Die Gruppe D des Geheimdienstes gegen Johannes Paul II. und die Kirche


(Warschau/​Rom) Die Wahl eines pol­ni­schen Pap­stes ver­setz­te die kom­mu­ni­sti­sche Welt 1978 in Alarm­zu­stand. Gegen die Gefahr einer Desta­bi­li­sie­rung des Sowjet­im­pe­ri­ums wur­de die SB (SÅ‚użba BezpieczeÅ„stwa), der pol­ni­sche Staats­si­cher­heits­dienst mobi­li­siert. Der ame­ri­ka­ni­sche Histo­ri­ker und Poli­tik­wis­sen­schaft­ler Geor­ge Weigel, bekannt durch sei­ne umfang­rei­che Bio­gra­phie „Zeu­ge der Hoff­nung“ über Johan­nes Paul II., ver­öf­fent­lich­te neue Erkennt­nis­se durch Archiv­for­schung über die sowje­ti­schen Gegenmaßnahmen.

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Karol Woj­ty­la wur­de vom SB bereits seit Jah­ren beob­ach­te­te. Die Über­wa­chung wur­de schritt­wei­se mit sei­nem inner­kirch­li­chen Auf­stieg inten­si­viert. 1973 wur­de vom pol­ni­schen Geheim­dienst eine eige­ne Abtei­lung D gegrün­det mit dem Auf­trag, den pol­ni­schen Katho­li­zis­mus zu zer­schla­gen. Karol Woj­ty­la, damals bereits Erz­bi­schof von Kra­kau und Kar­di­nal, weih­te heim­lich Unter­grund­prie­ster für die Tsche­cho­slo­wa­kei. Der Grup­pe D gelang es aber nie, Wei­he­ort und Wei­he­da­tum aus­fin­dig zu machen. Um Infor­ma­tio­nen zu erhal­ten und zur Abschreckung wur­de Msgr. Andrzej Bar­decki, der geist­li­che Assi­stent der katho­li­schen pol­ni­schen Tages­zei­tung Tygod­nik Pow­s­zech­ny­che halb tot geschla­gen, unmit­tel­bar nach­dem er eine Bespre­chung mit dem Kar­di­nal hatte.

1975 stand auf einem Gip­fel­tref­fen aller Geheim­dien­ste der War­schau­er Pakt­staa­ten die Über­wa­chung und Ein­schleu­sung von Agen­ten in den Vati­kan auf der Tages­ord­nung. KGB-Chef Juri Andro­pow, der ein­zi­ge Geheim­dienst­chef, der es bis an die Spit­ze der UdSSR schaf­fen soll­te, ver­stärk­te den pol­ni­schen SB durch sowje­ti­sche Agen­ten. Als Karol Kar­di­nal Woj­ty­la 1978 zum Papst gewählt wur­de, war er prak­tisch von kom­mu­ni­sti­schen Agen­ten umkreist. „Mehr als die Hälf­te aller Diplo­ma­ten, die an der pol­ni­schen Bot­schaft in Rom tätig waren, eben­so der Ange­stell­ten der staat­li­chen pol­ni­schen Flug­li­nie, der pol­ni­schen Rei­se­agen­tu­ren, der Han­dels­mis­sio­nen usw.“ waren Geheim­dienst­agen­ten, die vom Spe­zi­al­agen­ten „Pie­tro“ (Edward Kotow­ski) koor­di­niert wur­den und deren Haupt­auf­ga­be, die Über­wa­chung des „sla­wi­schen Pap­stes“ war.

Der Papst wuß­te genau, mit wem er es zu tun hat­te. Als eine der ersten Gegen­maß­nah­men besprach Johan­nes Paul II. heik­le Fra­gen aus­schließ­lich in sei­nen Pri­vat­ge­mä­chern jeden Abend mit sei­nem Sekre­tär Sta­nis­law Dzi­wisz, dem heu­ti­gen Erz­bi­schof von Kra­kau. Das war, wenn schon, der ein­zi­ge Ort im Vati­kan, bei dem man wuß­te, wer ein und aus ging, da nur ganz weni­ge Per­so­nen Zugang hatten.

