Versöhnung mit der Piusbruderschaft und Zweites Vatikanisches Konzil.


Ein Votum von Klaus Obenauer

Anzei­ge

Vor einer Woche ließ ich in die­sem Forum eine recht unkon­ven­tio­nel­le Stel­lungnahme zur Ange­le­gen­heit „Reinte­gra­ti­on der Pius­bru­der­schaft“ veröffentli­chen.

Die Wei­se, wie ich es getan habe, hat vie­le ver­letzt, auch sehr ver­letzt. Frei­lich gilt dies allem vor­an für mei­nen Chef, Pro­fes­sor Dr. Karl-Heinz Men­ke. Wirk­lich ganz auf­rich­tig aus mir her­aus geste­he ich des­halb, daß ich bestimmt auch gesün­digt habe in der Wahl der Mit­tel, mei­ner Sar­kas­men etc. Gott und, soweit es geht, die betrof­fe­nen Men­schen, ein­schließ­lich der Deut­schen Bischö­fe, bit­te ich auf­rich­tig und ohne Hin­ter­ge­dan­ken um Vergebung!

Rein in der Sache, nur in ihr hal­te ich es jedoch, um so ent­schie­de­ner gar, mit dem berühm­ten Mot­to von Édith Piaf.

Und was jetzt kommt, ist zwar eine „Fort­set­zung“ mei­ner Stel­lung­nah­me, hat jedoch mit dem Anlaß mei­ner letz­ten Stel­lung­nah­me nur noch so viel zu tun, als daß die Sache so halt für mich ins Rol­len gekom­men ist. – Von daher im folgen­den nur für wirk­lich Interessierte.

Auch wenn ich fak­tisch ver­let­ze: Mir geht es nicht um noch mehr Spal­tung durch gei­stige Brand­stiftung, son­dern um die Sanie­rung eines Bru­ches, der, ob wir wol­len oder nicht, uns alle angeht und unse­rer Mut­ter Kir­che das Lau­fen schwer macht. – Und es ist mei­ne Über­zeu­gung, daß wir alle dann, wenn es ge­lingen soll, ge­waltig um­denken müs­sen. Dür­fen dann aus­ge­rech­net wir, inmit­ten einer sog. offe­nen Ge­sellschaft, die sich der Tabu­lo­sig­keit als ihres Grundprin­zips rühmt, Tabus auf­richten? Ich mei­ne natür­lich unnö­ti­ge Tabus gegen Über­legungen und Maßnah­men, die den Maß­stab der Glau­bens­re­gel und des Geset­zes Got­tes nicht verletzen.

Es wäre lächer­li­che und maß­lo­se Selbst­über­schät­zung, eine Zau­ber­for­mel vor­schlagen zu wol­len, die es allen recht machen kann. Wenn ich nun aber die Spur ver­fol­ge, die zum kon­kret-prak­ti­schen Kern des Pro­blems führt, dann muß das Pro­blem „Zwei­tes Vati­ka­ni­sches Kon­zil“ auf den Tisch.

Weiß wohl, daß mei­ne Fra­ge (im Rah­men des letz­ten Bei­tra­ges), ob denn auf einer Aner­ken­nung des Kon­zils insi­stiert wer­den muß, noch zu rhe­to­risch ist. Denn das förm­li­che Bekennt­nis zu Lehr- und Lei­tungs­amt der Kir­che, das der FSSPX nun ein­mal nolens-volens abzu­ver­lan­gen ist, kann ja auch dann, wenn auf eine aus­drück­li­che Zustim­mung zum Kon­zil ‚in spe­cia­li‘ ver­zich­tet wird, nicht bedeu­ten, daß über die Ein­räu­mung legi­ti­mer Frei­räu­me hin­aus auch Inseln für dok­tri­na­le Dia­lek­te errich­tet wer­den, die den inne­ren Frie­den der Kir­che stö­ren. Und ich glau­be, da läuft alles auf das hei­ße Eisen „Reli­gi­ons­frei­heit“ hinaus.

