(Rom/Econe) Eine Antwort der Priesterbruderschaft St. Pius X. auf die „doktrinelle Präambel“ im Sinne eines Gegenvorschlags wird für die nächsten Tage erwartet. Die „Präambel“ wurde am 14. September vom Präfekten der Glaubenskongregation und Vorsitzenden der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei, Kardinal William Levada, ihrem Generaloberen Bischof Bernard Fellay übergeben. Die Annahme oder Ablehnung entscheidet über die volle Einheit der Priesterbruderschaft mit dem Heiligen Stuhl. Der genaue Inhalt der Präambel wird, solange die Verhandlungen noch im Gange sind, von beiden Seiten geheimgehalten.
Die Signale, die aus Econe kommen, dem Sitz des Generalats der 1988 wegen mehrerer unrechtmäßiger Bischofsweihen in offenen Konflikt mit dem Heiligen Stuhl getretenen Priesterbruderschaft, scheinen keine positive Antwort anzukündigen, sollte der Heilige Stuhl auf seinem Text „in der jetzigen Form“ beharren.
Am 8. Dezember, wiederholte Bischof Fellay in einer Predigt zum Fest Maria Empfängnis, daß die Priesterbruderschaft die Präambel, so wie sie derzeit ist, nicht annehmen könne. Dasselbe hatte er bereits vor einigen Wochen in einem Interview geäußert, das im Vatikan mit wenig Freude aufgenommen wurde. Bereits damals kündigte er einen Gegenvorschlag der Bruderschaft an. Hinter den Kulissen scheinen intensive Gespräche über einzelne Worte im Gange zu sein, weshalb sich der Gegenvorschlag verzögerte. Daraus läßt sich entnehmen, daß die Priesterbruderschaft St. Pius X. sich weiterhin um eine Aussöhnung mit Rom bemüht.
Am 2. Dezember hatte der Osservatore Romano einen Aufsatz des Theologen Fernando Ocáriz, Generalvikar des Opus Dei, abgedruckt, der eines der drei Mitglieder der vatikanischen Delegation bei den Lehrgesprächen mit der Piusbruderschaft war. In seinem Aufsatz präzisierte Ocáriz, daß das Zweite Vatikanische Konzil, obwohl es keine neuen Dogmen definierte und ein Pastoralkonzil war, als Konzil nicht geringere Bedeutung habe als andere Konzile. Das Zweite Vaticanum habe, so Ocáriz, das Charisma und die Autorität des gesamten mit und unter der Führung des Petrus versammelten Episkopats, um die Weltkirche zu lehren. Dies zu leugnen, wäre, als würde man etwas von der Substanz der Kirche selbst leugnen. Gleichzeitig bestätige Ocáriz, daß nicht allen Inhalten der Konzilsdokumente dieselbe Bedeutung zukomme und daher nicht alle denselben Grad an Zustimmung erfordern.
Der Heilige Stuhl erklärte bei der Übergabe der „Präambel“ die Bereitschaft, eventuelle Änderungen und Präzisierungen (wenn auch nicht substantielle) im Text zu akzeptieren, falls die Piusbruderschaft zu einigen Punkten Vorbehalte habe. Den Worten von Bischof Fellay zufolge scheint derzeit ein Stillstand zu herrschen, den die Piusbruderschaft mit ihrem Vorschlag zu durchbrechen versuchen will. Dann läge es zudem an Rom, „anzunehmen“ oder „abzulehnen“.
Laut Indiskretionen könnte es nun soweit sein und die Piusbruderschaft in den kommenden Tagen ihren Gegenvorschlag Rom übergeben. Kernpunkt dieses Textes sei eine unmißverständliche Formulierung, daß von der Priesterbruderschaft keine Zustimmung zu den Konzilsdokumenten über die Kollegialität, die Ökumene und die Religionsfreiheit verlangt werde. Auf diese Weise, so zumindest der Vatikanist Andrea Tornielli, könnte Bischof Fellay „die Vereinbarung als Sieg der Lefebvrianer über Rom präsentieren und die starken internen Widerstände gegen die Vereinbarung zum Schweigen bringen“.
Tornielli äußerte sogar die etwas gewagte Meinung, Erzbischof Lefebvre, der verstorbene Gründer der Piusbruderschaft, hätte an dieser Stelle bereits angenommen. Es gibt auch die Ansicht, daß die bereits zweite öffentliche Stellungnahme des Generaloberen und seine Kritik am Zweiten Vatikanischen Konzil erfolgten, um die internen Kritiker unter Kontrolle zu behalten, während es weiterhin sein Bestreben sei, die Verhandlungen erfolgreich zu Ende zu führen und grundsätzlich die Präambel anzunehmen.
Dem kommt entgegen, daß der Heilige Stuhl erklärte, daß die Annahme der Professio fidei kein Ende der Debatte über die Interpretation dieses oder jenes Punktes des Zweiten Vatikanischen Konzils bedeute. Die vatikanischen Behörden scheinen aber nicht bereit, Bischöfen und Priestern die kanonische Anerkennung zu gewähren, die nicht den gemeinsamen Nenner akzeptieren, der von jenen verlangt wird, die ein kirchliches Amt übernehmen.
„Der Geist der Welt ist in die Kirche eingedrungen“, sagte Bischof Fellay am 8. Dezember 2011. „Wir müssen daher nicht nur gegen äußere Feinde kämpfen, sondern auch gegen eine unkatholischen Geist, der sich in der Kirche ausgebreitet hat. Diese Veränderung, das Eindringen dieses Geistes, hat mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil begonnen. Es ist ein großes Geheimnis, es ist als habe der Teufel einen Fuß in das Heiligtum gesetzt. Es ist etwas, das uns erschauern läßt. Es ist eine Krankheit, die in den Körper eingedrungen ist.“
Gleichzeitig erkannte der Generalobere an, daß Rom eine Geste gegenüber der Bruderschaft gesetzt hat. „Wenn Rom von uns aber verlangt, daß wir auf jeden Fall annehmen müssen, können wir nicht.“ Bischof Fellay betont damit, daß das Problem der Kirche nicht in der Meinungsverschiedenheit der Piusbruderschaft liege, sondern in der Anwesenheit eines unkatholischen Geistes, der sich in der Kirche breitgemacht habe.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican Insider