(New York) “Es war die wohl schnellste Heiligsprechung der Geschichte“, kommentierte die katholische Internetagentur Corrispondenza Romana ironisch die Reaktionen auf den Tod von Steve Jobs, dem Gründer von Apple. Internazionale, eine Wochenzeitung für internationale Politik, widmete dem Ereignis eine Sonderbeilage ausschließlich mit dem Nachdruck der Titelseiten von Tageszeitungen und Wochenzeitungen, die dem Tod des „Computerrevolutionärs“ am 5. Oktober 2011 gewidmet wurden. Kein Nachruf, kein Text, nicht einmal eine Kurzbiographie dazu. Huldigung pur oder Dokumentation einer Huldigung?
Die von Jobs 2005 vor den Studenten der Stanford Universität gehaltene Rede gilt als eine Art „Globale Unabhängigkeitserklärung“. Sie gelesen zu haben, gehört noch immer zum „guten Ton“. Selbstinszenierung gehört zum Geschäft. Das wußte Jobs zu Lebzeiten. Das wissen die Apple-Manager heute. Ohne dem kreativen Genie Jobs etwas streitig machen zu wollen, scheint doch etwas zuviel des Aufhebens gemacht zu werden. Jobs war in erster Linie ein Mann mit außerordentlicher unternehmerischer Intuition. Das ist wert, was es eben wert ist. Wie alle hatte er aber auch erhebliche menschliche Grenzen.
Er hielt allen Ernstes die Einnahme von LSD für „eine der zwei oder drei wichtigsten Dinge“, die er in seinem Leben machte. Er verkaufte seinen ersten Computer, den Apple1 um 666,66 Dollar. Eine zumindest bemerkenswert symbolische Zahl. Vor allem hatte er einen nicht unproblematischen Charakter. Zur Erhellung nur einige Beispiele: Wenn er den Hauptsitz von Apple in Cupertino besuchte, parkte er seinen Mercedes „wo immer es am bequemsten war: auch auf den Behindertenparkplätzen“.
Laut Alan Deutschman hatte er in seinem Unternehmen eine „Terrorherrschaft“ errichtet mit der „Säuberung von Verrätern unter den Managern“ und der „Entlassung wegen des kleinsten Fehlers“ [1]La Repubblica v. 8.10.2011, S. 20 Auch andere Quellen bestätigen, daß Jobs in seiner Firma „eine autoritäre und auch unkorrekte Politik unter Einschluß von kleinen Erpressungen und richtigen Tiefschlägen“ anwandte, „um die Projekte in die von ihm gewünschte Richtung zu lenken“. [2]J. Giakomix, Steve Jobs. Gi๠le mani dal guru, Bevivino editore 2009, S. 23 Kurzum, Jobs war kein Heiliger. Vor allem sollen mit dieser Erwähnung die positiven Seiten seines Lebens nicht verdunkelt werden, die allerdings häufig vernachläßigt werden.
Die meisten bleiben ausschließlich beim Mut und der Entschlossenheit stehen, mit der er bis zum Schluß versuchte, seine Krankheit zu überwinden. Das ist nicht wenig. Es gibt aber noch anderes. Im Leben von Steve Jobs überragt ein Ereignis an Entschlossenheit alles andere, gewissermaßen sogar alles, was Jobs selbst in seinem Leben getan oder nicht getan hat. Es ist die Entschlossenheit von Joanne Carole Schieble, seiner Mutter. Einer Frau, die es für unmöglich hielt, das Kind, das sie gerade geboren hatte, zu behalten und es deshalb sofort zur Adoption freigab. Eine fragwürdige Entscheidung, bestimmt. Und doch, gerade dank dieser Entscheidung können heute Hunderte Millionen Menschen die Wundertaten der Technik Marke Apple genießen.
Bedenkt man erst, was geschehen wäre, wenn Joanne Carole Schiebler dem Beispiel vieler Altersgenossinnen gefolgt wäre und entschieden hätte, ihren Sohn durch Abtreibung im Mutterleib töten zu lassen. Niemand hätte von den Talenten und Erfindungen Steve Jobs persönlichen Nutzen ziehen können. Niemand hätte seine bemerkenswerte Stanforder Rede hören können. Die Grundlage von Apple bildet also eine verhinderte Abtreibung. Schade, daß man nur so wenig darüber spricht, schließlich handelt es sich um eine Liebesentscheidung und damit um eine große Liebesgeschichte. Ohne Zweifel die wichtigste im Leben von Steve Jobs.
Text: CR/Giuseppe Nardi
Bild: Matt Yohe/ Wikipedia