Will erst ein­mal in nega­ti­ver Hin­sicht kurz andeu­tend begrün­den, war­um. Nicht ‚in ex­tenso‘, aber anhand ein­schlä­gi­ger Bei­spie­le. Wenn ich mir die ekklesiolo­gischen Strei­tig­kei­ten anse­he, so sehe ich kein unüber­wind­ba­res Hin­der­nis. Fan­ge man bei der „Subsistit-in“-Formulierung an: Die Per-se-Prä­senz „der Kir­che Chri­sti in der römisch-katho­li­schen“, auf daß ille­gi­tim ent­ste­hen­de Per-acci­dens-Prä­senzen über­haupt nur als sol­che Prä­sen­zen bestehen kön­nen, inso­fern sie sich just dar­in von der „Per-se-Prä­senz“ gar nicht unter­schei­den, be­deutet doch: die Kir­che Chri­sti kon­gru­iert mit der römisch-katho­li­schen, jedoch so, daß auch dort­hin­ein, wo man ein­fach­hin außer­halb der (Gesamt-)Kirche ist, die eine kirch­li­che Heils­ver­mitt­lung noch gebro­chen-defi­zi­tär her­ein­ra­gen kann. Von daher scheint mir aber der berühmt-anstö­ßi­ge Satz aus ‚Unita­tis redintegra­tio 3‘, der Hei­li­ge Geist habe die getrenn­ten Kom­mu­ni­tä­ten als Mit­tel des Hei­les zu ge­brauchen sich gewür­digt, in ziem­lich drin­gen­dem Ver­dacht zu ste­hen, „in rigo­re sen­sus“ („dem stren­gen Wort­sinn nach“) falsch zu sein; in eigent­li­cher Rede kann man wohl nur von sol­chen Per-acci­dens-Prä­sen­zen der Kir­che Chri­sti und ihrer Heilsmitt­lerschaft oder ähn­lich spre­chen. Von daher wäre man durch­aus im vol­len Recht, wo man die­sen Satz mit­zu­spre­chen sich wei­gert (um den­noch sei­nen le­gitimen Sinn anzuer­kennen), nach der alten Regel: „locu­tio non exten­den­da, sed pie expo­nen­da“, eine Rede(weise), die gut-sin­nig und ‑wil­lig aus­zu­le­gen, aber (im Gebrauch) nicht auszu­weiten ist. – Der Hei­li­ge Vater, Papst Bene­dikt XVI, hat uns anläß­lich des aus­gerufenen Jah­res des Glau­bens das groß­ar­ti­ge Cre­do des Gottesvol­kes von Papst Paul VI in Erin­ne­rung geru­fen. Bezeich­nen­der­wei­se kommt man dar­in gera­de in punc­to Re­unionsmaterie etc. ohne „sub­si­stit in“ aus, nach dem Prin­zip „Kir­che Chri­sti = römisch-katho­li­sche Kir­che“: „Eben­so hof­fen wir, in­dem wir einer­seits aner­ken­nen, daß außer­halb des Gefü­ges der Kir­che Chri­sti zahl­rei­che Ele­men­te der Hei­li­gung und der Wahr­heit gefun­den wer­den, wel­che als der Kir­che selbst eige­ne Gaben auf die katho­li­sche Ein­heit hindrän­gen …“ (kein Unter­schied zwi­schen [ein­fach­hin] au­ßerhalb der Kir­che Chri­sti und au­ßerhalb der römisch-ka­­tho­li­schen!). (Bei allen Fra­gen und Pro­ble­men, und ohne den gro­ßen Nach­fol­gern Abbruch tun zu wol­len: der Mon­ti­ni-Papst war der letz­te Ver­tre­ter eines groß­ar­ti­gen Typus von Dok­tri­nal­papst: Sät­ze von klas­sisch-roma­ni­scher Schön­heit sind hier for­mu­liert, ein­deu­tig, ohne Um­schweife, ohne Schwerfällig­keit, Sach­lich­keit ohne die Nach­hil­fe des Pathos. Illu­striert in der Sedia, auf der er noch fei­er­lich-schlicht getra­gen wur­de.) – Was ich hier anhand der neur­al­gischsten The­men knapp ex­emplifiziert habe, möge als Bei­spiel für manch ande­res ste­hen. Ei­gentlich ge­nügt es da, dar­auf zu ver­zichten, den Kon­zils­jar­gon vor­zu­schreiben, um einer Grup­pe, die Unbe­ha­gen bei ihm spürt, die kon­ven­tio­nel­le Ausdrucks­weise zu belas­sen (die in ihrer Mar­kanz min­de­stens als berei­chernd zu bewer­ten ist). An­sonsten muß klar­ge­stellt wer­den, was Reuni­ons­be­mü­hung ange­sichts der Heils­notwendigkeit der römisch-katho­li­­schen Kir­che, auch in punc­to Zielset­zung, bedeu­tet, und was nicht. (Man soll­te dann aber auch groß­mütig die Spra­che der takt­voll-lei­sen Geste zu regi­strie­ren ver­ste­hen, auf die sich der amtie­rende Hei­lige Vater bestimmt ver­steht.) Das Ärger­nis vom Bild des Schulter­schlusses, der uns den Frei­raum der Konfronta­tion nimmt, muß aus der Welt.

Von daher zur Reli­gi­ons­frei­heit selbst. Ganz nüch­tern unbe­fan­gen kann man hier ruhig, wie ich mei­ne, von einer immensen Dis­pro­por­tio­na­li­tät zwi­schen dem dok­tri­nel­len Gewicht die­ser Leh­re und ihrer prag­ma­ti­schen Rele­vanz spre­chen. Im gegen­wär­ti­gen Leben der Kir­che real­sym­bo­li­siert sie, durch die Viel­falt der Spek­tren hin­durch, die Ver­an­kert­heit der Kir­che in jenem Wer­te­ka­non, wie er in etwa in der Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on der UNO doku­men­tiert ist. Trotz aller, ganz erheb­li­chen, Dif­fe­ren­zen in der (a-/the­o­no­men) Fun­die­rung weiß man sich kon­sen­su­al ein­ge­bun­den in einen basa­len Huma­nis­mus. Aller­dings ist man dies­be­züg­lich mit dem Umstand kon­fron­tiert, daß die­se Basis en­ger und schmä­ler wird, weit­hin am Zer­bröckeln ist. (Es ist Tat­sa­che, daß die katho­li­sche Kir­che den Staats­sy­ste­men der west­li­chen Welt nicht mehr zubilli­gen kann, gesetz­li­cher Anwalt des Lebens­rech­tes im voll­um­fäng­li­chem Sin­ne zu sein; der Zynis­mus lega­li­sier­ter Exzep­tio­nen ist längst System, um hie und dort gar als „menschenrechts“-gemäß ein­ge­for­dert zu wer­den. Im Gegen­zug ist die, zumal kollek­tive, Re­ligionsfreiheit in der west­li­chen Welt zuneh­mendst mehr ener­vie­ren­den Restrik­tionen aus­ge­setzt: kol­lek­ti­ve Nöti­gung zum Indifferentis­mus im Namen von Frei­heit und Gleich­heit.) Die Sub­stanz die­ses ver­bin­den sol­len­den Werteka­nons exte­nu­iert sich regel­recht zur Gegen­stands­lo­sig­keit. – Die­se (eben fra­gi­ler wer­dende) Anbin­dung an den säku­la­ren Huma­nis­mus ist eigen­tüm­lich konzer­tiert durch eine bin­nen­kirch­li­che Befind­lich­keit, die dar­in so etwas wie den „ar­ticulus stan­tis et caden­tis“ wah­ren Christ­seins sieht: „Dignita­tis hum­a­nae“ ist aufge­wertet zum Ein­tritts­bil­let ins ech­te Chri­sten­tum, so daß sich die Fra­ge er­hebt, wie man vor­her über­haupt Christ sein konnte.

