Verschwundene Untergrundbischöfe Chinas zu „Menschen des Jahres 2011“ gekürt – 90 Jahre Gefangenschaft


(Peking/​Vatikan) Am Ende des Jah­res küren zahl­rei­che Medi­en Per­so­nen, (Un-)Wörter, Ereig­nis­se. Eine die­ser belieb­ten media­len Spie­le­rei­en ist die Kür der berühm­te­sten Men­schen des Jah­res. Meist kom­men die Erwähl­ten aus Poli­tik, Kul­tur oder Wirt­schaft. Am bekann­te­sten ist die Kür des Time Maga­zi­ne. In New York wur­de für das Jahr 2011 nicht ein „Mensch des Jah­res“ aus­ge­wählt, son­dern eine gan­ze Bewe­gung: Die Jugend­li­chen des „ara­bi­schen Frühlings“.

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Die katho­li­sche Nach­rich­ten­agen­tur Asia­news traf ihre alter­na­ti­ve Kür, der sich auch Katho­li­sches – Das Maga­zin für Kir­che und Kul­tur anschließt. Asia­news kür­te zwei Män­ner zu den Men­schen des Jah­res 2011, über die nor­ma­ler­wei­se kein Medi­um schreibt und die kei­ner­lei öffent­li­che Aner­ken­nung erfah­ren. Zwei Män­ner, die für die Welt­öf­fent­lich­keit in Ver­ges­sen­heit gera­ten sind, trotz ihres jahr­zehn­te­lan­gen Kamp­fes für Wahr­heit, Men­schen­wür­de und Gerech­tig­keit. Asia­news kür­te gewis­ser­ma­ßen die „per­fek­ten Unbekannten“.

Es han­delt sich um zwei Kir­chen­ver­tre­ter, zwei chi­ne­si­sche Bischö­fe der Unter­grund­kir­che, die vor Jahr­zehn­ten von der kom­mu­ni­sti­schen Poli­zei ent­führt und ver­schleppt wur­den und von denen man seit­her nichts mehr weiß. Man kennt weder den Ort, an dem sie seit­her gefan­gen­ge­hal­ten wer­den noch weiß man, ob sie über­haupt noch leben. Letz­te­res wird ange­nom­men, da die Behör­den bis­her zumin­dest nichts Gegen­tei­li­ges mit­ge­teilt haben.

Der erste ist Msgr. Jakob Su Zhi­min, 80 Jah­re alt, davon 40 Jah­re im Gefängnis.
Der zwei­te ist Msgr. Cos­mas Shi Enxiang, 90 Jah­re alt, davon 50 Jah­ren im Gefängnis.

Der 80 jäh­ri­ge Msgr. Jakob Su Zhi­min ist Bischof von Bao­ding in der Pro­vinz Hebei. Er wur­de zuletzt am 8. Okto­ber 1997 von der Poli­zei ver­haf­tet. Seit­her weiß man weder, was ihm zur Last gelegt wird noch, ob ihm der Pro­zeß gemacht wur­de, ob er ver­ur­teilt wur­de oder wo er gefan­gen­ge­hal­ten wird. Durch Zufall wur­de er im Novem­ber 2003 in einem Kran­ken­haus in Peking erkannt, in dem er behan­delt wur­de, umstellt und bewacht von meh­re­ren Beam­ten des Staats­si­cher­heits­dien­stes. Die durch Umwe­ge benach­rich­tig­ten Ver­wand­ten eil­ten ins Kran­ken­haus. Die über­rasch­te Poli­zei gewähr­te ihnen ledig­lich einen flüch­ti­gen Moment des Wie­der­se­hens, dann wur­de Bischof Su Zhi­min weg­ge­bracht. Seit­her fehlt wie­der jede Spur von ihm.

Der 90jährige Msgr. Cos­mas Shi Enxiang ist Bischof von Yixi­an eben­falls in der Pro­vinz Hebei. Er wur­de zuletzt am 13. April 2001 ver­haf­tet. Von ihm weiß man seit­her über­haupt nichts mehr. Die Ver­wand­ten und die Gläu­bi­gen sei­ner Diö­ze­se rich­ten an Poli­zei und Behör­den immer wie­der Fra­gen nach sei­nem Ver­bleib, sto­ßen aber auf eine Mau­er des Schweigens.

Die bei­den Bischö­fe ver­die­nen es, neben ande­ren Dis­si­den­ten genannt zu wer­den, wie dem Nobel­preis­trä­ger Liu Xia­o­bo und Bao Tong, weil sie sich mit ihrem Leben seit Jahr­zehn­ten für die Frei­heit des Indi­vi­du­ums, die Reli­gi­ons­frei­heit und die Men­schen­rech­te ein­set­zen. Asia­news bezeich­net sie als „Pro­phe­ten der Frei­heit“. Sie zäh­len zu den „Ersten“, die ver­folgt wer­den, zu den „Ersten“, die Haus­ar­rest und Gefan­gen­schaft erlei­den, zu den „Ersten“, die sich mit Appel­len an die inter­na­tio­na­le Gemein­schaft wand­ten und zu den „Ersten“, die ver­ges­sen wurden.

