Koscheres Internet? – Ultraorthodoxer Protest gegen Internet im Mets-Stadion


(New York) Nach wie vor ent­flammt Inter­net die Gemü­ter. Fast alle nüt­zen es, doch über sei­ne Bedeu­tung, sei­nen Nut­zen und Ein­fluß gehen die Mei­nun­gen aus­ein­an­der. Ent­zün­det das Welt­netz Revo­lu­tio­nen? Läßt es Wah­len gewin­nen? Macht es uns klü­ger oder läßt es uns ver­dum­men? Berei­chert es die zwi­schen­mensch­li­chen Bezie­hun­gen oder läßt es sie ver­küm­mern? Ist es ein Ver­bün­de­ter der Demo­kra­tie oder bestimm­ter Ideen? Ist es ein Instru­ment der Befrei­ung oder der Unter­drückung in der Hand Mäch­ti­ger? Soll es frei sein oder einer Kon­trol­le unterliegen?

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Das ist aller­dings nicht die eigent­li­che Fra­ge, der der Vati­ka­nist Pao­lo Roda­ri nach­ging. Er berich­tet in sei­nem jüng­sten Arti­kel über eine für euro­päi­sche Augen unge­wöhn­li­che Ver­an­stal­tung. Bes­ser gesagt eine Groß­ver­an­stal­tung. Im New Yor­ker Mets-Sta­di­on im Stadt­teil Queens ver­sam­mel­ten sich am ver­gan­ge­nen Sonn­tag 40.000 Män­ner in schwar­zen Anzü­gen. Wei­te­re 20.000 befan­den sich in einem dane­ben­lie­gen­den Stadion.

Die­se 60.000 Män­ner im wei­ßen Hemd, schwar­zem Anzug und mit Bart hat­ten sich ver­sam­melt um einer Fra­ge nach­zu­ge­hen: Ist Inter­net koscher? Der sug­ge­sti­ve Anblick zeig­te ein Meer von Schwar­zen Hüten, Scht­rei­mels, Kip­pas und Peots, die einen Raum besetz­ten, in dem nor­ma­ler Sport­ver­an­stal­tun­gen statt­fin­den. Dis­ku­tiert wur­de über Ver­hält­nis von Inter­net und ortho­do­xem Juden­tum. Ein Ver­hält­nis, das immer häu­fig zum Kon­flikt­punkt wird. Und das auch in einer Stadt wie New York, zu der Inter­net fast wie die Luft zum Atmen gehört, in der die ortho­do­xen Juden zah­len­mä­ßig jedoch stark ver­tre­ten sind.

Für eini­ge ultra­or­tho­do­xe Gemein­den, vor allem unter den Hare­dim und den Chas­si­dim gilt das Inter­net als Instru­ment, die schlimm­sten mensch­li­chen Schänd­lich­kei­ten zu ver­brei­ten, die Laster zu för­dern, vom Gebet abzu­len­ken und selbst die Frömm­sten in Ver­su­chung zu füh­ren. Natür­lich ist nicht das Netz an sich das Pro­blem. Es sind die Inhal­te, die es mit ver­ant­wor­tungs­lo­ser Leich­tig­keit zugäng­lich macht. Um die skan­da­lö­sen Bot­schaf­ten unschäd­lich zu machen, von der Por­no­gra­phie bis zu den Ablen­kun­gen der Social Net­works, gibt es nur ein effi­zi­en­tes Mit­tel: Die Ursa­che muß getilgt oder zumin­dest ein­ge­schränkt wer­den, so die Forderung.

Die Rab­bi­nen­grup­pe Ichud Hakeh­il­los Letoh­ar Hama­ch­a­ne, die mit Fir­men ver­bun­den ist, die Fil­ter ver­kau­fen, um das Welt­netz koscher zu machen, hat rund 1,5 Mil­lio­nen Dol­lar zur Durch­füh­rung der Mas­sen­kund­ge­bung in Queens inve­stiert. Ziel der Kund­ge­bung war es, die ortho­do­xen Gemein­schaf­ten für die Schä­den zu sen­si­bi­li­sie­ren, die Inter­net im per­sön­li­chen und sozia­len Leben ortho­do­xer Juden anrich­ten kann. Mit einen Schuß Iro­nie ver­kauf­ten die Ver­an­stal­ter, die natür­lich kei­ne eige­ne Inter­net­sei­te haben, die Ein­tritts­kar­ten aus­schließ­lich online.

Was in den bei­den Sta­di­en fehl­te, war die weib­li­che Prä­senz. Die Teil­nah­me von Frau­en war gemäß ortho­do­xen Vor­stel­lun­gen kate­go­risch aus­ge­schlos­sen. Nur Män­ner durf­ten Ein­tritts­kar­ten erwer­ben. Die Frau­en konn­ten der Ver­an­stal­tung zu Hau­se an den Bild­schir­men folgen.

Eytan Kob­re, der Spre­cher der Kund­ge­bung sag­te, daß es nicht das Ziel der jüdi­schen Anti-Netz-Bewe­gung sei, Inter­net zu äch­ten. Das sei ohne­hin unmög­lich. Ziel sei es, auf­zu­klä­ren, wie schäd­lich die Kol­la­te­ral­schä­den des Welt­net­zes sei­en, in denen man alles und sofort fin­det. „Inter­net bedroht in vie­ler­lei Hin­sicht unser Leben“, so Kob­re, der damit die Bot­schaft wie­der­hol­te, mit der die Rab­bi­nen zur Ver­samm­lung gela­den hat­ten: „Es ist bekannt, daß Inter­net ern­ste Pro­ble­me in den Fami­li­en ver­ur­sacht hat.“

Im Citi Field von New York war auch eine ortho­do­xe Grup­pe anwe­send, die ande­rer Mei­nung ist. Mit dem Spruch­band „Inter­net ist nicht das Pro­blem“ erklär­te die­se inner­o­tho­do­xe Grup­pe den Teil­neh­mern, daß die Anti-Inter­net-Bewe­gung nur die ande­re Sei­te der Medail­le eines Kli­mas der Ver­tu­schung sei, mit dem pädo­phi­ler Miß­brauch in der Gemein­schaft von Brook­lyn jah­re­lang gedeckt wor­den sei.

In den ver­gan­ge­nen Mona­ten haben Eltern meh­re­re Jugend­li­cher sexu­el­len Miß­brauch durch bekann­te und ange­se­he­ne Mit­glie­der der Gemein­schaft zur Anzei­ge gebracht. Der Skan­dal löste Reak­tio­nen auf Sei­ten der säku­la­ri­sier­ten jüdi­schen Gesell­schaft aus. Gleich­zei­tig wur­den jene, die das Schwei­gen bra­chen, bedroht und sahen sich wach­sen­dem Druck aus­ge­setzt. Meh­re­re Rab­bi­nen, die am Sonn­tag im Mets-Sta­di­on waren, erklär­ten gegen­über der Pres­se, aller­dings alle anonym, daß die Gegen­de­mon­stran­ten nicht völ­lig unrecht hät­ten, wenn sie das Feh­len von Trans­pa­renz und den Man­gel an Zusam­men­ar­beit mit den Ermitt­lungs­be­hör­den anpran­gern. „Inter­net ist nicht das Pro­blem“, lau­tet die Ant­wort der inner­or­tho­do­xen Oppo­si­ti­on an jene, die behaup­ten, daß die Online-Kom­mu­ni­ka­ti­on nicht koscher ist.

Text: Palaz­zo Apostolico/​Giuseppe Nardi
Bild: Palaz­zo Apostolico

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