Die­ser Umstand beraubt uns nahe­zu der mora­li­schen Mög­lich­keit, „Dignita­tis hum­a­nae“ zum Gesprächs­ge­gen­stand zu machen. (Man wird kaum in Abre­de stel­len kön­nen, daß die Stel­lung mei­net­we­gen des Fili­o­que-Dog­mas im gegen­wärtigen Leben der Kir­che nicht ein­mal annä­hernd der „Dignitatis-humanae“-Option gleichkommt.)

Trotz­dem kom­me ich ein­fach nicht um die Fest­stel­lung umhin, daß die Wie­der­herstellung des vol­len Frie­dens in der Kir­che, die Sanie­rung des dia­chron­a­len Selbst­be­wußt­seins es ver­langt, daß das The­ma der Reli­gi­ons­frei­heit – will hei­ßen die dok­tri­na­le Opti­on dafür – einer erneu­ten Unter­su­chung zuge­führt, mit­hin prin­zi­pi­ell zur Dis­po­si­ti­on gestellt wird. Für Chri­sten ist der Maß­stab nicht die Angst vor dem Arg­wohn des Ver­fas­sungs­schut­zes, son­dern Got­tes Wort, das Katho­li­ken in Hei­li­ger Schrift, Tra­di­ti­on und Lehr­amt auf je ihre Wei­se bezeugt und ver­bind­lich aus­ge­legt wis­sen. Das ist das Prin­zip, das in Wahr­heit nicht zur Dis­po­si­ti­on ste­hen darf.

Außer Dis­kus­si­on, daß ich damit in den Augen der aller­mei­sten mei­nen aller­jüng­sten kome­ten­haf­ten Auf­stieg zum psy­cho­pa­thi­schen Kon­zils­kri­ti­ker o.ä. re­gelrecht krö­ne, so rich­tig den Vogel abschie­ße (wenn´s nicht mein eig­ner wäre: aber das wäre ja glat­ter Sui­zid). – Aber, mal lang­sam, auch wenn damit der Hei­ligen­schein, den mir man­che schon auf­ge­setzt haben, zer­springt: Bis zur Stun­de bin ich per­sön­lich über­zeugter Anhän­ger der Sach­lo­gik, wel­che „Dignita­tis hu­ma­nae“ zugrun­de legt. Inner­ste Mit­te, regel­recht ‚ratio for­ma­lis‘ des Person­rech­tes auf Reli­gi­ons­frei­heit ist dem­nach die Ver­pflich­tung der Per­son auf die Wahr­heit, der sie nur frei (in sowohl posi­ti­ver als auch nega­ti­ver Hin­sicht) nach­kom­men kann: ‚prop­ter quod‘ die­ses Rech­tes ist also der Anspruch der auf die ihr gemä­ße Wei­se, näm­lich kraft ihrer selbst, ver­pflich­ten­den Wahr­heit. (cf. Dign. hum. 1 et 2) Trotz aller Wut über den gei­sti­gen Sara­ze­nen­schwarm, der uns in letz­ter Zeit heim­sucht, und wel­che „Wut“ ich anders­wo doku­men­tiert habe und die mich manch­mal schon auf ande­re Gedan­ken kom­men läßt, mag ich nur schwer von die­ser Logik las­sen. Und neben­bei: Mei­ne Sym­pa­thie jeden­falls gehört dem Ge­danken, daß die Wesens­frem­de und nicht nur die fei­ne eng­li­sche Art unse­re Gren­ze zum Schei­ter­hau­fen zieht. (Das Gegen­teil in Talk­shows dem Geg­ner ins Gesicht hin­ein zu erklä­ren, dazu gehört schon Chuz­pe, die Rari­tät ist.)

