Kardinal Ouellet: Die neuen Bischöfe müssen Theologen und „Defensores Fidei, Ecclesiae et Papae“ sein


(Vati­kan) Kar­di­nal Marc Ouel­let, der ener­gi­sche und unbeug­sa­me Prä­fekt der Kon­gre­ga­ti­on für die Bischö­fe, zog in einem Inter­view der katho­li­schen Tages­zei­tung Avve­ni­re Bilanz sei­nes ersten Jah­res in Rom. Der Fran­ko­ka­na­di­er lei­tet an der römi­schen Kurie eine für die von Papst Bene­dikt XVI. ange­streb­te Erneue­rung der Kir­che stra­te­gisch wich­ti­ge Kon­gre­ga­ti­on. Das Gespräch führ­te Gian­ni Cardinale.

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Die Bischofs­kon­gre­ga­ti­on berei­tet für den Papst die Ernen­nung zahl­rei­cher Bischö­fe rund um den Erd­kreis vor. Kon­kret die mei­sten Bischö­fe Euro­pas, Ame­ri­kas sowie Austra­li­ens und der Phil­ip­pi­nen. Die Grün­de für die­se auf den ersten Blick selt­sam erschei­nen­de kirch­li­che Auf­tei­lung der Welt sind in der Geschich­te zu suchen. Der mehr­spra­chi­ge bekann­te Theo­lo­ge, ein Schü­ler Hans Urs von Bal­tha­sars, brach­te sowohl eine rei­che aka­de­mi­sche als auch pasto­ra­le Erfah­rung mit nach Rom.

Vor allem die regel­mä­ßi­gen Bespre­chun­gen mit dem Papst, nor­ma­ler­wei­se jeden Sams­tag, bezeich­ne­te Kar­di­nal Ouel­let als „die posi­tiv­ste Sache“, denn zunächst gilt es die gan­zen Bera­tungs­me­cha­nis­men zu durch­lau­fen und bei den an jedem Don­ners­tag statt­fin­den­den Sit­zun­gen der Kon­gre­ga­ti­on die ver­schie­de­nen Mei­nun­gen der Kon­gre­ga­ti­ons­mit­glie­der ein­zu­ho­len, dann aber gehe es dar­um, die Vor­schlä­ge dem Papst zu unter­brei­ten und mit ihm zu bespre­chen. „Man kann sagen, die­ses erste Jahr war eine Schu­le. Ein biß­chen hart und for­dernd“, so Kar­di­nal Ouellet.

Ist die Arbeit als Prä­fekt der Kon­gre­ga­ti­on für die Bischö­fe so schwierig?

Es ist kei­ne Klei­nig­keit. Man muß viel zuhö­ren, die vie­len Orts­kir­chen auf den ver­schie­de­nen Kon­ti­nen­ten gut ken­nen und vie­le Berich­te stu­die­ren. Und da ich über kei­ne Erfah­rung in die­sem Dik­aste­ri­um ver­füg­te, konn­ten manch­mal Unsi­cher­hei­ten auf­tre­ten über die in den ver­schie­de­nen Situa­tio­nen ein­zu­hal­ten­den Wege. Gott sei Dank konn­te ich mich bera­ten und auf die Erfah­rung jener stüt­zen, die seit Jah­ren hier tätig sind. Inzwi­schen ver­ste­he ich die Mecha­nis­men und füh­le mich sicher in der Lei­tung der Kongregation.

Ist es schwie­rig einen Bischof für die katho­li­sche Kir­che zu finden?

Die Kir­che ver­fügt über eine kon­so­li­dier­te Vor­ge­hens­wei­se bei der Ernen­nung von Bischö­fen. Um eine Ent­schei­dung zu tref­fen, wer­den die Mei­nun­gen einer gan­zen Rei­he von Per­so­nen ein­ge­holt, die von Situa­ti­on zu Situa­ti­on vari­ie­ren kön­nen, grund­sätz­lich aber zunächst eine klar umris­se­ne Grup­pe von Per­so­nen umfaßt und dazu dann noch ande­re. Die­se Erhe­bung lie­fert aus­rei­chend Ele­men­te, um eini­ge Kan­di­da­ten aus­zu­schlie­ßen, ande­re zu akzep­tie­ren oder noch­mals ande­re hin­zu­zu­fü­gen. In eini­gen Fäl­len heißt es war­ten und zusätz­li­che Erhe­bun­gen durch­füh­ren. Im gesam­ten han­delt es sich um einen ernst­haf­ten Vor­gang, der in der Regel gut durch­ge­führt wird. Manch­mal gelingt es aller­dings nicht wie beabsichtigt.

In wel­cher Hinsicht?

Es kommt vor, daß der aus­ge­wähl­te Kan­di­dat nicht annimmt.

Wie oft ist das in die­sem Jahr passiert?

Es geschah öfter, als ich mir vor­stel­len konnte.