Im Juni 1979 fand die histo­ri­sche Rei­se des Pap­stes in sei­ne Hei­mat Polen statt. Es war über­haupt die erste Rei­se eines Kir­chen­ober­haup­tes in ein kom­mu­ni­sti­sches Land. Der pol­ni­sche SB bat den Staats­si­cher­heits­dienst der DDR um Unter­stüt­zung. Die Sta­si hat­te einen Agen­ten im Vati­kan pla­ziert. Eugen Brammer­tz, Deck­na­me „Licht­blick“ arbei­te­te für die deut­sche Aus­ga­be des Osser­va­to­re Roma­no. Allein in Kra­kau wur­den 480 Geheim­agen­ten ein­ge­setzt, um die Rei­se des Pap­stes zu über­wa­chen. Nach dem tri­um­pha­len Emp­fang, den die Polen ihrem Papst berei­tet hat­ten, leg­te das ZK der KPdSU einen Plan vor. Hin­ter dem sper­ri­gen Titel „Ent­schei­dung gegen die Poli­tik des Vati­kans in den Bezie­hun­gen zu den sozia­li­sti­schen Staa­ten tätig zu wer­den“ ver­barg sich ein Plan, den pol­ni­schen Papst der Welt als „Bedro­hung für den Frie­den“ zu präsentieren.

Doch bereits 1980 wur­de der Kreml von der Sol­dar­nosc-Bewe­gung über­rollt. Die Spit­ze des Ost­blocks muß­te fest­stel­len, daß ihre bis­he­ri­gen Maß­nah­men nur gerin­gen Erfolg hat­te. Die auf­tre­ten­de Unru­he ver­lang­te ein schnel­les und ent­schie­de­nes Han­deln. Was dar­un­ter gemeint war, konn­te eine ent­setz­te Welt­öf­fent­lich­keit im Fern­se­hen mit­er­le­ben. 1981 ver­üb­te der tür­ki­sche Ter­ro­rist Meh­met Ali Agca einen Mord­an­schlag auf Papst Johan­nes Paul II. auf dem Peters­platz. Im sel­ben Jahr wur­de in Polen der Kriegs­zu­stand ver­hängt und die Soli­dar­nosc-Bewe­gung verboten.

Doch der Papst über­leb­te. Bereits 1983 rei­ste er ein zwei­tes Mal nach Polen und stärk­te die katho­lisch gepräg­te Bür­ger­rechts­be­we­gung, die zwar ver­bo­ten war, aber im Unter­grund wei­ter­wirk­te und die stärk­ste Bedro­hung des Kom­mu­nis­mus dar­stell­te. Mos­kau und sei­ne Vasal­len änder­ten die Stra­te­gie. Der pol­ni­sche Geheim­dienst pro­du­zier­te mit Unter­stüt­zung des KGB ein Tage­buch, das Iri­na Kinaszew­ka, einer ver­stor­be­nen Ange­stell­ten des Erz­bis­tums Kra­kau zuge­schrie­ben wur­de. In die­sem Tage­buch „behaup­te­te“ Kinaszew­ka, die gehei­me Gelieb­te Woj­ty­las gewe­sen zu sein. Haupt­mann Grze­gor Pio­trow­ski von der Grup­pe D hat­te den Auf­trag, das Tage­buch im Haus eines Kra­kau­er Prä­la­ten zu ver­stecken, um es zum gewünsch­ten Zeit­punkt auf­tau­chen zu las­sen. Pio­trow­ski betrank sich jedoch unmit­tel­bar nach sei­ner Akti­on und ver­ur­sach­te mit sei­nem Fahr­zeug einen Ver­kehrs­un­fall. In sei­nem Zustand erzähl­te er sei­nen Auf­trag der Ver­kehrs­po­li­zei und kom­pro­mit­tier­te die gan­ze Akti­on. Den­noch wur­de Pio­trow­ski nicht aus dem Dienst ent­las­sen. Andert­halb Jah­re spä­ter konn­te er sich „reha­bi­li­tie­ren“, indem er das Kom­man­do zur Ent­füh­rung und Ermor­dung des jun­gen Prie­sters Jer­zy Popie­lusz­ko lei­te­te, der mit sei­ner monat­li­chen „Mes­se für das Vater­land“ nach der Aus­ru­fung des Kriegs­zu­stan­des zum Sym­bol des fried­li­chen anti­kom­mu­ni­sti­schen Wider­stan­des gewor­den war. Pio­trow­ski fol­ter­te den Prie­ster und warf ihn gefes­selt in die Weich­sel. Popie­lusz­ko wur­de 2010 als Mär­ty­rer des Kom­mu­nis­mus bei Anwe­sen­heit von 250.000 Men­schen in War­schau seliggesprochen.

Text: BQ/​Giuseppe Nardi
Bild: Wikimedia

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