Umge­kehrt: Mag mir per­sön­lich die Reli­gi­ons­frei­heit im Sin­ne des Vati­ka­num II noch so zusa­gen, als das Rich­ti­ge­re erschei­nen: Es ist nicht nur so, daß eine Min­der­heit an ihr Anstoß nimmt; es ist auch Tat­sa­che, daß das Bemü­hen auf dem Kon­zil, die Leh­re von der Reli­gi­ons­frei­heit als an die Tra­di­ti­on „anschluß­fähig“ zu erwei­sen, sich in skan­da­lös beschei­de­nen Gren­zen hielt; jeden­falls, was das doku­men­tier­te Ergeb­nis angeht. Dies­be­züg­lich kann man von Dignita­tis hum­a­nae 1 eigent­lich nur ler­nen, wie man sich durch raf­fi­nier­te Col­la­gen aus der Affai­re zieht. Bis zur Stun­de exi­stiert kaum eine über­zeu­gen­de Ant­wort auf die fol­gen­den drei Fra­gen: 1.) Wie kann es sein, daß die Kir­che mit sol­cher Ent­schiedenheit solan­ge in Leh­re und Pra­xis geirrt hat? Wie kann impli­zit das Ge­genteil des­sen gelehrt bzw. tra­diert sein, was fak­tisch doch mit sol­cher Ent­schiedenheit bekräf­tigt wird? 2.) Was garan­tiert die prin­zi­pi­el­le Vertrauenswür­digkeit des Lehr­am­tes dies­seits von fei­er­li­chen Lehr­ent­schei­den, wenn sich sol­che mas­si­ven Irr­tü­mer so lan­ge hal­ten kön­nen? 3.) War­um sol­len wir nach „Quan­ta cura“ etc. dem Zwei­ten Vati­ka­num glau­ben? – Ich unter­stel­le hier­bei frei­lich, und dies wohl mit der gro­ßen Mehr­heit (der Befür­wor­ter und Geg­ner von Dign. Hum.), daß eine mate­ri­el­le Diver­genz vor­liegt. Und dann bleibt eben die schwie­ri­ge Fra­ge nach der Kon­sti­tu­ti­on einer Kon­ti­nui­tät zum Anfang durch eine Jahr­hun­der­te wäh­ren­de Pseudo­morphose hin­durch, ein Pro­blem, das nicht bereits mit geschick­ten rhe­to­ri­schen Postula­tionen bewäl­tigt ist?! Ich sage kei­neswegs, daß es nicht geht; aber da wäre noch erheb­li­che Kärr­ner­ar­beit zu lei­sten. Ich habe gro­ße Ach­tung vor Mon­si­gno­re Fer­nan­do Ocá­riz ange­sichts der schwie­ri­gen Auf­ga­be, vor die er sich gestellt sah, im Dis­put mit der Piusbruder­schaft und in sei­nem jüng­sten Osser­va­to­re-Roma­no-Arti­kel. Bestimmt Respekt gebie­tend, kon­struk­ti­ve Trans­pa­ren­tie­rung zu lei­sten, wo die Aas­gei­er des Spot­tes leicht zur Stel­le sind, um Beu­te zu machen. Trotz­dem: Die ulti­ma­ti­ve Bemer­kung (laut deut­scher Über­set­zung!), daß freu­di­ge Zustim­mung zum Lehr­amt „auch dann mög­lich und wün­schens­wert“ blei­be, „wenn wei­ter­hin Aspek­te bestehen blei­ben, die ratio­nal nicht voll­kom­men erfaßt wer­den“: die­se Bemer­kung – die, wenn ich sie recht ver­ste­he, immer noch um die Kon­ti­nui­tät von vor- und nach­kon­zi­liä­rem Lehr­amt ringt – pro­vo­ziert nun mal den Kom­men­tar, wo­nach dann, wenn man vor­her und nach­her nicht mehr so recht zusam­men­bringt, man halt glau­ben sol­le, daß es zusam­men­paßt. Die Kohä­renz der Glaubensaus­sagen selbst ist unab­hän­gig von der nach­voll­zieh­ba­ren (nega­ti­ven) Ein­sicht in sie ver­pflich­ten­der Gegen­stand des sich allein auf Got­tes Wahr­heit und Wahr­haftigkeit stüt­zen­den Glau­bens; Ana­lo­ges gilt für das ‚obse­qui­um reli­gio­sum‘. Aber die Kon­ti­nui­tät in der for­ma­len Lehr­vor­la­ge selbst, die muß doch transpa­rent sein! („Nein heißt Ja“ ist nur was für die Schlagermusik.)

Aber da muß nun auch wie­der die ande­re Sei­te zu Wort kom­men. Daß nun ein­mal der frei­lich sehr lan­gen, über Jahr­hun­der­te wäh­ren­den Theo­rie und Pra­xis, die mate­ri­ell durch Dign. Hum. revo­ziert wird, frü­he Zeug­nis­se gegenüberste­hen, die zwar rar sind, aber doch eher für die Reli­gi­ons­frei­heit spre­chen, ist nun ein­mal auch ein für sich sel­ber spre­chen­des Fak­tum: Ter­tul­li­an und Lac­tan­ti­us wer­den erwähnt, wenn­gleich bei­de nicht unver­däch­ti­ge Zeu­gen sind. (cf. Arti­kel „Reli­gi­ons­frei­heit“ von Kon­rad Hil­pert im LThK3) So macht sich die Home­page der deut­schen Sek­ti­on der Pius­bru­der­schaft in ihrer „Gegen­über­stel­lung: Islam-Chri­sten­tum“ vom Febru­ar 2007 („Mit­tei­lungs­blatt-Spe­zi­al“, Sei­te 20) Tertul­lian mit fol­gen­den Wor­ten zu eigen: „Es ist eines der fun­da­men­ta­len Rech­te der Men­schen, ein Pri­vi­le­gi­um der Natur, dass jeder­mann Gott nach sei­ner eige­nen Über­zeu­gung ver­eh­ren sol­le.“ – Aus Über­zeu­gung neh­me ich mich der Sache an, der ich kein Spe­zia­list für die­se Fra­gen bin: Soweit ich sehe (mag mich da irren), sind die lehr­amt­li­chen Zeug­nis­se, wel­che die Pra­xis der In­quisition im Ver­bund mit der Koope­ra­ti­on mit dem welt­li­chen Arm dok­tri­nal sanktionie­ren (um somit Dign. Hum. dia­me­tral ent­ge­gen­zu­ste­hen), nicht sehr zahl­reich, um ins­ge­samt kein sehr mas­si­ves Gewicht abzu­ge­ben. (Etwas ande­res ist die still­schweigende lehr­amt­li­che Bil­li­gung die­ser Pra­xis, zumal wenn sie vom Lehr- und Hir­ten­amt maß­geb­lich mit­ge­tra­gen wird; was schon von Gewicht ist.) Wenn wir von dem sicher sehr ein­schlä­gi­gen Locus DS 1483 abse­hen, der für uns heu­te aber sehr pein­lich ist, so bleibt in erster Linie DS 1272: wonach den An­hängern von Wycliff und Hus die Fra­ge vor­zu­le­gen ist, ob sie glau­ben, daß die Hier­ar­chie unter ande­rem auch den welt­li­chen Arm her­bei­zie­hen dür­fe. Mir scheint hier zumin­dest, daß das „cre­de­re“ („glau­ben“), wel­ches hier undifferen­ziert für lehr­amts­kon­for­me wie lehr­amts­wid­ri­ge (cf. DS 1277–1279) Überzeu­gungen ver­wandt wird, nicht spe­zi­fisch genug ist, um für eine abver­lang­te Glau­benszustimmung vom Gewiß­heits­grad „de fide divina (et catho­li­ca)“ gel­ten zu kön­nen. In gene­re scheint es hier doch eher um „beliefs“ zu gehen, zu denen frei­lich auch eigent­li­che Gegen­stän­de „de fide“ gehö­ren. Ande­re Stel­len geben nicht her, was sie auf den ersten Blick her­zu­ge­ben schei­nen: DS 1627 (Dog­ma!) zum Bei­spiel liegt die Dok­trin vom Zwangs­cha­rak­ter auch kirch­li­cher Geset­ze zugrun­de (vgl. die Erläu­te­run­gen bei Robert Bell­ar­min), ohne daß sich dar­aus irgend ein siche­rer Schluß zugun­sten restrik­ti­ver Maß­nah­men des welt­li­chen Arms ablei­ten lie­ße. Bei DS 2604sq. scheint mir die Lage nicht viel anders (wenn­gleich ich da vor­sich­ti­ger bin). Es blei­ben die Äuße­run­gen der Päp­ste im Gefol­ge der fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on und des vor­drin­gen­den Libe­ra­lis­mus ge­gen eben die Reli­gi­ons­frei­heit, wel­che Loci (allen vor­an „Quan­ta cura“) ja als Refe­renz­grö­ßen des Kon­flik­tes satt­sam bekannt sind. – Fina­li­ter für die Pro-Sei­te, und dabei nicht ganz unge­wich­tig, was näm­lich die for­ma­le Verbindlich­keit der Leh­re von „Dignita­tis hum­a­nae“ angeht: Zwar steht das gan­ze Dekret unter der Über­schrift „Decla­ra­tio“, was einen ver­gleichs­wei­se nied­ri­gen Ver­bindlichkeitsgrad mar­kiert; und auch die eigent­li­che Zir­kumskrip­ti­on des Um­fanges natur­recht­li­cher Frei­heit „in ad reli­gio­nem per­ti­nen­ti­bus“ ab Nr. 2 („haec Vati­ca­na Syn­odus decla­rat“) beläßt es bei einem Dekla­rie­ren. Aber: Dem ist in Arti­kel 1 ein mehr­ma­li­ges „pro­fi­tem­ur“ bzw. „cre­di­mus“ vor­an­ge­stellt; u.a. heißt es auf Deutsch: „Glei­cher­ma­ßen aber bekennt die Hei­li­ge Syn­ode, daß die­se Pflich­ten der Men­schen [gegen­über der allein wah­ren Reli­gi­on etc.] das Gewis­sen berüh­ren und bin­den, und daß sich die Wahr­heit nicht anders auf­er­legt außer kraft der Wahr­heit sel­ber, wel­che zugleich sanft und macht­voll in die Gei­ster [der Men­schen] ein­fällt.“ Und der nach­fol­gen­de Text spricht sehr dafür, daß damit schon an jene voll­um­fäng­li­che Frei­heit in Reli­gi­ons­an­ge­le­gen­hei­ten ge­dacht ist, wie sie dann ab Nr. 2 expli­ziert ist. Es ist nicht im gering­sten mei­ne Absicht, hier etwas inter­es­se­ge­leitet anzu­schär­fen; aber im Dien­ste der umsich­tigen sach­li­chen Abwä­gung darf auch das nicht über­se­hen werden.

