(Rom) Der bekannte Liturgiker Nicola Bux verfaßte eine Antwort an jene, die das leere Grab des auferstandenen Christus als bloße „Legende“ bezeichnen, und meinte damit den italienischen Erzbischof Bruno Forte.
Bruno Forte, der in Neapel, Tübingen und Paris studierte, ist seit 2004 Erzbischof von Chieti-Vasto. Er war Vorsitzender der Vorbereitungskommission für das Mea culpa, das Papst Johannes Paul II. im Heiligen Jahr 2000 im Namen Kirche als Vergebungsbitte sprach. Seit Januar 2011 ist Msgr. Forte Mitglied des neugeschaffenen Päpstlichen Rats für die Neuevangelisierung.
Der im Erstabdruck 2004 erschienene Text von Msgr. Nicola Bux, der nun von Rinascimento sacro neu veröffentlicht wurde, hat nichts an seiner allgemeinen Gültigkeit verloren.
von Msgr. Nicola Bux
Wie die Areopagrede des Apostels Paulus bezeugt, wurde seit den Zeiten der Apostel die Echtheit der Auferstehung von Jesus Christus immer wieder angezweifelt. Die Heilige Schrift sagt sogar: Noch bevor er in den Himmel aufgefahren ist „Quidam autem dubitaverung!“ (“Einige aber hatten Zweifel“, Mt 28,17).
Vor einigen Jahren fand eine theologische Debatte zum Thema statt: der katholische Theologe berief sich auf eine „ätiologische Legende“, um das Ereignis zu erklären. Der orthodoxe Vertreter war so empört darüber, dass er das Treffen verließ. So kam über die Frage der Auferstehung auch der ökumenische Dialog zwischen Katholiken und Orthodoxen ins Stolpern, ausgerechnet in der Heiligen Stadt. In unseren Tagen wurde der Zweifel an den „Beweisen“ der Auferstehung gerade von einigen Exegeten und Christologen gegen die gesamte Überlieferung der Kirche genährt. Jene Tradition, die das Zweite Vatikanische Konzil in Dei Verbum als den Schlüssel beschreibt, der den Zugang zum wahren Sinn der Textstellen in der Heiligen Schrift ermöglicht. Man gebrauchte die Periphrase „Ostereignis“ und erdachte sich einen vorösterlichen Christus, der im Widerspruch zum nachösterlichen stünde. Wahrscheinlich wurde das Volk Gottes nie sonderlich von diesen Bestrebungen berührt, obwohl nicht wenige Priester und Professoren an den Fakultäten und Priesterseminaren den verschiedenen Raymond E. Brown, Pierre Benoit und Marie-Emile Boismard weitgehend folgten, als handle es sich um eine kanonisierte Lehre. Mancher Leiter eines katechetischen Amtes forderte die Katecheten und Religionslehrer sogar zur Zurückhaltung auf: nicht mehr zu sagen, Christus ist auferstanden, sondern, dass die Jünger sagten, er ist auferstanden!
Auch in Italien fehlten nicht die Verbreiter dieser schwachen und irreführenden Theologie.
So, zum Beispiel, mißt Bruno Forte in einer seiner Studien den Berichten über das leere Grab wenig historischen Wert bei, indem er das Argument für mehrdeutig und als Ergebnis der redaktionellen Arbeit der Evangelisten hält. Im Fahrwasser von Autoren wie Gottfried Schille, Ludger Schenke, Edward Schillebeeckx betrachtet er das leere Grab eben als “ätiologische Legende“, anders ausgedrückt als Kunstgriff, um den Kult der Judenchristen am Ort von Jesu Grab zu fördern.
Die Nachricht vom leeren Grab wird zudem als mehrdeutig bezeichnet, weil sie Anlaß zu unterschiedlichen Interpretationen biete und daher ungeeignet sei, den Glauben an die Auferstehung zu begründen. Deshalb würde im Gegenteil, in einem typisch Bultmann’schen Verfahren, der Glaube (aus dem Glauben heraus) das leere Grab interpretieren, der der Erfahrung der Apostel, die die Auferstehung und die Verherrlichung Christi und damit Seinen Sieg über den Tod bekannten, weder etwas hinzufügen noch etwas wegnehmen würde. (s. B. Forte: Ges๠di Nazareth storia di Dio, Dio della storia, Cinisello B. 1994, 7. Aufl., S. 103). Man müßte daraus schließen, daß der Glaube überflüssig wäre, sollte die Auferstehung tatsächlich historisch geschehen sein. Zudem hält es Forte mit Blick auf Mk 16,1–8 für „unwahrscheinlich“, daß die Frauen sich zum Grab begaben, „um eine Leiche so lange nach dem Tod zu salben“ (Forte, S. 103, FN 31). Das leere Grab steht am Beginn einer mythischen Suggestion der Jünger, die von den Christen geerbt wurde (s. Forte, S. 103, FN 35). Das leere Grab wie auch andere Details der Evangelien, die die Auferstehung betreffen, wären ein von der Gemeinschaft fabrizierter „Beweis“ (V.Messori: Dicono che ਠrisorto, Un’indagine sul Sepolcro vuoto, Torino 2000, S. 86).
