Der italienische Journalist Marchese Fabio Ragona führte ein Interview mit dem Erzbischof von Honduras, Oscar Rodriguez Kardinal Maradiaga. 2009 sprach sich der Kardinal für den Staatsstreich aus, mit dem der amtierende Staatspräsident, der seinerseits einen Staatsstreich durchführen wollte, seines Amtes enthoben wurde. Venezuelas Präsident Hugo Chavez wollte ihn dafür entführen lassen.
„Meine kugelsichere Weste? Das ist mein Brustkreuz. Der Rosenkranz ist meine Pistole mit 50 Kugeln.“ Die Liebe des Volkes ist schließlich meine liebste Waffe, um mich zu verteidigen.“ Mit soviel gelassener Heiterkeit reagiert Kardinal Rodriguez auf die täglichen Gefahren, die ihn umgeben. Der 68jährige Salesianer ist Erzbischof von Tegucigalpa, der Hauptstadt von Honduras in Zentralamerika. Erst vor wenigen Tagen sagte der Purpurträger vor der Kommission für Wahrheit und Versöhnung aus, die eingerichtet wurde, um die Ereignisse von 2009 aufzuklären, die schließlich zur Amtsenthebung von Präsident Manuel Zelaya führte. In der Anhörung kritisierte der Kardinal, der beim Konklave 2005 als „papabile“ galt, den venezolanischen Staatspräsidenten, der ihn entführen lassen wollte. Chavez gab vor wenigen Tagen bekannt, an Krebs erkrankt zu sein.
Eminenz, beten Sie für die Genesung von Hugo Chavez, obwohl in letzter Zeit soviel bekannt wurde?
Manchmal kann eine Krankheit die Gelegenheit sein, um Gott zu begegnen und die eigenen Fehler einzusehen. Die christliche Caritas verlangt von uns, für alle zu beten, besonders für die Kranken.
Sie waren immer für die Amtsenthebung von Staatspräsident Zelaya, obwohl diese Haltung bei vielen auf Ablehnung stieß, darunter auch beim venezolanischen Präsidenten Chavez. Wie sind die Beziehungen heute?
Nach den Ereignissen von Juni 2009 wandelten sich die Dinge in Honduras zum Besseren und wir haben mehr Frieden. Die neue Regierung bemühte sich erfolgreich um die nationale Versöhnung. Unser neuer Präsident, Porfirio Lobo war zudem sehr mutig: er wurde vor einigen Monaten zu einem Staatstreffen zwischen Chavez und dem kolumbianischen Präsidenten Santos nach Cartagena eingeladen. Bei diesem Anlaß reichten sich die beiden Präsidenten die Hand. Das Bild wurde überall verbreitet. Eine wichtige Geste der Anerkennung für die neue Regierung. Nach dem Treffen von Cartagena konnte der frühere Staatspräsident Zelaya nach Honduras zurückkehren, wo er nun versucht eine neue Partei zu gründen. Die Organisation Amerikanischer Staaten setzte Honduras wieder als vollberechtigtes Mitglied ein. Einzig Ekuador stimmte dagegen.
Es gab viele Momente während des Staatsstreichs, aber auch danach, in denen Ihr Leben in Gefahr war.
Gott sei Dank ändern sich die Dinge zum Besseren und so fühle ich mich auch nicht mehr in Gefahr. Ich bewege mich noch immer mit der nötigen Vorsicht, aber ohne jede Angst. Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, werde ich immer von einem Polizisten begleitet. Am selben Tag, an dem der abgesetzte Präsident Zelaya das Land verließ, informierte mich die Polizei, über einen Plan, meinen Wohnsitz in die Luft zu sprengen, um mich zu töten. Tatsächlich explodierte in jener Nacht eine Bombe in einem angrenzenden Haus. Man hatte die Adresse verfehlt. Der heilige Don Bosco steht mir sicher bei.
Jene, die Sie tot sehen wollen, haben ihr Ziel aber nie aufgegeben.
Das stimmt. Sie haben ganze 26 Mal die Mauern der Kathedrale mit Beleidigungen beschmiert. Sie schossen mehrere Male auf mein Fenster. Aber ich gehe meinen Weg weiter, gemeinsam mit meinem Volk. Die Drogen und die Drogenhändler möchten sich des Landes bemächtigen. Es wird ihnen aber nicht gelingen! Wir sind geeint im Kampf gegen dieses Übel.
Erhalten Sie internationale Hilfe?
Natürlich. Es gibt viel Solidarität, vor allem über die Caritas. Im März machte ich eine schöne Erfahrung im süditalienischen Kalabrien. Nach einer Begegnung mit Studenten, entschlossen sie sich spontan Gelder für den Bau von Häusern für die Ärmsten zu sammeln. Wir konnten damit fünf Häuser bauen und übergeben!
Sie riskieren täglich Ihr Leben in Honduras. Es gab Stimmen von einer Versetzung aus Sicherheitsgründen. Wären Sie dazu bereit?
Ich denke, daß unser Schicksal in den Händen Gottes liegt, der uns liebt und der das Beste für uns will. Ich wurde berufen, meinem Volk zu dienen. Vor diesem Auftrag würde ich nie fliehen. Zudem bin ich natürlich auch Kardinal der heiligen Kirche und als solcher bin ich dem Papst zum Gehorsam verpflichtet. Bisher hat von mir aber niemand verlangt, aus Honduras wegzugehen.
Was ist Ihr großer Traum?
Mehr Priester zu haben für die Jugendseelsorge. Unsere Bevölkerung besteht zu 42 Prozent aus Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren. Es stehen wenig mehr als 400 Priester zur Verfügung, wo es zumindest das Doppelte bräuchte. Trotzdem verzeichnen wir jährlich mehr Seminaristen und Priesteramtskandidanten. Das erfüllt uns mit großer Hoffnung. Und dann hoffe ich, daß uns der Papst bald besuchen kommt. Wir haben ihn bei unserem Ad-limina-Besuch 2007 eingeladen. Wir möchten ihn so gerne mitten unter uns haben. Das Volk liebt ihn!
Text: Vatican Insider/Giuseppe Nardi
Bild: Vatican Insider