Von der Natur der Sache her sind prag­ma­ti­sche Gesichts­punk­te nach­ran­gig: das ist unser aller Kon­sens als Katho­li­ken, die um den Selbst­wert der Wahr­heit wis­sen. Inso­weit es in der Prag­ma­tik jedoch auch um „Be-wäh­rung“ in der Pra­xis geht, so wird auch dies­be­züg­lich schon noch ein Wört­chen zu reden sein. Als jemand, der, wenn­gleich per­sön­lich unbe­deu­tend, den­noch sich anschickt, einen Vor­schlag in äußerst gewich­ti­ger Sache vor­zu­tra­gen, der hie und dort viel­leicht doch (schon mal mehr als einem lieb sein kann) Gehör fin­det, weiß ich gera­de hier um die schwe­re Last der Ver­ant­wor­tung. Kon­kret den­ke ich dabei an unse­re Schwe­stern und Brü­der in der wei­ten Welt, zumal dort, wo der Glau­be ver­folgt wird, wie natür­lich an die Aus­brei­tung des Glau­bens selbst. Die Religionsfrei­heit ist einer der Haupt­stütz­pfei­ler der nach­kon­zi­liä­ren Vati­ka­ni­schen Außen- und Mis­si­ons­po­li­tik!!! Da sägt man nicht ein­fach so mal leicht­fer­tig dran rum. Ohne jede Atti­tü­de hoch­mü­ti­gen Beleh­rens o.ä. darf ich daher die­sen Gesichts­punkt unse­ren (über alle Distanz hin­weg) Freun­den von der Pius­bru­der­schaft wärm­stens ans Herz legen! Bei allem auf­rich­ti­gem Eifer, bei der bit­te­ren Erfah­rung von Aus­gren­zung auch in unse­ren Brei­ten: wir sind kei­ne dio­kle­tia­nisch Ver­folg­ten, wir sit­zen immer noch im War­men und theo­re­ti­sie­ren (cum gra­no salis gesagt); wäh­rend für ande­re viel auf dem Spiel steht (der Papst muß­te da bei sei­ner Regens­bur­ger Rede auch ler­nen). Und da habe ich dann doch Ver­ständnis dafür, wenn man in Rom star­ke inne­re Wider­stän­de ver­spürt, sich auf ein sol­ches Unter­fan­gen, wie ich es hier vor­schla­ge, über­haupt ein­zu­las­sen, näm­lich ein prin­zi­pi­el­les Zur-Dis­po­si­ti­on-Stel­len der Reli­gi­ons­frei­heit. Mit Blick näm­lich auf die nicht zu umge­hen­de öffent­li­che Wir­kung welt­weit. Das muß man sich wirk­lich auch mal auf der Zun­ge zer­ge­hen las­sen. Die­se Relati­vierung mei­nes Begeh­rens, man möge die Reli­gi­ons­frei­heit prin­zi­pi­ell mal zur Dis­po­si­ti­on stel­len, erken­ne ich damit auch an; hier kommt man auch an Grenzen.

