Papst warnt: Religionsfreiheit in den USA bedroht – Der Schatten der Präsidentschaftswahlen


(Vatikan/​Washington) Die Frei­heit der Kir­che, ihre Stim­me in der öffent­li­chen Dis­kus­si­on der USA zu erhe­ben, ist bedroht. Das ist der Alarm­ruf von Papst Bene­dikt XVI., als er eine Grup­pe ame­ri­ka­ni­scher Bischö­fe zum Ad-limi­na-Besuch im Vati­kan empfing.

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Die­se Alarm­glocke ertönt inmit­ten einer hart geführ­ten Kam­pa­gne um die Ent­schei­dung, wer als repu­bli­ka­ni­scher Kan­di­dat im Novem­ber den amtie­ren­den Prä­si­den­ten Barack Oba­ma her­aus­for­dern wird.

Der Papst sprach mit jenen Bischö­fen, deren Bischofs­sit­ze sich im Her­zen der ame­ri­ka­ni­schen Macht befin­den. Im Vati­kan anwe­send waren Kar­di­nal Donald Wuerl, der Erz­bi­schof von Washing­ton, Erz­bi­schof Edwin Fre­de­rick O’Brien, Apo­sto­li­scher Admi­ni­stra­tor der Erz­diö­ze­se Bal­ti­more, des älte­sten Bis­tums der USA, mit dem Vor­rang wenn auch nicht dem Titel eines Pri­mas sowie die Mili­tär­bi­schö­fe, die für die geist­li­che Betreu­ung der US-Trup­pen auf der gan­zen Welt zustän­dig sind.

Bene­dikt XVI. äußer­te sich besorgt über die Lage der Reli­gi­ons­frei­heit in den USA, die eigent­lich von den Ame­ri­ka­nern als die kost­bar­ste aller Frei­hei­ten geach­tet wird. Der Papst beton­te, daß die­se Frei­heit auf einem grund­sätz­li­chen Kon­sens in der Gesell­schaft beruht, was gut und rich­tig sei.

„Die­ser Kon­sens hat sich heu­te ange­sichts neu­er und mäch­ti­ger kul­tu­rel­ler Strö­mun­gen signi­fi­kant redu­ziert, die nicht nur in direk­tem Wider­spruch zu zahl­rei­chen zen­tra­len Moral­leh­ren der jüdisch-christ­li­chen Tra­di­ti­on ste­hen, son­dern dem Chri­sten­tum als sol­chem gegen­über immer feind­li­cher auf­tre­ten“, so Papst Bene­dikt XVI.

Es gibt, so der Papst, Kräf­te, die im Namen der „Wis­sen­schaft“ und der „poli­ti­schen Macht und der Herr­schaft einer Mehr­heit“ das Recht der Kir­che ein­schrän­ken wol­len, der Gesell­schaft ihre „unver­än­der­li­che mora­li­sche Wahr­heit“ zu verkünden.

Für den Papst han­delt es sich dabei nicht nur um eine Bedro­hung des christ­li­chen Glau­bens. Viel­mehr sei die „Mensch­heit selbst“ in Fra­ge gestellt. Wenn man „ver­sucht, die Dimen­si­on des letz­ten Geheim­nis­ses zu unter­drücken“, besteht die Gefahr, einer „reduk­tio­ni­sti­schen und tota­li­tä­ren Sicht der mensch­li­chen Per­son und der Natur der Gesell­schaft“ zu verfallen.

Auch die ame­ri­ka­ni­schen Bischö­fe sind über die Lage der Reli­gi­ons­frei­heit ernst­haft besorgt. Die Bischofs­kon­fe­renz schuf des­halb vor kur­zem eine eige­ne Kom­mis­si­on. Im Sep­tem­ber 2011 warn­te der Vor­sit­zen­de der Kon­fe­renz, Erz­bi­schof Timo­thy Dolan, sei­ne Mit­brü­der, daß die Reli­gi­ons­frei­heit in den USA „einen Angriff ohne glei­chen“ erlebt.

Wie gefähr­lich die Bischö­fe die Ent­wick­lung ein­schät­zen zeigt auch, daß die Reli­gi­ons­frei­heit das zen­tra­le The­ma der Herbst­kon­fe­renz der Bischö­fe im ver­gan­ge­nen Novem­ber war und nicht die zen­tra­len Wahl­kampf­the­men des Vor­wahl­kamp­fes und der bevor­ste­hen­den Präsidentschaftswahlen.

Die Grün­de für die Sor­ge der Bischö­fe sind zahl­reich, ange­fan­gen bei den Nach­we­hen des noch fri­schen Kamp­fes rund um die Gesund­heits­re­form von Prä­si­dent Oba­ma. Der katho­li­sche Teil der USA spal­te­te sich dabei in zwei Grup­pen. Auf der einen Sei­te die Bischö­fe, die strikt gegen die Ein­füh­rung einer Kran­ken­ver­si­che­rungs­pflicht ein­tra­ten, auf der ande­ren Sei­te katho­li­sche Kran­ken­häu­ser und Gesund­heits­ein­rich­tun­gen, die dafür waren.

