(Rom) “Es begann alles im 18. Jahrhundert“, wie der Vatikanist Andrea Tornielli anmerkt. Die Verabsolutierung des Wissens zum bloßen wissenschaftlichen Selbstzweck sprach der Theologie jede Wissenschaftlichkeit ab und versucht, ihr seither den Stempel der Unwissenschaftlichkeit zu verpassen. Noch heute ist es für die Kirche nicht leicht, auf die inzwischen tiefverwurzelten und als solche nicht immer sofort erkennbaren Vorurteile zu reagieren. Alle großen Fragen, mit denen sich die Theologie befaßt (Liebe, Leben, Tod) scheinen keine wirkliche Existenzberechtigung zu haben, „zumindest auf akademischer Ebene“ so Tornielli.
Papst Benedikt XVI. schwimmt bewußt gegen den Strom. Er baut an einer korrigierenden (Gegen)Tendenz, um der „Fehlentwicklung“ der vergangenen 250 Jahre entgegenzuwirken, die einem künstlichen Bruch zwischen Vernunft und Glauben das Wort redete. Auf seinen Wunsch geht die Gründung der Vatikanischen Stiftung Joseph Ratzinger – Benedikt XVI. zurück zur Förderung der Theologie heute, inmitten eines säkularisierten Westens. Er erteilte auch seine Zustimmung zur Schaffung einer Art Nobelpreis für Theologie. Der Ratzingerpreis, jeweils mit 50.000 Euro dotiert, soll jährlich an drei herausragende Theologen von Weltbedeutung verliehen werden.
Am 30. Juni ist es erstmals soweit. Am Tag nach dem Fest der Apostelfürsten Petrus und Paulus wird der Theologienobelpreis erstmals verliehen. Das wissenschaftliche Komitee bestehend aus Experten der Patrologie, Dogmatik und Fundamentaltheologie, dem auch Kardinal Camillo Ruini angehört, gab bereits die drei Preisträger bekannt, denen in wenigen Tagen der Ratzingerpreis 2011 verliehen wird. Es handelt sich um einen Deutschen, einen Spanier und einen Italiener, den Fundamentaltheologen Maximilian Heim, Abt der Zisterzienserabtei Heiligenkreuz bei Wien, den Dogmatiker Olegario Gonzalez de Cardedal und den Kirchenhistoriker Manlio Simonetti. Alle drei lehren an Universitäten und Philosophisch-Theologischen Hochschulen.
Trotz der Ausgrenzungsversuche an manchen Universitäten „finde die Theologie auch heute viel Gehör, weshalb ich keineswegs pessimistisch bin, was ihre Zukunft anbelangt. Es genügt die Zeitungen aufzuschlagen, um zu sehen, daß die Theologen gelesen und über sie diskutiert wird. Dieser Preis zielt darauf a, die Theologie noch mehr in die Welt der Kommunikation hineinzuprojizieren und ihren Kontakt zu den Menschen zu fördern“, so Kardinal Ruini.
Manlio Simonetti (Jg. 1926) gilt vielen als bester lebender Kenner der Kirchenväter. Er war bereits Leiter der Biblioteca patristica, von Corona Patrum und der Enzyklopädie der Päpste. Auch der Chefredakteur des Osservatore Romano, Gian Maria Vian, gehörte zu seinen Schülern.
Olegario Gonzalez de Cardedal (Jg. 1934, zum Priester geweiht 1959) gehört zu den großen Leuchten am spanischen Theologenhimmel. Unter anderem gründete er die Theologenschule von Santander, die sich mit dem Werk von Hans Urs von Balthasar und Karl Rahner befaßt. Im Alter von erst 35 Jahren wurde er bereits in das Gotha der vatikanischen Theologie berufen, in die Internationale Theologenkommission.
Der Zisterzienser Maximilian Heim (Jg. 1961, zum Priester geweiht 1988) promovierte 2002 über die Ekklesiologie Joseph Kardinal Ratzingers und unterrichtete bis zu seiner Wahl im März 2011 zum Abt von Heiligenkreuz Fundamentaltheologie an der dortigen Hochschule päpstlichen Rechts. Kardinal Ruini nannte Abt Heim „einen der scharfsinnigsten und brillantesten Vertreter der jungen Generation von Theologen, die sich am Werk Ratzinger inspirieren“. Unter den drei Theologienobelpreisträgern steht Abt Heim Papst Benedikt XVI. am nächsten. Seit 2009 gehört er dem Schülerkreis von Joseph Ratzinger an, der sich jedes Jahr Ende August in Castel Gandolfo um den Papst versammelt.
Thema des diesjährigen Treffens ist die „Neuevangelisierung“. Die deutsche Philosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz wird dazu vor dem Papst und dessen Schülerkreis in Castel Gandolfo referieren.
(Palazzo Apostolico/Giuseppe Nardi, Bild: Palazzo Apostolico)