Auch wenn damit die Kon­si­stenz mei­ner Argu­men­ta­ti­on grenz­wer­tig wird: Es gilt eben auch: Wahr­heit ist nicht Prag­ma, und der Zweck hei­ligt nicht die Mit­tel. Oben­drein möch­te ich fol­gen­des, wirk­lich nur vor­sich­tig, andeu­ten: Wie trag­fä­hig ist die Opti­on Reli­gi­ons­frei­heit in prag­ma­tisch-poli­ti­scher Hin­sicht über­haupt noch? Ich deu­te­te es oben schon an: schon in unse­rer west­li­chen Welt wird die Basis schmä­ler. Und bei der enor­men geo­po­li­ti­schen Kräftever­schie­bung, die wir zur Zeit erle­ben, fragt sich schon, ob das sei­ner fak­ti­schen Aner­kennung und Durch­set­zung nach eng mit der west­li­chen Gei­stes­ge­schich­te ver­bundene Ide­al der Reli­gi­ons­frei­heit gro­ße Chan­cen hat, hier lang­fri­stig eine Rol­le zu spie­len. (Die Chi­ne­sen den­ken nicht dran; und wo man in der islami­schen Welt „mehr Demo­kra­tie wagen“ will, so ist das auch nicht unbe­dingt das, was man sich bei uns, bis­lang jeden­falls, dar­un­ter vorstellt.)

Um den Faden nicht zu ver­lie­ren: Die Lösung des Pro­blems der Religionsfrei­heit steht inso­fern an, als der Frie­de mit der FSSPX ent­we­der nur schwer bis gar nicht mög­lich ist oder ein fort­wäh­rend fra­gi­ler bleibt, solan­ge die­ser Zank­ap­fel bleibt. Und war­um mir die­ser Frie­de not­wen­dig scheint, habe ich in mei­nem Vor­gän­ger­bei­trag dar­ge­tan, frei­lich knapp und essay­haft (aber ich mei­ne, deut­lich genug). Aber davon ganz abge­se­hen, bleibt die Hypo­thek einer unge­klär­ten Anschluß­fä­hig­keit von „Dignita­tis hum­a­nae“ an die Tra­di­ti­on enorm, gleich wie sich unse­re Bezie­hun­gen zur FSSPX in Zukunft gestal­ten. – Frei­lich weiß ich auch um die Gefahr der Eng­füh­rung: Ich mag nicht nega­tiv prä­ju­di­ziert haben, daß es vor­ran­gi­ge Gesichts­punk­te gibt, wel­che die Dring­lich­keit, die ich sehe, relativie­ren. Hier kom­men frei­lich Impon­de­ra­bi­li­en ins Spiel, für deren rech­te Abwä­gung ich mei­ner­seits nicht mehr auf­kom­men kann. Unter sol­chen Vorbe­halten daher fol­gen­der Vorschlag:

  1. Die FSSPX wird rekon­zi­li­iert, ohne daß ihr ein aus­drück­li­ches Bekennt­nis zum Kon­zil abver­langt wird. Ich habe oben ange­deu­tet, war­um nach mei­nem Dafür­hal­ten dies­seits des The­mas Reli­gi­ons­frei­heit die wirk­lich dok­tri­nal-sach­li­chen Dif­fe­ren­zen (etwas ande­res sind die kir­chen­po­li­tisch-pro­gram­ma­ti­schen etc.) mar­ginal sind.
  2. Gleich­zei­tig geschieht dies unter Inan­griff­nah­me einer Klä­rung des strit­ti­gen The­mas „Anschluß­fä­hig­keit von ‚Dignita­tis hum­a­nae‘ an die Tra­di­ti­on“ durch ein päpst­lich ein­ge­setz­tes Exper­ten­gre­mi­um, das durch sei­ne Lehr­amtstreue eben­so wie in sei­ner Fach­kom­pe­tenz aus­ge­wie­sen ist. Natür­lich kön­nen, je nach wirk­li­chem Bedarf, ande­re The­men­ge­bie­te ein­be­zo­gen wer­den. – Die FSSPX ist, in wel­cher Wei­se auch immer, dar­an so zu betei­li­gen, daß die unab­ding­ba­re Ver­trau­ens­bil­dung gewähr­lei­stet ist, was näm­lich das her­an­rei­fen müs­sen­de Urteil angeht. Im Gegen­zug ver­pflich­tet sie sich, den päpst­li­chen Schieds­spruch (sie­he 4.) zu akzep­tie­ren, gleich wie er ausfällt.
  3. Es erüb­rigt sich eigent­lich, sei aber um der Wich­tig­keit wil­len noch­mals ei­gens fest­ge­stellt: Wirk­li­che Neu­tra­li­tät bei der Urteils­bil­dung, eine Hal­tung der Indif­fe­renz (im igna­tia­ni­schen Sin­ne!) ist unab­ding­bar, damit in eben­so unab­ding­ba­rer Ver­trau­ens­wür­dig­keit das Urteil her­an­reift. Bei der Aus­wahl der Exper­ten ist auch auf die­sen Gesichts­punkt zu ach­ten. In sol­cher Neutra­lität bzw. Indif­fe­renz muß aber auch das zu bil­den­de Urteil von allen akzep­tiert werden.
  4. Wenn all dies in einer Wei­se gesche­hen ist, die für alle nach objek­ti­ven Maß­stäben trans­pa­rent ist, sorgt ein päpst­li­cher Schieds­spruch für for­ma­le Klar­heit. Eine Kathe­dra­l­ent­schei­dung kann hier nicht mehr aus­ge­schlos­sen wer­den, ist unter Umstän­den gar das Unumgängliche.

