„Gleichwertige Kanonisierung“ auch für die Märtyrer der Französischen Revolution?


(Rom/​Paris) Papst Bene­dikt XVI. griff bei der nun erfolg­ten, nach­ho­len­den Hei­lig­spre­chung der deut­schen Mysti­ke­rin und Bene­dik­ti­ne­rin Hil­de­gard von Bin­gen auf die alte Form einer „gleich­wer­ti­gen Kano­ni­sie­rung“ zurück. Die­se Form wur­de in der ersten Hälf­te des 17. Jahr­hun­derts unter Papst Urban VIII. ent­wickelt und unter Papst Bene­dikt XIV. weiterentwickelt.

Gleichwertige Kanonisierung zuletzt von Johannes XXIII. angewandt

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Die „gleich­wer­ti­ge Kano­ni­sie­rung“ ent­spricht der Form nach nicht einer Hei­lig­spre­chung, hat aber den­sel­ben Stel­len­wert. Die Kir­che stellt damit fest, daß ein bestimm­ter Mensch zu den Altä­ren erho­ben wird, das heißt Ein­gang ins Para­dies mit der ewi­gen Anschau­ung Got­tes gefun­den hat. Die­se beson­de­re Form der Kano­ni­sie­rung betrifft Per­so­nen, die von alters her von den Gläu­bi­gen und der Kir­che als Hei­li­ge ver­ehrt wer­den, ohne daß das juri­sti­sche Kano­ni­sie­rungs­ver­fah­ren durch­ge­führt oder abge­schlos­sen wur­de. Man­che die­ser nie offi­zi­ell kano­ni­sier­ten Hei­li­gen wer­den seit lan­gem im Mar­ty­ro­lo­gi­um der Kir­che geführt.

Bene­dikt XIV. defi­nier­te noch vor sei­ner Wahl zum Papst in dem Werk Ser­vor­um Dei bea­ti­fi­ca­zio­ne et de Bea­torum cano­nizatio­ne über die „gleich­wer­ti­ge Kano­ni­sie­rung“, daß die­se dann zur Anwen­dung kommt, wenn der Papst die Ver­eh­rung eines noch nicht kano­ni­sier­ten Die­ners Got­tes für die gesam­te Kir­che erlaubt, indem er des­sen Gedenk­tag, als Fest in den All­ge­mein Römi­schen Kalen­der der Welt­kir­che mit eige­nem Meß­for­mu­lar einfügt.

Die „gleich­wer­ti­ge Kano­ni­sie­rung“ ent­spricht einer defi­ni­ti­ven Ent­schei­dung des Pap­stes über den Stand
der Hei­lig­keit. Die Kano­ni­sie­rung erfolgt in die­sem Fall aller­dings durch ein für die gesam­te Kir­che ver­bind­li­che Dekret, den ent­spre­chen­der Die­ner oder Die­ne­rin Got­tes mit der den Hei­li­gen vor­be­hal­ten­den Form zu verehren.

Zahlreiche bekannte Heilige auf diese Weise kanonisiert

Nicht nur die Hei­li­ge Hil­de­gard von Bin­gen wur­de auf die­se Wei­se kano­ni­siert, son­dern auch ande­re bekann­te Hei­li­ge, dar­un­ter auch meh­re­re Deut­sche, so die Mysti­ke­rin Ger­traud von Helfta, Nor­bert von Xan­ten, der Grün­der des Prä­mon­stra­ten­ser­or­dens, Bru­no von Köln, der Grün­der des Kart­häu­ser­or­dens, aber auch Köni­gin Mar­ga­re­te von Schott­land, König Ste­fan von Ungarn oder Wen­zel von Böh­men, Romu­ald, der Grün­der des Kamald­u­len­ser­or­dens, Petrus Nolas­cus, der Grün­der des Mer­ce­da­rie­r­or­dens, der Mer­ce­da­ri­er Rai­mund Non­na­tus und auch der gro­ße Kir­chen­re­for­mer Papst Gre­gor VII.

Die Form der gleich­wer­ti­gen Kano­ni­sie­rung wur­de zuletzt 1960 vom Seli­gen Papst Johan­nes XXIII. ver­wen­det, der den Bischof und Kar­di­nal Gre­go­rio Bar­ba­ri­go heiligsprach.