Wie erklä­ren Sie sich das?

In den ver­gan­ge­nen Jah­ren erwies sich die Auf­ga­be eines Bischofs und der reli­giö­sen wie poli­ti­schen Auto­ri­tät ins­ge­samt, als nicht leicht. Das ist auch eine Fol­ge der Skan­da­le, der Medi­en­kam­pa­gnen und der Anzei­gen wegen sexu­el­ler Miß­bräu­che an Min­der­jäh­ri­gen, die von Prie­stern und Ordens­leu­ten ver­übt wur­den. Man hat Ver­ständ­nis, wenn sich nicht alle in der Lage füh­len, sich sol­chen Situa­tio­nen aus­zu­set­zen. Jeden­falls wird eine sol­che Ent­schei­dung respek­tiert, wenn jemand Grün­de hat, auch per­sön­lich Grün­de, abzulehnen.

Sind Ihnen auch Fäl­le von kirch­li­chem Kar­rie­ris­mus untergekommen?

Es kommt vor, Prie­ster zu sehen, die dar­auf abzie­len, beför­dert zu wer­den. Es kann auch vor­kom­men, daß es Aktio­nen und Druck gibt, um die­se Beför­de­rung zu emp­feh­len und dar­auf zu behar­ren. Des­halb ist es nicht nur wich­tig, die mensch­li­che und affek­ti­ve Rei­fe der Bischofs­kan­di­da­ten zu prü­fen, son­dern auch ihre geist­li­che Rei­fe. Ein Bischof muß wis­sen, für wen er arbei­tet, das heißt für den Herrn und für die Kir­che. Und nicht für sich selbst. Wenn dies der Fall ist, merkt man es an der Art, mit der er sich gibt. Wer hin­ge­gen ein Kar­rie­rist ist, in dem domi­niert das Eigen­in­ter­es­se oder ten­diert zur Dominanz.

Aber alle kön­nen wir der Ver­su­chung zu Ambi­tio­nen erliegen.

Tat­säch­lich gefällt es aner­kannt und beför­dert zu wer­den. Das ist auch legi­tim. Aber Bischof einer Diö­ze­se sein, ob von einer klei­nen, mitt­le­ren oder gro­ßen spielt kei­ne Rol­le, denn in allen dient man in glei­cher Wei­se dem Herrn und Sei­ner Kir­che, ist eine ganz ande­re Sache. Jeden Mor­gen neu muß jeder Bischof damit begin­nen sich zu fra­gen: Für wen arbei­te ich? Wem habe ich mein Leben geschenkt? Er muß selbst­kri­tisch sich und den Beweg­grün­den sei­nes Han­dels, sei­nen Wün­schen und sei­nen per­sön­li­chen Ambi­tio­nen gegen­über bleiben.

Gibt es im Aus­wahl­ver­fah­ren für die Bischö­fe etwas zu verbessern?

Der­zeit wer­den, auch im Fahr­was­ser des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils, das die bischöf­li­che Kol­le­gia­li­tät beton­te, bei der Aus­wahl der neu­en Nach­fol­ger der Apo­stel auch jene befragt, die bereits Bischö­fe sind sowie ande­re Kir­chen­ver­tre­ter und Lai­en, von denen man sich ein kla­res Urteils­ver­mö­gen erwar­tet und von aner­kann­tem sen­su Eccle­siae. Das Ziel des Mecha­nis­mus, der zur Aus­wahl eines Bischofs führt, ist der die Eig­nung eines Kle­ri­kers für die­se Mis­si­on zu prü­fen. Die Regeln sind aber nicht per­fekt. Es kann gesche­hen, daß der Papst, wenn er eine Per­sön­lich­keit und eine Situa­ti­on gut kennt, bereits kla­re Vor­stel­lung davon hat, wie die Lösung für eine bestimm­te Diö­ze­se aus­se­hen kann. In die­sem Fall braucht es weni­ger Erhe­bun­gen. Abge­se­hen von sol­chen spe­zi­fi­schen Fäl­len, bemüht man sich die Regeln und die gel­ten­de Vor­gangs­wei­se ein­zu­hal­ten, die grund­sätz­lich brauch­bar scheinen.

Vor Jah­ren äußer­te einer Ihrer Vor­gän­ger, der ver­stor­be­ne Kar­di­nal Ber­nar­din Gan­tin, den Wunsch, daß man als Gegen­mit­tel gegen Kar­rie­ris­mus wie­der zur alten Pra­xis der Kir­che zurück­keh­ren möge, die Ver­set­zun­gen von einer Diö­ze­se in die ande­re unter­sag­te. Was den­ke Sie dazu?