Natür­lich steht das Gan­ze unter einer wich­ti­gen Vor­aus­set­zung: Die nega­ti­ve Anschluß­fä­hig­keit aller Kon­zils­aus­sa­gen an die Tra­di­ti­on muß (min­de­stens) in­soweit vor­aus­ge­setzt wer­den, als ein ein­deu­ti­ger, und sei es bloß mate­ri­el­ler, Wider­spruch eines Öku­me­ni­schen Kon­zils gegen das offen­kun­dig im ‚Deposi­tum fidei‘ Ent­hal­te­ne unbe­dingt aus­zu­schlie­ßen ist!!! Es geht nicht an zu be­haupten, nahe­zu der gan­ze Lehr­kör­per der Kir­che sei vom Glau­ben abge­fal­len, um dann doch irgend­wie sei­ne recht­mä­ßi­ge Stel­lung zu behal­ten. Hier muß wohl auch die Pius­bru­der­schaft, par­ti­ell wenig­stens, so man­che Apo­sta­sier­he­to­rik in ihren eige­nen Rei­hen über­den­ken! Da kann nichts erlas­sen wer­den. Da ist denn auch für mich die Unter­gren­ze, die zur Dis­po­si­ti­on zu stel­len mir mein Gewis­sen verbietet.

Noch ein­mal: Daß es rich­tig und gebo­ten ist, die­sem Vor­schlag zu fol­gen, dafür kann ich sel­ber ange­sichts zahl­rei­cher Impon­de­ra­bi­li­en nicht bür­gen. Es ist nicht so, daß ich mir mei­ner Sache abso­lut sicher bin; Zwei­fel blei­ben. Dafür ist es, schon mei­ner­seits, nur ein Vor­schlag. Jedoch wäh­ne ich mich berech­tigt, wenn nicht ver­pflich­tet, die­sen Vor­schlag an die kirch­li­che Öffent­lich­keit zu brin­gen, damit er hof­fent­lich – so er vor Gott Bestand hat – das hin­rei­chen­de Maß an Auf­merk­sam­keit fin­det. Was mich jedoch unter nega­ti­vem Gesichts­punkt sicher macht, ist, daß ich vor Gott und mei­nem Gewis­sen damit nichts Fal­sches sage, näm­lich nichts, was gegen die Glau­bens­re­gel und das ‚sen­ti­re cum eccle­sia‘ ver­stößt. Ich wer­fe ja nicht das Kon­zil über Bord; ich stel­le nur chro­ni­fi­ziert Strit­ti­ges zur Dis­po­si­ti­on für eine Über­prü­fung, näm­lich dort, wo auf dem Kon­zil dies­seits der Gewiß­heits­stu­fe „de divina divina (vel eti­am eccle­siastica)“ gespro­chen wur­de. Und dies, damit Frie­de, Sicher­heit und Kon­sens ‚in doc­tri­na­li­bus‘ einkehre.

Und eigent­lich gibt es an die­sem for­ma­len Ver­fah­ren, wie­der­um zumin­dest in nega­ti­ver Hin­sicht, nichts, was für einen katho­li­schen Chri­sten nicht in Fra­ge kom­men kann. Was spricht gegen Klar­heit? „Veri­ta­te quid veri­us? – Cla­ritate quid cla­ri­us?“ Oder weiß man sich be­stimmten welt­an­schau­li­chen Optio­nen doch mehr ver­pflich­tet als der Klar­heit des Wor­tes Got­tes? Ist letz­te­res mehr an die Adres­se jener gesagt, die man zur Par­tei der „Libe­ra­len“ zäh­len mag (man gestat­te mir die­se Ober­fläch­lich­keit), so sage ich frei­mü­tig zur Pius­bru­der­schaft: Alles, was die Fra­gen Eurer kano­ni­schen Legi­ti­mie­rung etc. angeht, stel­le ich Got­tes Urteil anheim. Und ich geste­he ger­ne mei­ne, Gott weiß war­um, Schwä­che für die „buck­li­ge Ver­wandt­schaft“, wie es jemand genannt hat. Und ich schät­ze an Euch den schier her­ben Charme der Beharr­lich­keit, das Ker­ni­ge, das auf die immer gül­ti­ge Wahr­heit ver­weist. Aber ein biß­chen möch­te ich doch war­nen vor dem, was es halt auch geben kann: Feti­schi­sie­rung der eige­nen Boc­kigkeit. Und wirk­lich ger­ne sage auch ich, Gott das letz­te Urteil vor­be­hal­ten, „mer­ci, Mon­sieur“; aber ihr müßt Euch auch ent­schei­den, wor­um es Euch wirk­lich geht: um das, wenn auch tra­gisch mit-lei­den­de, Leben mit der Kir­che oder den Genuß einer fast abenteu­erbesessenen Freischärlerexistenz.

Mit mei­nem eige­nen Geschick will ich nun nie­mand bedrän­gen, zumal mir sol­che ver­ein­nah­men­den Indis­kre­tio­nen eher pein­lich sind. Aber darf ich in aller Demut dar­auf hin­wei­sen, daß aller Ver­mu­tung nach auf der Ebe­ne mei­ner eige­nen aka­de­mi­schen Exi­stenz mein eige­ner Schei­ter­hau­fen inzwi­schen längst ab­gefackelt ist? Zie­he man auf allen Sei­ten, die ich hier anzu­spre­chen und zu errei­chen geden­ke, bit­te ein­mal in Erwä­gung, was einen Men­schen bewegt, so zu han­deln! Und von der Pius­bru­der­schaft hat mich nie­mand geru­fen, wie ich auch nicht ihr Sach­wal­ter bin. Ich ste­he ihr nur wohl­wol­lend gegen­über, der ich Par­tei für die Sache von Mut­ter Kir­che ergrei­fen möch­te. – Weiß um die eige­ne Irr­tumsanfäl­ligkeit, um die Viel­schich­tig­keit von Moti­ven etc.; und gebe Gott, daß es ein Akt auf­rich­ti­ger Lie­be war und sei, ohne die alles wert­los ist (cf. 1 Kor 13,3).

