(Kathmandu) Christen des Himalaya-Staates Nepal befinden sich im Hungerstreik. Sie fordern einen Platz, um ihre Toten zu bestatten und werfen der Regierung vor, an einer Lösung der Frage nicht interessiert zu sein. Die Christen begannen den Hungerstreik am 2. November 2011 in Nepals Hauptstadt Kathmandu, wo mehrere Hundert Menschen vor dem Singhadarbar, dem Rathaus der Stadt, demonstrieren. Seither greift die Aktion auf das ganze Land über. Auch in anderen Regionen des Hochgebirgsstaates traten Christen in den Hungerstreik. Ihnen schlossen sich auch Moslems und Kirati an, die vom selben Problem betroffen sind.
Am vergangenen 3. Oktober setzte die Regierung ein Expertenkomitee ein, das innerhalb Monatsende mehrere für die Errichtung von Friedhöfen geeignete Orte prüfen und eine Entscheidung fällen sollte. Christen, Kirati und Moslems pflegen die Erdbestattung, während die hinduistische Bevölkerungsmehrheit ihre Toten verbrennt.
Das Komitee hat sich bisher jedoch nie getroffen, während Nepals Kulturminister darauf beharrt, daß nur nach einer Prüfung durch dieses Komitee eine Entscheidung getroffen werden könne. Die Christen sehen darin eine bewußte Verschleppungstaktik. Die Situation stellt für die religiösen Minderheiten eine schwere Belastung dar. Die Bestattung innerhalb der Stadt ist ihnen verboten. Auf den kleinen bestehenden Friedhöfen herrscht Platznot. In einem Grab werden daher mehrere Tote übereinander bestattet. Die Christen sehen sich gezwungen, ihre Toten heimlich nachts irgendwo zu vergraben. Sie können die Gräber ihrer Verstorbenen nicht mit Kreuzen oder Grabsteinen kennzeichnen aus Angst vor gewalttätigen Reaktionen der Hindus.
Kb Rokaya ist der einzige Christ, der in das siebenköpfige Regierungskomitee berufen wurde. „Ende September informierte man mich über meine Berufung in das Komitee. Seither habe ich jedoch nichts mehr gehört. Die Ernennung wurde mir auch nie offiziell schriftlich mitgeteilt. Ich weiß nur, daß ich der einzige Christ im Komitee bin, das sich fast zur Gänze aus Hindus zusammensetzt“, so Rokaya. Er bestätigte, daß alle Lösungsversuche am mangelnden Willen der Regierung scheitern. „Solange die betroffenen Gemeinschaften von der Entscheidungsfindung de facto ausgeschlossen werden, kann es nie zu einer brauchbaren Lösung kommen“, so Rokaya.
In den vergangenen Jahren wurde in Kathmandu die Immobilienspekulation angeheizt. Die Grundstücke, die einmal für die Errichtung von christlichen Friedhöfen und der anderen religiösen Minderheiten vorgesehen waren, haben sich deshalb deutlich reduziert. 2009 gewährte die Regierung den Christen den Wald von Shleshmantak in der Nähe des hinduistischen Tempels von Rashupatinath. Die Zuweisung löste Proteste der Hindus aus, die in verschiedenen Regionen Nepals zu so heftigen antichristlichen Demonstrationen führte, daß die Regierung die Entscheidung zurücknahm und die Nutzung des Gebiets durch die Christen untersagte. Der Oberste Gerichtshof hob nach einer Klage der Christen das Verbot zwar auf, doch verhindern Polizei und Tempelleitung die Bestattungen in Shleshmantak.
Als Reaktion begannen die Christen im vergangenen Februar mit Protestkundgebungen gegen die rechtswidrige Verweigerungshaltung der Behörden. Bald schlossen sich ihnen mit den Kirati und Moslems andere religiöse Minderheiten an. Die Stadtverwaltung von Kathmandu unterzeichnet seither immer neue Einigungs- und Lösungspapiere, ohne sich jedoch daran zu halten.
Text: Asianews/Giuseppe Nardi
Bild: Asianews