In „Leben der Propheten“, einer Schrift des 1. Jahrhunderts, ist belegt, daß es üblich war, daß sich die religiösen Führer der Juden zu den Gräbern bei Jerusalem begaben, von denen viele durch archäologische Grabungen freigelegt wurden, um zu beten.
Wer das Judentum kennt, weiß, daß die Mishna und der Talmud vorschrieben, die Gräber drei Tage ab der Bestattung des Verstorbenen offen zu lassen, um die Riten wie die Salbung durchzuführen, die an den bereits in die Leichentücher eingewickelten Leichen wiederholt wurden. Allerdings wurde diese Zeit während der hohen jüdischen Feste unterbrochen, die Gräber geschlossen, um sie danach wieder zu öffnen. Die Jünger Jesu taten nichts anderes, als sich an diese Vorschriften zu halten (s. Mk 16,1), wäre inzwischen nicht die Auferstehung erfolgt.
Sein Leichnam war wegen des österlichen Rüsttages in aller Eile bestattet worden, weshalb man zum Grab zurückkehren mußte, um die rituellen Vorschriften vollenden zu können. Das alles stützt und bekräftigt zusätzlich die Bedeutung des leeren Grabes. Doch Bruno Forte ignoriert es.
In Wirklichkeit steckt, wie Vittorio Messori bemerkte, „in vielen zeitgenössischen Exegeten, obwohl christlicher Ausbildung und christlichen Bekenntnisses, die soziologische Überzeugung, daß der ‚moderne‘ Mensch die Idee einer Auferstehung des Körpers nicht akzeptieren könne …“ (Messori, S. 87). Was für sie zählt, ist die subjektive Erfahrung der Apostel und nicht das historische Ereignis der Auferstehung.
Dann müßte man sich aber fragen: Wenn das leere Grab keine Bedeutung gehabt hätte, warum hätte dann der Engel aufgefordert, den Ort aufzusuchen, an dem der Herr abgelegt worden war (s. Mk 16,5f)? Wenn er es tat, dann eben nicht, weil die Frauen nicht wußten, wo sich dieser befand, sondern damit sie sich selbst überzeugen konnten, wie dann Johannes noch genauer und mit Adlerauge tun wird, so daß er “sah und glaubte“ (s. Joh 20,8).
Das leere Grab ist ‚Beweis‘ der Auferstehung, weil sich in ihm die entleerten Leichentücher und das Schweißtuch befanden, ja noch mehr, weil diese bei genauerem Hinsehen den Eindruck vermittelten, als sei erst wenig Zeit vergangen. So gehört das leere Grab zum Zeichen des Jona, das der Meister versprochen hatte. Wie Messori erinnert, ist die Aufforderung des Engels, das leere Grab zu besichtigen, vollkommen mit den Zeichen des Geheimnisses verbunden, das sich soeben vollzogen hatte (Messori, S. 143) Der Engel schob den Stein beiseite, mit dem das Grab verschlossen war, nachdem Christus auferstanden war. So entsteht der Glaube aus der Auferstehung und nicht umgekehrt, außer man würde auch den Engel für eine literarische Gattung halten.
Im leeren Grab ist also keine Mehrdeutigkeit, vielmehr sind darin die Zeichen, die die Auferstehung beweisen. Mehr als zu interpretieren, ist zu sehen und zu glauben. Das leere Grab “fügt“ viel – und wie sogar! – der apostolischen Erfahrung der Auferstehung hinzu, ansonsten wäre der Glaube sinnlos (s. 1. Kor 15,14) wie der heilige Paulus sagt. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Bruno Forte behauptet.