Mir scheint, ich habe noch nicht über aus­rei­chend Erfah­rung, um jetzt auf eine sol­che Fra­ge ant­wor­ten zu kön­nen. Ich kann aber hin­zu­fü­gen, daß ein Bischof ein­mal ernannt sagen müß­te: Das ist mein Platz, den ich vom Herrn im Dienst für Sei­ne Kir­che erhal­te, die Sein Kör­per und Sei­ne Braut ist und ich schen­ke mich völ­lig die­ser spe­zi­el­len Kir­che. Kein Bischof soll­te per­sön­li­che ande­re Sor­gen haben. Wenn eine gro­ße und bedeu­ten­de Erz­diö­ze­se zu beset­zen ist, ist es jedoch ver­nünf­tig, daß man unter den Bischö­fen sucht, die sich bereits unter Beweis gestellt und bewährt haben und daher zu einer höhe­ren Ver­ant­wor­tung beru­fen wer­den kön­nen. Sicher, die­se an sich ver­nünf­ti­ge Pra­xis kann in man­chem die Erwar­tung auf eine Beför­de­rung näh­ren. In die­sem Fall liegt das Pro­blem aller­dings nicht in der Ver­set­zung von einem Bischofs­stuhl auf den ande­ren, son­dern in der geist­li­chen Rei­fe des Bischofs. Wenn einer sol­che Erwar­tun­gen hegt, dann ist es bes­ser, wenn er bleibt, wo er ist.

Der Catho­lic News Ser­vice bemerk­te, daß die ad limi­na-Besu­che nicht mehr alle fünf Jah­re, son­dern alle sie­ben Jah­re statt­fin­den und daß die teil­neh­men­den Bischö­fe nicht mehr alle ein­zeln emp­fan­gen wer­den. Wie das?

Am Ende des Pon­ti­fi­kats von Johan­nes Paul II. konn­te der Besuchs­rhyth­mus aus offen­sicht­li­chen Grün­den nicht mehr ein­ge­hal­ten wer­den. Dar­aus ent­stand in der Pra­xis die­se Ver­schie­bung. Die Vor­schrift, daß die Besu­che alle fünf Jah­re erfol­gen müs­sen, bleibt den­noch auf­recht. Wir arbei­ten dar­an, die­sen Besuchs­rhyth­mus wie­der her­zu­stel­len. Auch wenn das schwie­rig ist, denn es gibt inzwi­schen 5000 Bischö­fe, das ist das Dop­pel­te derer, die am Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil teil­ge­nom­men haben.

Und die Einzelaudienzen?

Das ist eine Fra­ge, die nicht die Kon­gre­ga­ti­on, son­dern direkt den Apo­sto­li­schen Palast betrifft. Auch in die­sem Punkt ist nicht die Vor­schrift, son­dern aus ver­schie­de­nen Grün­den die Pra­xis geän­dert wor­den. Ich bin über­zeugt, wenn ein Bischof begrün­det um einen Ein­zel­emp­fang ansucht, wird man alles tun, um die­sem Wunsch zu entsprechen.

Bis vor weni­gen Jah­ren saßen der Kon­gre­ga­ti­on drei Ita­lie­ner vor, heu­te gibt es nicht ein­mal mehr einen. Ist das nur Zufall?

Ich den­ke nicht, daß irgend­ei­ne Absicht dahin­ter steht. Die Ernen­nung der Bischö­fe ist eine Ange­le­gen­heit, die die gan­ze Welt betrifft. Viel­leicht woll­te man ein Gleich­ge­wicht wie­der­her­stel­len. Es war kein Ide­al­zu­stand, daß alle Ita­lie­ner waren. Die Inter­na­tio­na­li­sie­rung der römi­schen Kurie war eine posi­ti­ve Ent­wick­lung für die Kir­che. Der Kon­gre­ga­ti­on gehö­ren zudem wei­ter­hin vie­le Ita­lie­ner an und das hat durch­aus einen Sinn, denn die Kurie befin­det sich in Rom und weil der Groß­teil des Infor­ma­ti­ons­aus­tauschs mit den Nun­ti­en in Ita­lie­nisch erfolgt.

Emi­nenz, wie muß ein katho­li­scher Bischof sein?

Im Kon­text unse­rer säku­la­ri­sier­ten Gesell­schaf­ten brau­chen wir Bischö­fe, die die ersten Evan­ge­li­sa­to­ren einer Diö­ze­se sind und nicht blo­ße Ver­wal­ter der­sel­ben. Die also imstan­de sind, das Evan­ge­li­um zu ver­kün­den. Die nicht nur theo­lo­gisch treu zum Lehr­amt und zum Papst ste­hen, son­dern auch imstan­de sind, den Glau­ben dar­zu­le­gen und not­falls auch öffent­lich zu ver­tei­di­gen. Abge­se­hen von allen Tugen­den, die nor­ma­ler­wei­se von einem Bischof erwar­tet wer­den, ist die­se Fähig­keit heu­te beson­ders von Nöten.

Text: Avvenire/​Giuseppe Nardi
Bild: Vati­can Insider

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