Und ich begeh­re nicht, mich wich­tig zu machen und Auf­se­hen zu erre­gen, wie ich mich auch ungern ver­ein­nah­men las­se. Ich war und bin ein Mensch, der sel­ber denkt, und dar­an hat sich nichts geän­dert, und da soll sich nie­mand täu­schen. Und eine Devi­se von mir lau­tet nach­wie­vor: „Bene vixit, bene qui latuit!“ Ist doch unser wirk­li­ches Leben „mit Chri­stus ver­bor­gen in Gott“ (cf. Kol 3,3).

Des­halb: Von Her­zen auf­rich­ti­gen Dank allen, die mir Zuspruch schen­ken, In­teresse an mir zei­gen, für mich beten etc.! Trotz­dem bit­te ich, ohne irri­tie­ren zu wol­len, in Zukunft von Zuschrif­ten und Anfra­gen etc. abzu­se­hen. Ich weiß das Wohl­mei­nen zu schät­zen: statt des­sen bit­te ich, die gute Sache und auch ein we­nig mich selbst in das Gebet und das Hei­li­ge Opfer hin­ein­zu­neh­men. Da möge man nicht genug dran tun.

Eine Per­so­nen­grup­pe habe ich bis­lang in mei­nen Aus­füh­run­gen wei­test­ge­hend außen vor­ge­las­sen, mit denen ich bis zur Stun­de aber viel zu tun hat­te, die, sa­gen wir es pau­schal-grob­schläch­tig, „Libe­ra­len“, die bei uns in Deutsch­land die größ­te Grup­pe stel­len. Daß ich sel­ber da nun außen vor bin, das ist nicht so wich­tig. Aller­dings möch­te ich mei­ner­seits den Gesprächs­fa­den nicht abrei­ßen las­sen. Frei­lich dürf­te der jetzt schwer zu fin­den sein. Noch unge­wis­ser, ob ich über­haupt noch Gehör fin­de. – Trotz­dem: So sehr ich, wie man sieht, gera­de auch poli­tisch den­ke und emp­fin­de, so wenig bin ich poli­tisch in mei­ner Lebens­führung. Es ist dies nicht die Über­heb­lich­keit des Intel­lek­tu­el­len, der über allem ste­hen will, nir­gends sich ein­ord­nen las­sen will (schier wie der Herr­gott). Aber, ob man´s glaubt oder nicht: ich bin nicht „rechts“ im Sin­ne einer, wie soll ich sagen, sozi­al­psy­cho­lo­gi­schen Ein­ord­nung mit bestimm­ter affek­ti­ver Befindlich­keit, einer fast kano­ni­schen Pro­blem­sich­tung, die sich dann in einer enggeführ­ten Dik­ti­on zu äußern hat. Frei­lich, noch viel weni­ger bin ich „links“. Ich weiß, daß es so ist; und Gott natür­lich noch unend­lich mehr. Den Neu­tra­len spie­le ich trotz­dem nicht. Ent­schie­den rechts weiß ich mich aller­dings im Be­wußtsein der Ver­pflich­tung auf ein Rich­tend-Rich­ti­ges, eine „rec­ti­tu­do“, die von Gott kommt, ja in sei­nem Wesen begrün­det ist; und das bzw. die (und da begin­nen wohl die Unter­schie­de) eine ein­zig­ar­ti­ge unma­ni­pu­lier­ba­re Prä­senz hat: in der Offenba­rung, den Sakra­men­ten der Kir­che etc. Es gibt eine Sta­tik, die für sich sel­ber spricht, um nicht mehr in eine Dyna­mik auf­ge­löst wer­den zu müs­sen. Am greif­barsten im Sakra­ment der Eucha­ri­stie: Ich weiß noch um eine Zeit, da es mir sehr schlecht ging und ich aus dem nor­ma­len Lebens­be­trieb mal zwi­schendurch aus­schei­den muß­te. Und es ist mir etwas auf­ge­gan­gen bei der Teil­nahme an ei­ner Fron­leich­nams­pro­zes­si­on: Das Größ­te ist, daß es so ist – und die Freu­de dar­an, wovon ich einen Schim­mer ver­spü­ren durf­te am Hoch­fest des Wört­chens „ist“. Und des­halb gilt auch für den Theo­lo­gen auf sei­ne Wei­se: „quan­tum potes, tan­tum aude!“ Ist viel­leicht bloß Gestam­mel; aber über sol­che Din­ge wäre zu reden. Und da zei­gen sich dann viel­leicht die Unter­schie­de, wenn­gleich dies al­les zu pau­schal gespro­chen ist, wie ich gestehe.

Kann nur hof­fen, daß ich Gehör fin­de. Schlie­ßen möch­te ich mit zwei Ab­schnitten aus der Hei­li­gen Schrift, die sich zu mei­nem Anlie­gen mit am besten in Bezug set­zen las­sen (man kom­me bit­te nicht auf den Gedan­ken, ich woll­te auf mich sel­ber anspielen):

„Seht, ich schicke euch den Pro­phe­ten Eli­as, bevor er kommt der Tag des Herrn, der gro­ße und schreck­li­che. Und er wird das Herz der Väter den Söh­nen zuwen­den, und das Herz der Söh­ne zu ihren Vätern. Damit ich nicht viel­leicht doch kom­me und das Land mit dem Ban­ne schla­ge.“ (Malea­chi 4,5sq.)

„ … und die Pfor­ten der Höl­le wer­den sie nicht über­wäl­ti­gen. Ich wer­de Dir [Petrus!] die Schlüs­sel des Him­mel­rei­ches geben … “ (Mat­thä­us 16,18bsq.)

Und mei­ne eige­ne Rede schlie­ße ich, frei­lich „cum gra­no salis“ in der Anwen­dung und doch mit gutem Grund, mit Hiob:

„Manum meam ponam super os meum. Unum locu­tus sum, quod utinam non dixis­sem; et alter­um; qui­bus ultra non addam.“ (39,35)

Dr. theol. Klaus Oben­au­er ist Pri­vat­do­zenz für Dog­ma­ti­sche Theo­lo­gie an der katho­lisch-theo­lo­gi­schen Fakul­tät der Uni­ver­si­tät Bonn.

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