Das leere Grab ist imstande, den Auferstehungsglauben zu begründen. Es ist kein Argument mit “irgendeinem historischen Inhalt“. Ganz im Gegenteil, gerade die “historischen Unstimmigkeiten“ beweisen, daß die sogenannante “redaktionelle Arbeit der Evangelisten“ nicht darauf abzielte, sie auszulöschen, sondern zu respektieren, weil sie mit einem tatsächlich geschehenen Ereignis in Zusammenhang stehen. Die Kirche hat durch die Kanonisierung der Schriften sicher nicht abgeschwächt. Deshalb muß man feststellen, daß noch heute “Die Struktur des Wortes eindeutig genug“ ist (J. Ratzinger: Was ist das eigentlich – Theologie? In: Weggemeinschaft des Glaubens. Kirche als Communio, 2002, S. 32). So erweist sich das leere Grab als Ereignis, das würdig ist, erzählt zu werden und als Argument, das die Auferstehung des Herrn beweist. Deshalb hat es vom Anfang bis heute die Verehrung in Jerusalem und die Pilgerfahrten aus aller Welt begründet.
Das leer vorgefundene Grab läßt sich nicht natürlich erklären, weil es zu den außergewöhnlichen Ereignissen zählt, die historisch belegt sind: daß Jesus in einem neuen Grab beigesetzt worden war und daß er auferstanden „in Fleisch und Knochen“ (Lk 24,39) gesehen (oftàª) wurde von Kephas und von vielen anderen Personen (s. die Liste in 1. Kor 15,5–7). Wenn das Grab nicht leer gewesen wäre, hätten die Apostel nicht in Jerusalem predigen können. Erst recht hätten die Juden es nicht leugnen können, obwohl sie die Apostel beschuldigten, den Leichnam gestohlen zu haben (s. Mt 28,11–15). Wenn das Grab nicht leer war und der Leichnam Jesu weiter darin lag und die Verwesung erlitt, dann könnten wir noch heute seine Überreste finden und seine Knochen.
Das leere Grab ist keine ausreichende Begründung für den Glauben an die Auferstehung, es ist aber die notwendige Voraussetzung dafür, daß wir bekennen, daß Er auferstanden ist, genauer noch, daß Sein Körper nicht tot blieb. Andernfalls hätte nur die Seele überlebt, doch die Seele aller ist per definitionem immer unsterblich (aufgrund ihrer Natur, wie der Aquinate lehrt, aufgrund besonderer göttlicher Entscheidung, wie Scotus sagt).
Oder, wie die verschiedenen Entmythologisierer, die idealistischen und liberal-protestantischen, es gerne hätten, es würde sich lediglich um ein ideelles, moralisches Überleben handeln, wie das jeder anderen verehrten Persönlichkeit oder geliebten Person. Dann ist es sinnlos, von der Überzeugung der Jünger zu reden, daß Er lebt, wenn Er es dann aber faktisch nicht täte. Dann wären wir, wie der heilige Paulus sagt, tatsächlich erbärmlicher daran als alle anderen Menschen (s. 1. Kor 15,19).
Den auferstandenen Jesus bekennen heißt, daß das Grab wirklich leer war, daß Er lebt in Seele und Körper, daß Sein Körper nicht im Grab blieb und nicht verwest ist usw. Zu sagen, daß dies nicht wichtig sei, bedeutet, daß man nicht an die Auferstehung glaubt. Zur Schande des „schwachen Denkens“ [1]1 das unter gewissen Theologen und Klerikern verbreitet ist, bekräftigt die Liturgie, so im Communicantes des römischen Kanons, die Auferstehung Christi „in seinem wahren Körper“. In Wahrheit gilt: „Die Auferstehungs-Botschaft ist immer wieder vom Zweifel begleitet und angefochten, auch wenn sie die siegreiche Botschaft ist, die den Zweifel überwindet“. (J. Ratzinger: Gott und die Welt, Knaur, München 2002, S 363), zur Schande des unter Theologen und spiritualistischen Klerikern verbreiteten militanten “schwachen Denkens“.
Surrexit Dominus vere!
Veröffentlicht in: La Terra Santa, Rivista bimestrale della Custodia Francescana di Terra Santa, Anno LXXX Luglio-Agosto 2004, S. 9–11
(1) von den italienischen Philosophen der Postmoderne Gianni Vattimo und Pier Aldo Rovatti eingeführtes Konzept, das seit Mitte des 20. Jahrhunderts aufgetrene Veränderungen im Verständnis von Philosophie beschreibt, die durch die Werke von Friedrich Nietzsche und Martin Heidegger eingeleitet worden seien. Das “schwache Denken“ steht im Gegendatz zum “starken Denken“ wie dem Christentum oder dem Marxismus. Sie ist als Ausdruck einer anti-metaphysischen Postmoderne eine Form des Nichilismus. (Anm. d. Red.)
(Übersetzung von Giuseppe Nardi, Bild: Rinascimento sacro)
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