(Budapest/Brüssel) Wußten Sie das schon? EU-Mitgliedsstaaten dürfen keine EU-Gelder für Informations- oder Aufklärungskampagnen verwenden, die sich gegen Abtreibung richten. Dies sagte am 8. Juni die Vize-Präsidentin der Europäischen Kommission, Viviane Reding. Ihres Zeichens Mitglied der Cristlich-Sozialen Partei Luxemburgs. Die Aussage der EU-Kommissarin richtete sich gegen Ungarn. Dort waren Plakate zu sehen, auf denen ein Fötus zu sehen ist, der zu seiner Mutter sagt: „Ich verstehe ja, daß du nicht bereit bist für mich, aber bitte, gib mich zur Adoption frei, laß mich leben.“
Verwendung von EU-Geldern gegen Abtreibung ist „Mißbrauch“ und „gegen EU-Werte“
Die Lebensschutzkampagne der Mitte-rechts-Partei von Ministerpräsident Viktor Orban wurde zum Teil mit EU-Geldern finanziert. Kommissarin Reding erklärte, daß die Initiative „nicht zu den von den Ungarn präsentierten Projekten gehörten, mit denen sie um Finanzierungen durch Brüssel ansuchten. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union dürfen nicht EU-Gelder für Werbung gegen die Abtreibung verwenden. Deshalb hat die EU-Kommission Budapest aufgefordert, die Plakate zu entfernen, wenn es nicht eine Strafe riskieren will.“ Und damit man in Budapest den Wink mit dem Zaunpfahl sicher versteht, legte sie noch einen Scheit nach: „Wir werden die Schritte zur Beendigung des Abkommens einleiten und die notwendigen Schlüsse ziehen, auch in finanzieller Hinsicht.“
Eine sozialistische EU-Abgeordnete, die diese Haltung unterstützte, konnte nicht lange auf sich warten lassen. In diesem Fall war es Sylvie Guillaume, die der Kommissarin beipflichtete und auch gleich erklärte, was die großen „Werte“ sind, die Europa ausmachen: “Gelder der EU für eine Anti-Abtreibungs-Kampagne zu verwenden, stellt einen Mißbrauch dar und ist unvereinbar mit den europäischen Werten.“
Ungarn Sozialminister Miklos Rethelyi antwortete umgehend: „Der Bestimmungszweck der EU-Gelder bietet unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten, weshalb Klarheit zu schaffen ist.“
Feministen und Abtreibungslobbyisten diktieren der EU, wo es langgeht
Der Konflikt entzündete sich am 28. Mai, dem Internationalen Aktionstag für die Gesundheit der Frauen. An diesem Tag verbreitete die European Women’s Lobby (EWL) und die internationale Abtreibungslobby International Planned Parenthood Federation European Network (IPPF EN) eine Presseerklärung, in der sie mit dem Finger auf die neue ungarische Verfassung zeigten. Nach Meinung der beiden Organisationen beeinträchtige die Verfassung die „sexuellen und reproduktiven Rechte“ der Frauen und widerspreche dem Aktionsprogramm der Weltbevölkerungskonferenz von Kairo 1994.
Was bringt Feministinnen und Abtreibungslobbyisten in Rage? In der neuen ungarischen Verfassung steht: „Jeder hat ein Recht auf Leben und auf Menschenwürde. Das Leben des Fötus ist ab der Zeugung geschützt.“
Eva Fager, Vize-Präsidentin der EWL wandte sich an die Europäische Kommission: „Wir hoffen, daß die EU wachsam die Mitgliedsstaaten überwacht und die Einhaltung der Menschenrechte der Frauen einschließlich der sexuellen sicherstellt.“
Elizabeth Bennour, Direktorin der IPPF ging noch weiter: „Die Antwort auf diese Angriffe muß von allen kommen, die davon überzeugt sind, daß Frauen in einer egalitären, demokratischen und säkularen Gesellschaft ein unveräußerliches Recht auf ihren Körper haben.“ Der Aufruf wurde umgehend von der European Humanist Federation, dem Zusammenschluß atheistischer Verbände, unterstützt. Womit sich der ideologische Kreis schließt und man weiß, wes Geistes Kind die Kritik ist.
Großteil heutiger Entscheidungsträger durch 68 geformt
Die Kritik an der Verfassung ging ins Leere, da die EU-Kommission feststellte, daß die ungarische Verfassung in keiner Weise gegen europäisches Recht verstößt. Der zweite Schlag sitzt dafür und ließ die ungarische Souveränität in Brüche gehen. Die Verwendung von EU-Gelder für die Lebensrechtskampagne wurde zum willkommenen Aufhänger, um gegen Ungarn vorzugehen.
Redings Stellungnahme zeigt ein häßliches Gesicht der EU und lehrt zweierlei: „Rechte“ haben nur Geborene, und der radikale Feminismus diktiert in der EU, wo es lang geht. Die 68er Parolen stellen heute mehr oder weniger „europäische Werte“ dar. Verwundert es wirklich? Die Frauen an der Spitze von Politik und mächtiger internationaler Organisationen, die sich in der Frage „engagiert“ haben, wurden kulturell genau in jener unruhigen Zeit des vorigen Jahrhunderts geformt und sind auf jener Stufe stehengeblieben.
Es gilt aber auch die rechtliche Frage zu stellen. Stellt die ungarische Lebensschutzkampagne wirklich einen Mißbrauch dar? Widerspricht sie wirklich den europäischen Werten? Sind die Plakate mit einem ungeborenen Kind, das die eigene Mutter anfleht, es leben zu lassen, wirklich unrechtmäßig und müssen daher entfernt werden? Mitnichten möchte man ausrufen. Es genügt die Resolutionen des Europäischen Parlaments zur Hand zu nehmen, die Nr. 372/88, Nr. 16/03/89, die Empfehlungen des Europäischen Parlaments Nr. 1100/89 und Nr. 874/79. In diesen Dokumenten ist ausdrücklich vom „Lebensrecht des Gezeugten“ oder von der tatsächlichen und eigenständigen Menschenwürde des Embryos die Rede. Klarer geht es nicht.
Ungarische Lebensrechtskampagne entspricht europäischen Werten
Die internationale Ebene unterscheidet sich nicht von der europäischen. Man denke an die UN-Kinderrechtskonvention von 1989 und zuvor bereits die UN-Erklärung der Kinderrechte von 1959. In beiden Fällen wird ausdrücklich festgehalten, daß es Pflicht sei, die Kinder bereits als Ungeborene zu schützen. Nicht wenige europäische Staaten machten sich beide Erklärungen zu eigen. „Sie sind Beleg dafür, daß Ungarn keine rechtliche Bestimmung verletzt, sondern vielmehr mit seiner Anti-Abtreibungsinitiative den europäischen und internationalen Vorgaben folgt, die bekräftigen, daß der Lebensschutz zu den grundlegenden Werten unserer Gesellschaft und Gemeinschaft gehört“, so Tommaso Scandroglio.
Das hindert nicht jene entfesselten Kräfte, die ganz andere gesellschaftspolitische Ziele verfolgen und das Lebensrecht diesen unterordnen und entsprechend restriktiv, ja exklusiv auslegen.
(BQ/Giuseppe Nardi, Bild: BQ)