Tansania: Brennende Kirchen und moslemische Gewalt auf Sansibar – Ritualmorde an Albinos


(Dodo­ma) In Tan­sa­nia, einem der ärm­sten Län­der der Welt, leben mehr als 12 Mil­lio­nen Chri­sten. Das ent­spricht einem Bevöl­ke­rungs­an­teil von fast 55 Pro­zent. Die Mos­lems, die am Fest­land vor allem den Küsten­strei­fen bewoh­nen, stel­len 31 Pro­zent der Ein­woh­ner. Das Zusam­men­le­ben zwi­schen den bei­den Reli­gio­nen ver­läuft dort weit­ge­hend konfliktfrei.

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Wo die Mos­lems hin­ge­gen eine kla­re Mehr­heit haben, wie auf der vor­ge­la­ger­ten Gewürz­in­sel San­si­bar mit 98 Pro­zent ist die Lage für die Chri­sten dra­ma­tisch. Nur eini­ge Beispiele:

Am 18. März 2009 wur­den in der tan­sa­ni­schen Haupt­stadt Dodo­ma zwei Pro­te­stan­ten von der Poli­zei ver­haf­tet, weil sie bei einem Got­tes­dienst auf eine Pas­sa­ge des Korans ver­wie­sen. Nach einer Ver­war­nung wur­den sie wie­der ent­haf­tet. Ihnen wur­de auf­er­legt, nicht mehr den Koran zu erwäh­nen, da die Mos­lems eine sol­che Geste „falsch ver­ste­hen“ könn­ten und öffent­li­che Unru­hen zu befürch­ten seien.

Am 19. April 2009 wur­den den Chri­sten einer pro­te­stan­ti­schen Gemein­schaft in San­si­bar-Stadt die von ihnen ange­mie­te­ten Räum­lich­kei­ten gekün­digt unter dem Vor­wand, daß sie reno­viert wer­den müß­ten, was aber bis heu­te nicht gesche­hen ist. Zwei Mona­te nach dem „Raus­wurf“ der Chri­sten, wur­den die Räu­me ohne Reno­vie­rung von einem Mos­lem für kom­mer­zi­el­le Zwecke genützt, teil­te Pastor Luci­an Mgay­way mit. „Die Akti­on hat­te nur ein Ziel: Unse­re Kir­che zu ver­ja­gen, um die Mos­lems zufrie­den­zu­stel­len, die kei­ne Chri­sten in ihrer Gegend haben woll­ten“, so Mgayway.

Am 9. Mai 2009 stürm­ten radi­ka­le Mos­lems eine Pfingst­kir­che in Ung­unia Ukuu am Stadt­rand von San­si­bar. Die Mos­lems ver­trie­ben die Chri­sten und besetz­ten die Räum­lich­kei­ten. Obeid Fabi­an Hofi, der Vor­ste­her der Gemein­schaft, die als Brü­der­li­che Kir­che bekannt ist, berich­te­te, daß sich die Poli­zei gewei­gert habe, ein­zu­grei­fen und den ange­grif­fe­nen Chri­sten zu hel­fen. Die Poli­zei teil­te statt des­sen den Chri­sten mit, daß der Haus­ei­gen­tü­mer das Recht habe, ihnen das Gebet in sei­nen Räum­lich­kei­ten zu verbieten.

In der Nacht des 28. Juni 2009 brann­ten radi­ka­le Mos­lems in Ungu­ja Town­ship auf San­si­bar zwei pro­te­stan­ti­sche Kir­chen nie­der. Auf der Tür eines Gläu­bi­gen, der den Bau einer der Kir­chen finan­ziert hat­te, fand sich die Schrift: „Wir wol­len kei­ne Kir­chen in unse­rer Stra­ße. Heu­te bren­nen wir die Kir­che nie­der. Wenn Du wei­ter­machst, bren­nen wir auch Dein Haus nieder.“

In Dar­essa­lam ver­haf­te­te die Poli­zei im Okto­ber 2009 zwei Chri­sten unter dem Vor­wurf, mit ihren Pre­dig­ten Zwie­tracht zwi­schen Chri­sten und Mos­lems gesät zu haben. Die zwei Ange­klag­ten blie­ben sie­ben Tagen im Gefäng­nis, bis sie gegen Kau­ti­on frei­ge­las­sen wur­den. Sie ver­tei­dig­ten sich damit, daß sie mit mos­le­mi­schen Füh­rern eine öffent­li­che Debat­te ver­ein­bart hat­ten. Ihre Dis­kus­si­ons­part­ner prä­sen­tier­ten sich zum ver­ein­bar­ten Zeit­punkt jedoch mit der Poli­zei. Die bei­den Chri­sten sehen in dem Vor­ge­hen eine Ver­let­zung der Ver­fas­sung, die die Ver­samm­lungs­frei­heit eben­so garan­tiert, wie das Recht, den eige­nen Glau­ben öffent­lich zu beken­nen. Die mos­le­mi­schen Füh­rer hät­ten dage­gen die Poli­zei miß­braucht, um die Chri­sten dar­an zu hin­dern, öffent­lich für ihren Glau­ben einzutreten.

Im ver­gan­ge­nen August brann­ten Isla­mi­sten die Ver­samm­lungs­stät­te der Evan­ge­li­cal Assem­blies of God-Tan­z­a­nia (EAGT) nie­der, die sich auf San­si­bar befand. Die Brand­stif­ter rie­fen wäh­rend ihrer Tat: „Nie­der mit der Kir­che! Wir wol­len nicht, daß Ungläu­bi­ge das Land und unse­re Kin­der ver­un­rei­ni­gen!“ Auch die Kir­che der Free Evan­ge­li­cal Pen­te­co­stal Church in Afri­ca von Kian­ga, einer Stadt rund zehn Kilo­me­ter von San­si­bar ent­fernt, wur­de Ziel eines Brandanschlags.

