Die ignorierte Diskriminierung der katholischen Kroaten in Bosnien-Herzegowina


(Mostar) Kar­di­nal Vin­ko Pul­jic, der Erz­bi­schof von Sara­je­wo, schlägt Alarm gegen die Dis­kri­mi­nie­rung der Katho­li­ken in Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na. Bereits mehr­fach warn­te der Erz­bi­schof vor der Aus­gren­zung der Katho­li­ken im EU-Pro­tek­to­rat am Bal­kan. Die katho­li­schen Kroa­ten sind neben den mos­le­mi­schen Bos­nia­ken und den ortho­do­xen Ser­ben die klein­ste der drei eth­nisch-reli­giö­sen Volks­grup­pen der Repu­blik. Der von ihnen gewünsch­te Anschluss an Kroa­ti­en wird von der inter­na­tio­na­len Staa­ten­ge­mein­schaft ver­hin­dert. Nach dem Ende der ser­bi­schen Expan­si­ons­krie­ge (1991–1995) wur­de Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na zwei­ge­teilt in eine Ser­bi­sche Repu­blik. Die Katho­li­ken wur­den dabei mit den Mos­lems in eine gemein­sa­me Repu­blik gezwun­gen. Bei­de Teil­re­pu­bli­ken wur­den von der inter­na­tio­na­len Staa­ten­ge­mein­schaft in einer gemein­sa­me Zwangs­fö­de­ra­ti­on unter EU-Auf­sicht zusammengefaßt.

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„Wir Katho­li­ken wol­len wei­ter­hin auf eine bes­se­re Zukunft hof­fen und für ein Kli­ma des Ver­trau­ens, der Ver­söh­nung und der Tole­ranz arbei­ten“, so Kar­di­nal Pujic.

Vor dem Krieg leb­ten 820.000 Kroa­ten in Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na. Heu­te sind es nur mehr 460.000. Der Anteil an der Gesamt­be­völ­ke­rung sank von 18 Pro­zent auf nur mehr 10 Pro­zent gegen­über 40 Pro­zent Mos­lems und 21 Pro­zent Serben.

Kar­di­nal Pujic wur­de 1990 von Papst Johan­nes Paul II. zum Ober­hir­ten von Sara­je­wo ernannt, kurz vor Aus­bruch des Krie­ges. Er schil­der­te jüngst Kir­che in Not, wie die Situa­ti­on in sei­ner Hei­mat nach dem Day­ton-Abkom­men im Novem­ber 1995 abstürz­te, mit der die Tei­lung fest­ge­schrie­ben und Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na zum Pro­tek­to­rat wurde.

„Seit­her wur­de die Ser­bi­sche Repu­blik eth­nisch gesäu­bert mit der Zustim­mung der inter­na­tio­na­len Staa­ten­ge­mein­schaft“, so Kar­di­nal Pujic, der in Priječani gebo­ren wur­de, das heu­te in der Ser­bi­schen Repu­blik liegt. Die ver­trie­be­nen und geflüch­te­ten katho­li­schen Kroa­ten kön­nen heu­te noch nicht in ihre Hei­mat­or­te zurückkehren.

Vor kur­zem bestä­tig­te Msgr. Fran­jo Koma­ri­ca, der Bischof von Ban­ja Luka, daß von den mehr als 70.000 ver­trie­be­nen Katho­li­ken sei­ner Diö­ze­se bis­her nur 5800 zurück­keh­ren durf­ten. „Es gibt mehr als 200.000 katho­li­sche Kroa­ten, die in ihre Hei­mat im Gebiet der Ser­bi­schen Repu­blik zurück­keh­ren wol­len“, so der Erz­bi­schof von Sarajewo.