Nun befin­den sich, wie die Bischö­fe vor­her­ge­sagt hat­ten, auch die „libe­ra­len“ Katho­li­ken in Schwie­rig­kei­ten, die die Reform der Demo­kra­ten unter­stützt hat­ten. Sie ste­hen nun vor der Pflicht, die ihnen die Reform auf­zwingt, Kran­ken­ver­si­che­run­gen akzep­tie­ren zu müs­sen, die auch „nicht katho­li­sche“ Dienst­lei­stun­gen abdecken, wie künst­li­che Ver­hü­tungs­mit­tel, die Pil­le danach, die Tötungs­pil­le oder die Abtreibung.

Doch die Streit­punk­te sind zahl­reich. Da sind die katho­li­schen Sozi­al- und Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen, die in zahl­rei­chen Bun­des­staa­ten die öffent­li­che Finan­zie­rung ver­lo­ren haben, weil sie sich wei­ger­ten, homo­se­xu­el­le Paa­re für die Adop­ti­on von Kin­dern zu akzep­tie­ren. Da sind Geset­ze in ver­schie­de­nen Bun­des­staa­ten, die die Türen zur Homo-Ehe öff­nen und der­glei­chen mehr bis hin zu mehr sym­bo­li­schen, aber des­halb nicht min­der wich­ti­gen The­men, wie der Fra­ge, ob am Ground Zero in New York ein Kreuz errich­tet wer­den darf oder nicht.

Die Gesamt­fra­ge dürf­te in den Prä­si­dent­schafts­wahl­kampf hin­ein­wir­ken, vor allem soll­ten die Repu­bli­ka­ner einen Kan­di­da­ten mit einem deut­lich „reli­giö­sen Pro­fil“ aus­wäh­len wie Newt Ging­rich oder den Katho­li­ken Rick San­torum, der nach einer Über­prü­fung der Vor­wah­len von Iowa sogar der Sie­ger in die­sem ersten Bun­des­staat ist, in dem Vor­wah­len statt­fan­den, und nicht Mitt Rom­ney, wie es zunächst hieß.

In den jüng­sten Debat­ten war­fen die reli­giö­sen und sozi­al­kon­ser­va­ti­ven Kan­di­da­ten der Repu­bli­ka­ner, Ging­rich, San­torum und Per­ry, der sich gestern aus den Vor­wah­len zurück­zog und Ging­rich unter­stützt, der Regie­rung Oba­ma vor „der Reli­gi­on in Ame­ri­ka all­ge­mein und der katho­li­schen Kir­che im beson­de­ren den Krieg erklärt zu haben“, so der Pro­fes­sor für Geschich­te des Chri­sten­tums an der Uni­ver­si­ty of St. Tho­mas in Min­nea­po­lis, Mas­si­mo Fag­gio­li. Ein Vor­wurf, der in den USA Gewicht hat.

2008 stimm­ten die Katho­li­ken mehr­heit­lich für Oba­ma trotz gro­ßer Skep­sis der Bischö­fe. Es scheint unwahr­schein­lich, daß sich dies im Novem­ber noch ein­mal in die­sem Aus­maß wie­der­ho­len wird.

Nicht zuletzt, weil von Papst Bene­dikt XVI. eine kla­re Unter­stüt­zung für jene kam, die von den Bischö­fen for­dern, jene katho­li­schen Poli­ti­ker, vor allem der Demo­kra­ten, zur Dis­zi­plin zu rufen, die in ethi­schen und bio­ethi­schen Fra­gen die Leh­re der Kir­che miß­ach­ten, vor allem in der Lebens­rechts­fra­ge. Dazu gehö­ren eben­so Vize-Prä­si­dent Joe Biden wie die ehe­ma­li­ge Spre­che­rin des Reprä­sen­tan­ten­hau­ses, Nan­cy Pelosi.

Die Bischö­fe müß­ten, so der Papst in sei­ner Rede an die ame­ri­ka­ni­schen Bischö­fe, den Poli­ti­kern klar­ma­chen, daß sie eine „per­sön­li­che Ver­ant­wor­tung tra­gen, öffent­lich Zeug­nis für ihren Glau­ben zu geben“ zu allen „gro­ßen mora­li­schen Fra­gen unse­rer Zeit: den Respekt des von Gott geschenk­ten Lebens, den Schutz der Men­schen­wür­de und die För­de­rung der wah­ren Menschenrechte.“

Vor allem müs­sen Katho­li­ken eine „star­ke kri­ti­sche Hal­tung gegen­über der domi­nan­ten Kul­tur und Mut haben, dem reduk­ti­ven Säku­la­ris­mus zu wider­spre­chen, der die Teil­nah­me der Kir­che an der öffent­li­chen Dis­kus­si­on zu Fra­gen, die die künf­ti­ge ame­ri­ka­ni­sche Gesell­schaft bestim­men wer­den, ver­hin­dern möchte“.

Für den Papst und die ame­ri­ka­ni­schen Bischö­fe geht es um eine ent­schei­den­de Fra­ge, die die Zukunft der USA bestim­men wird. Es geht um den Fort­be­stand einer „gesell­schaft­li­chen Ord­nung, die in der jüdisch-christ­li­chen Tra­di­ti­on ver­wur­zelt“ ist. Die Prä­si­den­ten­wahl im Novem­ber wird daher auch für die Kir­che eine ent­schei­den­de Etap­pe sein.

Text: Vati­can Insider/​Giuseppe Nardi
Bild: Vati­can Insider

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