letz­ten Drit­tel des 19.Jahrhunderts, einer der ein­fluss­reich­sten Gestal­ten die­ses Kon­zils. Für die eucha­ri­sti­sche Anbe­tung war da kein Platz. Die Pro­te­stan­ti­sie­rung und die blin­de Fort­schritts­gläu­big­keit began­nen wäh­rend des Kon­zils. Die ent­setz­lich bana­li­sie­ren­de nach­kon­zi­lia­re Pra­xis, die aller­dings unzu­läs­sig über das Kon­zil hin­aus­geht, hat ihre Wur­zeln. im Kon­zil. Leider!

  2. Nach­trag:
    Zu erwäh­nen ist in die­sem Zusam­men­hang die Mes­se Papst Paul VI.. Wenn das Volk Got­tes, in dem Jesus nun beson­ders gegen­wär­tig ist, so im Mit­tel­punkt steht wie in der neu­en Mes­se mit ihrem Volks­al­tar, der Hin­wen­dung des Prie­sters, Lei­ters der Ver­samm­lung des „hei­li­gen Vol­kes“, zu eben die­sem Volk, wel­chen Platz kann die eucha­ri­sti­sche Anbe­tung noch haben?
    Auf jeden Fall ist dem Hei­li­gen Vater sehr zu dan­ken, dass er nicht nur zen­tra­len Pro­ble­me anspricht, son­dern auch der Tra­di­ti­on wie­der die Tür geöff­net hat und hof­fent­lich noch wei­ter öff­nen wird… Womit er sich nicht nur Freun­de macht in der Kirche.

  3. Liebe/​r cuppa

    ich möch­te Sie dar­auf auf­merk­sam machen, daß die Zuge­ständ­nis­se an die Pro­te­stan­ten nicht öku­me­ni­scher, son­dern öku­me­ni­sti­scher Art sind. Es ist ein him­mel­wei­ter Unter­schied, ob ich Glau­bens­gut preis­ge­be oder mit den Anders­gläu­bi­gen einen kari­ta­ti­ven Dienst organisiere.

    Ich habe vie­le Spu­ren gefun­den, die ahnen las­sen, daß die nach­kon­zi­lia­re Ent­wick­lung eine lan­ge Vor­lauf-Pha­se auf­weist. So könn­te man fast sagen, daß 1965 die Fort­set­zung von 1517 darstellt.

    Mein Fazit: Die Bischö­fe zogen in das Kon­zil ein, san­gen „Veni crea­tor spi­ri­tus“ und began­nen dann ihre Ideen durchzusetzen.

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