Den Katho­li­ken in der kroa­tisch-mus­li­mi­schen Föde­ra­ti­on geht es nicht viel bes­ser. „Hier ist alles in mos­le­mi­scher Hand“, so der Pur­pur­trä­ger. „Die Mos­lems ver­su­chen alles, um uns aus der Hei­mat zu ver­drän­gen“, spielt der Kar­di­nal auf eine ande­re Form der eth­ni­schen Säu­be­rung an. Die inter­na­tio­na­le Staa­ten­ge­mein­schaft bil­lig­te die Ver­trei­bung der katho­li­schen Kroa­ten aus dem ser­bi­schen Teil und zwang den Rest unter eine mos­le­mi­sche Ober­herr­schaft. „Das ist die dop­pel­te Dis­kri­mi­nie­rung, die jedoch nie­mand in Euro­pa inter­es­siert“, so Kar­di­nal Pujic. Die poli­ti­schen Ämter sind ein mos­le­mi­sches Mono­pol, die Kroa­ten sind bei der Arbeits­su­che benach­tei­ligt, eben­so auf dem Woh­nungs­markt. Der von den Kom­mu­ni­sten geraub­te Kir­chen­be­sitz wur­de nie zurück­er­stat­tet. Bau­be­wil­li­gun­gen für die Errich­tung neu­er Kir­chen und kirch­li­cher Ein­rich­tun­gen sind nur sehr schwer zu erhal­ten, wäh­rend es gleich­zei­tig inzwi­schen mehr als 70 Moscheen allein in Sara­je­wo gibt, „die mit sua­di­schen Petro­dol­lars in den ver­gan­ge­nen Jah­ren finan­ziert wur­den“, so Pujic. Die wach­sen­de Isla­mi­sie­rung seit Kriegs­en­de ist die direk­te Fol­ge des Ein­flus­ses meh­re­rer isla­mi­scher Staa­ten, allen vor­an des Iran und Sau­di-Ara­bi­ens. Von der ara­bi­schen Halb­in­sel brei­tet sich seit­her das radi­kal­is­la­mi­sche Waha­bi­ten­tum aus, das bis in die 90er Jah­re in Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na unbe­kannt war.

Die wach­sen­de waha­bi­ti­sche Prä­senz besorgt Kar­di­nal Pujic. Es zählt offi­zi­ell zwar nur etwa 5000 Anhän­ger, ver­fügt über den Geld­fluß jedoch einen über­durch­schnitt­lich gro­ßen Ein­fluß und betreibt unter den jun­gen Bos­nia­ken eine aggres­si­ve Rekru­tie­rung neu­er Anhän­ger. „Die Regie­rung sieht dem allem taten­los zu“, so Msgr. Pujic.

„Die inter­na­tio­na­le Staa­ten­ge­mein­schaft müß­te uns allen hel­fen und nicht dau­ernd die mos­le­mi­sche Mehr­heit för­dern“, klagt der Kar­di­nal die zwei­te poli­ti­sche Ein­fluß­nah­me zuun­gun­sten der katho­li­schen Kroa­ten an. Auch an Kroa­ti­en übt der Erz­bi­schof von Sara­je­wo Kri­tik: „Das kroa­ti­sche Mut­ter­land fast aller Katho­li­ken Bos­ni­ens und der Her­ze­go­wi­na ist so sehr dar­an inter­es­siert, der EU bei­zu­tre­ten, daß es uns dafür sogar ver­ges­sen hat.“

Der Kar­di­nal gehört als katho­li­scher Ver­tre­ter dem Inter­re­li­giö­sen Rat des Staa­tes an. Es gebe durch­aus eine Gesprächs­ba­sis mit dem Groß­muf­ti Musta­fa Ceric. „Wir arbei­ten gemein­sam an Lösun­gen, doch zual­ler­erst braucht es poli­ti­sche Maßnahmen.“

Unter­des­sen arbei­ten die Katho­li­ken wei­ter für die Ver­söh­nung und glei­che Rech­te für alle Staats­bür­ger. „Unse­re Schu­len blei­ben wei­ter­hin offen für Katho­li­ken, Ortho­do­xe und Mos­lems, für Kroa­ten, Bos­nia­ken und Ser­ben“, so Kar­di­nal Pujic.

Die Kar­te von Vla­di­mir Var­ja­cic zeigt die eth­nisch-reli­giö­se Ver­tei­lung in Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na im Jahr 2006 (Blau: katho­li­sche Kroa­ten, Rot: ortho­do­xe Ser­ben, Grün: mos­le­mi­sche Bosniaken).

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vla­di­mir Varjacic

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