Seligsprechungen von Märtyrern der Französischen Revolution

Die Selig­spre­chun­gen der Mär­ty­rer Mar­gue­ri­te Rut­an (2011) und Pierre-Adri­en Toul­or­ge (2012), die bei­de in Odi­um fidei (aus Haß gegen die Reli­gi­on) Opfer der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on wur­den, brach­te Kano­ni­sie­rungs­ver­fah­ren zu einem ersten Abschluß, die aus Anlaß des 200. Jah­res­ta­ges der kir­chen­feind­li­chen Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on wie­der auf­ge­nom­men wor­den waren. Ihr Mar­ty­ri­um gilt als beson­ders star­ker Aus­druck der Treue zum Glau­ben, zu Papst und Kir­che. Ein Vor­bild, das in kirch­li­chen Krei­sen als Gegen­mit­tel zum sich aus­brei­ten­den Rela­ti­vis­mus gese­hen wird.

Martyrium von Ludwig XVI. in odium fidei bereit 1793 anerkannt

Aus der gro­ßen Schar der Revo­lu­ti­ons­op­fer wur­de bis­her noch nie­mand hei­lig­ge­spro­chen. Die Wie­der­be­le­gung der gleich­wer­ti­gen Kano­ni­sie­rung durch Papst Bene­dikt XVI. löste in Frank­reich den Wunsch aus, den 1793 unter der Guil­lo­ti­ne ent­haup­te­ten König Lud­wig XVI. von Frank­reich zu kano­ni­sie­ren. Papst Pius VI. erkann­te mit dem Schrei­ben Qua­re lacry­mae bereits 1793 das Mar­ty­ri­um in odi­um fidei des Mon­ar­chen und sei­ner Fami­lie an. Mit dem König waren auch des­sen Frau Köni­gin Marie Antoi­net­te aus dem Haus Habs­burg, einer Toch­ter des römisch-deut­schen Kai­sers Franz II. und Kai­se­rin Maria The­re­sia, und ihr erst 10 Jah­re alte Sohn Lud­wig XVII., der 1795 im Gefäng­nis starb.

Märtyrer der Revolution als Vorbilder der Treue zu Glauben und Kirche

Ins­ge­samt wer­den neben der Königs­fa­mi­lie wei­te­re 440 Mär­ty­rer der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on bereits als Seli­ge ver­ehrt. Das sind The­re­se de Saint Augu­sti­ne und 15 Gefähr­tin­nen des Kar­mels von Com­pie­gne; Marie Made­lei­ne Fon­taine und drei Gefähr­tin­nen (Barm­her­zi­ge Schwe­stern von Arras), Clotil­de Pail­lot und 10 Gefähr­tin­nen (Ursu­li­nen von Valen­ci­en­nes), Iphi­gé­nie de Saint-Mat­thieu und 31 Gefähr­tin­nen (Mär­ty­re­rin­nen von Oran­ge), Jean-Marie du Lau D’Al­le­man und 190 Gefähr­ten (Mär­ty­rer der Sep­tem­ber­massa­ker von 1792) , Pierre Rene Rogue (Laza­rist), Jean Bap­ti­ste Tur­pin und 18 Gefähr­ten (Mär­ty­rer von Laval, meist Prie­ster und eini­ge Ordens­frau­en), Noà«l Pinot und Guil­laume Repin und 98 Gefähr­ten (Mär­ty­rer von Angers, Frau­en, Män­ner, Kin­der), Jean Bap­ti­ste Sou­zy und 63 Gefähr­ten (Mär­ty­rer von Roche­fort und La Rochel­le) und die bereits genann­ten Mar­gue­ri­te Rut­an und Pierre-Adri­en Toulorge.

Gegenmittel zum Relativismus?

„Die Mär­ty­rer Lud­wig XVI. und sei­ne 444 Gefähr­ten, Prie­ster, Ordens­frau­en, Män­ner, Frau­en und Kin­der, könn­ten mäch­ti­ge Für­spre­cher im Him­mel gegen den Rela­ti­vis­mus unse­rer Zeit sein, der die Gesell­schaft durch­drun­gen hat“, schreibt die Inter­net­sei­te Mes­sa in Latino.

Nicht zu ver­ges­sen sind auch die ande­ren Die­ner Got­tes, die zur Zeit der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on leb­ten und deren Selig­spre­chungs­ver­fah­ren vor lan­gem ein­ge­lei­tet wor­den war. Dazu gehö­ren auch die Mär­ty­rer der Ven­dée unter Jac­ques Cathe­li­neau, dem „Hei­li­gen von Anjou“, dem Kar­di­nal Paul Pou­pard, damals Prä­si­dent des Päpst­li­chen Kul­tur­rats, zum 200. Todes­tag 1993 eine bemer­kens­wer­te Gedenk­pre­digt widmete.

Text: Mes­sa in Latino/​Giuseppe Nardi
Bild: Eric Pouhier/​Wikimedia

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