Bereits vor sei­ner Ver­haf­tung 1997 hat­te Bischof Su Zhi­min mit Unter­bre­chun­gen 26 Jah­re in Poli­zei­ge­wahr­sam, Gefan­gen­schaft, Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern, bei Zwangs­ar­beit und im Haus­ar­rest ver­bracht. Seit den 50er Jah­ren des vori­gen Jahr­hun­derts ist er als „Kon­ter­re­vo­lu­tio­när“ im Visier des kom­mu­ni­sti­schen Regimes. Er wei­ger­te sich stets, der regi­me­hö­ri­gen Patrio­ti­schen Ver­ei­ni­gung bei­zu­tre­ten, mit deren Hil­fe die Kom­mu­ni­sti­sche Par­tei die katho­li­sche Kir­che Chi­nas kon­trol­lie­ren will. 1996 rich­te­te er aus dem Unter­grund einen Offe­nen Brief an die Regie­rung in Peking, mit dem er for­der­te, die Men­schen­rech­te und die Reli­gi­ons­frei­heit des Vol­kes zu respek­tie­ren. Der Brief gilt als Schlüs­sel­do­ku­ment des katho­li­schen Wider­stan­des in Chi­na. Er fand im Unter­grund gro­ße Ver­brei­tung und wird noch heu­te geheim her­um­ge­reicht. Ins­ge­samt ver­brach­te Bischof Su Zhi­min bereits 40 Jah­re in Gefangenschaft.

Bischof Shi Enxiang befin­det sich noch län­ger in Gefan­gen­schaft. Von 1957 bis 1980 war er in Lager­haft und wur­de zur Zwangs­ar­beit ein­ge­setzt, von den staat­li­chen land­wirt­schaft­li­chen Betrie­ben von Hei­longjiang bis zu den Koh­le­berg­wer­ken von Shanxi. 1983 wur­de er erneut für drei Jah­re gefan­gen­ge­hal­ten, auf die wei­te­re drei Jah­re Haus­ar­rest folg­ten. Kaum frei, wur­de er 1989, als sich die Bischofs­kon­fe­renz der Unter­grund­bi­schö­fe kon­sti­tu­ier­te, wie­der ver­haf­tet und erst 1993 wie­der frei­ge­las­sen. Ins­ge­samt ver­brach­te er bereits 51 Jah­re in Gefangenschaft.

Wäh­rend im kom­mu­ni­sti­schen Chi­na die sozia­len Unru­hen für Gerech­tig­keit und Men­schen­wür­de unter den Arbei­tern und Bau­ern zuneh­men, soll an die­se bei­den Kämp­fer für Wahr­heit und Gerech­tig­keit erin­nert wer­den, die nie auf­ge­ge­ben haben und häu­fig allein kämpf­ten, ohne die Unter­stüt­zung moder­nen sozia­ler Kom­mu­ni­ka­ti­ons­net­ze wie Face­book oder Twitter.

Es ist not­wen­dig, an die­se bei­den gro­ßen Bischofs­ge­stal­ten zu erin­nern, da nicht nur die Gefahr besteht, daß das Pekin­ger Regime sie in Haft ster­ben läßt, son­dern sie in Haft zu Tode gefol­tert wer­den, wie es bereits bei ande­ren inhaf­tier­ten Bischö­fen der Fall war. Im Gefäng­nis zu Tode gefol­tert wur­de 1992 unter ande­ren auch Msgr. Peter Joseph Fan Xuey­an, der Vor­gän­ger von Msgr. Su Zhi­min als Bischof von Bao­ding. Msgr. Su Zhi­min folg­te im Unter­grund als Bischof nach. Offi­zi­ell gilt der Bischofs­sitz seit der Ermor­dung von Bischof Fan Xuey­an als vakant. Die Diö­ze­se von Yixi­an ist bereits seit 1961 vakant. Seit dem Tod des letz­ten regu­lä­ren Bischofs kann sie nur mehr durch Bischö­fe im Unter­grund gelei­tet werden.

Zu den ermor­de­ten Bischö­fen der jüng­sten Zeit gehö­ren auch Msgr. John Gao Kexi­an (2006) und Msgr. John Han Din­gxi­an (2007).

Die offi­zi­el­le Ant­wort des kom­mu­ni­sti­schen Regimes auf Anfra­gen von inter­na­tio­na­ler Sei­te und aus­län­di­schen Per­sön­lich­kei­ten lau­tet stan­dard­mä­ßig, man wis­se nichts über den Ver­bleib der Bischö­fe und ande­rer ver­haf­te­ter Chri­sten. „Wir wis­sen nichts“, lau­tet auch die Ant­wort, die der Vati­kan regel­mä­ßig erhält, selbst dann, wenn außer­halb der offi­zi­el­len diplo­ma­ti­schen Gesprä­che unter vier Augen mit hoch­ran­gi­gen chi­ne­si­schen Funk­tio­nä­ren gespro­chen wird.

Aus Angst, die Lage der Ver­haf­te­ten zu ver­schlim­mern, wer­den die Namen der Ver­folg­ten in den öffent­lich zugäng­li­chen Gebe­ten der chi­ne­si­schen Kir­che nie erwähnt. Dies geschieht nur hin­ter ver­schlos­se­nen Türen.

Asia­news kri­ti­siert die vati­ka­ni­sche „Sanft­heit“, die bis­her im Dia­log mit den chi­ne­si­schen Behör­den nicht imstan­de war, die Frei­las­sung der bei­den Bischö­fe zu errei­chen, die als Sym­bol­ge­stal­ten für die vie­len gefan­ge­nen Chri­sten gel­ten, die in den Lao­gai, den kom­mu­ni­sti­schen Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern schmachten.

Asia­news „wünscht“ sich des­halb von der vati­ka­ni­schen Chi­na-Kom­mis­si­on, daß sie 2012 die Frei­las­sung der bei­den Bischö­fe zur „Bedin­gung“ für die Fort­set­zung des Dia­logs macht.

Text: Asianews/​Giuseppe Nardi
Bild: Asianews

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