Die tan­sa­ni­sche Ver­fas­sung garan­tiert die Reli­gi­ons­frei­heit und auch das Recht, die Reli­gi­ons­zu­ge­hö­rig­keit zu ändern. Reli­giö­se Gemein­schaf­ten müs­sen sich regi­strie­ren las­sen, ihre Sta­tu­ten hin­ter­le­gen, ein Ansu­chen stel­len und den Nach­weis erbrin­gen, daß sie zumin­dest zehn Anhän­ger haben. Ihnen ist jede „Ein­mi­schung“ in die Poli­tik verboten.

Gemäß Jah­res­be­richt 2009 des katho­li­schen Hilfs­werks Kir­che in Not woll­ten eini­ge Poli­ti­ker eine Finanz­re­form durch­set­zen, mit der die Steu­er­be­frei­ung reli­giö­ser Gemein­schaf­ten abge­schafft wer­den soll­te. Dage­gen pro­te­stier­te die katho­li­sche Kir­che eben­so wie ande­re christ­li­che Deno­mi­na­tio­nen und isla­mi­sche Grup­pen, da die Abschaf­fung die Exi­stenz der vor allem von reli­giö­sen Gemein­schaf­ten getra­ge­nen Sozi­al­ein­rich­tun­gen und Kran­ken­häu­ser gefähr­det hätte.

Die Regie­rung ver­zich­te­te schließ­lich auf eine Ände­rung der der­zei­ti­gen Steuerbefreiung.

An staat­li­chen Schu­len ist der Reli­gi­ons­un­ter­richt zuge­las­sen, aber kein Pflicht­fach. Die Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten kön­nen Pri­vat­schu­len errich­ten. Es gibt zwei isla­mi­sche Uni­ver­si­tä­ten in Morogo­ro und eine katho­li­sche in Mwanza.

Auf San­si­bar bestehen soge­nann­te Kadi-Gerich­te, die aus­schließ­li­che Zustän­dig­keit für Mos­lems haben. Vor ihnen wer­den Fäl­le des Fami­li­en­rechts, Erb­rechts und des isla­mi­schen Rechts, der Scha­ria ver­han­delt. Urtei­le des Kadi kön­nen nicht vor einem Beru­fungs­ge­richt ange­foch­ten wer­den, son­dern aus­schließ­lich vor einem Spe­zi­al­ge­richts­hof, der sich aus dem Chef der Justiz­be­hör­de von San­si­bar und fünf Scheichs zusammensetzt.

Die Isla­mi­sten drän­gen auf die Errich­tung der Kadi-Gerich­te auch in den ande­ren Pro­vin­zen Tan­sa­ni­as. Die For­de­rung wird vor allem vom Isla­mi­schen Natio­nal­rat von Tan­sa­nia vor­ge­bracht und löste eine hit­zi­ge Debat­te zwi­schen Mos­lems und Chri­sten aus. Die Nicht­mos­lems sind gegen die Schaf­fung einer Par­al­lel­ju­stiz und leh­nen es grund­sätz­lich ab, daß eine Reli­gi­on sich die Zustän­dig­kei­ten staat­li­cher Recht­spre­chung aneignet.

Der Druck hin zu einer eige­nen isla­mi­schen Gerichts­bar­keit und damit ein Ein­drin­gen in staat­li­che Zustän­dig­kei­ten, stellt das ost­afri­ka­ni­sche Land vor gro­ße Her­aus­for­de­run­gen. Vor allem kon­ter­ka­riert die Nach­gie­big­keit in die­sem Bereich den Ein­satz der Regie­rung im Kampf gegen die im Land weit­ver­brei­te­te Zau­be­rei, wie sie auch in ande­ren schwarz­afri­ka­ni­schen Staa­ten anzu­tref­fen ist. Jähr­lich wer­den Fäl­le von Mor­den für ritu­el­le Zwecke bekannt. Die Dun­kel­zif­fer soll um ein Viel­fa­ches höher lie­gen. Men­schen wer­den umge­bracht, um Tei­le ihres Kör­pers für magi­sche Riten zu miss­brau­chen. In Tan­sa­nia wer­den vor allem Albi­nos Opfer die­ser Mor­de. Ihre Auf­fäl­lig­keit hebt sie unver­kenn­bar von ihrer anders­far­bi­gen Umwelt ab. Die Orga­ne der ermor­de­ten Albi­nos, Hän­de, Arme, Augen, Geni­ta­li­en, auch ihr Blut sind von Hexen und Zau­be­rern beson­ders begehrt und wer­den sogar um den Preis von meh­re­ren hun­dert­tau­send Euro gehan­delt. Die Hexer fül­len von den Kör­pern der Ermor­de­ten gewon­ne­nen Tei­le, ver­mengt mit ande­ren Zuta­ten in klei­nen Por­tio­nen ab und ver­kau­fen sie um einen hohen Preis.

Das Leben der tan­sa­ni­schen Albi­nos ist stän­dig bedroht. Die Behör­den for­dern die Bevöl­ke­rung auf, auch anonym jeden Ver­dacht auf Betei­li­gung an den Mor­den, den Lei­chen­schän­dun­gen und dem Geschäft mit den Mix­tu­ren zu mel­den. Am 14. März 2009 gaben Füh­rer der Chri­sten, Mos­lems und Hin­dus auf eine christ­li­che Initia­ti­ve hin eine gemein­sa­me Erklä­rung ab, mit der sie die Regie­rung in ihrem Kampf gegen die Ritu­al­mor­de an Albi­nos und ande­ren Per­so­nen unterstützen.

Text: BQ/​Giuseppe Nardi
Bild: Wikimedia

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