Pfarrer Hendrick Jolie: Die Befürchtungen der Theologen und Bischöfe hinsichtlich der päpstlichen Wünsche sind durchaus begründet


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Erfüllt die Instruk­ti­on Uni­ver­sae Eccle­siae Ihre Erwartungen?

Anzei­ge

Es ist unüber­seh­bar, daß die vor­lie­gen­de Instruk­ti­on die Rech­te der Gläu­bi­gen im Hin­blick auf die „Alte Mes­se“ bestä­tigt und in eini­gen Punk­ten wei­ter stärkt. Inso­fern haben die mei­sten Anhän­ger der über­lie­fer­ten Lit­ur­gie das Schrei­ben begrüßt.

Die in tra­di­ti­ons­treu­en Krei­sen gras­sie­ren­de Sor­ge, die Aus­füh­rungs­be­stim­mun­gen könn­ten eine Ein­schrän­kung bzw. Ver­wäs­se­rung von „Sum­morum Pon­ti­fi­cum“ mit sich brin­gen (was zu einer groß­an­ge­leg­ten Unter­schrif­ten­ak­ti­on via Inter­net geführt hat­te), sind im Gro­ßen und Gan­zen nicht bestä­tigt worden.

Ich bin aller­dings kein Kano­nist, son­dern ein­fa­cher Gemein­de­pfar­rer. Eine detail­lier­te­re Ana­ly­se über­las­se ich des­halb beru­fe­ne­ren Mitbrüdern.

Aus Sicht des Gemein­de­seel­sor­gers ist offen­kun­dig, daß der Papst zunächst ein ver­söhn­tes Neben­ein­an­der der bei­den Riten in der Seel­sor­ge wünscht. Die­ses Neben­ein­an­der ist ein wich­ti­ger Schritt auf dem Weg einer „Reform der Reform“.

Die Lit­ur­gie­ent­wick­lung im Gefol­ge des Zwei­ten Vati­ka­num darf – und dar­auf weist der Papst ja uner­müd­lich hin – nicht als Bruch dar­ge­stellt wer­den. Es geht um eine Her­me­neu­tik der Reform bzw. der Kon­ti­nui­tät. Den­noch bedarf die Lit­ur­gie­re­form nach 40 Jah­ren einer „relec­tu­re“ auf dem Hin­ter­grund der über­lie­fer­ten Mes­se. Der Papst spricht hier von „Berei­che­rung“ durch die soge­nann­te alte Messe.

Aus der prak­ti­schen Sicht der Gemein­de­pa­sto­ral gibt es hin­sicht­lich der Instruk­ti­on eini­ge Ent­täu­schun­gen, weil eini­ge drän­gen­de Fra­gen – wie z.B. die Fra­ge der Hand­kom­mu­ni­on oder der Mini­stran­tin­nen im Alten Ritus – unbe­ant­wor­tet bleiben.

Trotz aller Beteue­run­gen gibt es hier eine gewis­se Rechts­un­si­cher­heit, wie die wider­sprüch­li­chen Aus­sa­gen ver­schie­de­ner Kano­ni­sten deut­lich machen. Es gibt Diö­ze­sen, in denen bei der alten Mes­se die Hand­kom­mu­ni­on aus­ge­teilt wird. Ein­zel­ne Bischö­fe haben ihre Prie­ster ange­wie­sen, die Hand­kom­mu­ni­on nicht zu verweigern.

Auch in mei­ner Gemein­de gab es schon Aus­ein­an­der­set­zun­gen, weil Gläu­bi­ge – die offen­bar zu die­sem Zweck eigens ange­reist waren – die Hand­kom­mu­ni­on im Alten Ritus gezielt erzwin­gen woll­ten. Ein Wort des Pap­stes zu die­sen prak­ti­schen Fra­gen hät­te hier Gewiss­heit brin­gen kön­nen. Daß er es nicht getan hat, müs­sen wir zunächst ein­mal zur Kennt­nis nehmen.

Wel­ches sind Ihrer Ansicht nach die wich­tig­sten Punk­te der Instruktion?

Zunächst ist fest­zu­hal­ten, daß die Instruk­ti­on ver­sucht, eine Atmo­sphä­re zu schaf­fen, die dem Anlie­gen der „alten Mes­se“ gegen­über posi­tiv ein­ge­stellt ist. Das scheint mir wich­ti­ger als die ein­zel­nen Bestim­mun­gen, derer sich die Kano­ni­sten sicher noch aus­führ­li­cher anneh­men wer­den. In die­sem Sin­ne ist auch die For­mu­lie­rung zu wer­ten, daß die Bischö­fe dar­auf ver­pflich­tet wer­den, im Hin­blick auf die Wün­sche nach der Alten Mes­se der Gesin­nung („mens“) des Pap­stes zu fol­gen (UE 13).

Beach­tung ver­dient in die­sem Zusam­men­hang ins­be­son­de­re der Hin­weis, daß eine „Grup­pe von Gläu­bi­gen“ (die vom Pfar­rer eine „alte Mes­se“ erbit­ten kann) kei­nes­wegs aus der glei­chen Pfar­rei oder Diö­ze­se stam­men muss (UE 15). Dies ist eine indi­rek­te Kri­tik an diver­sen „Aus­füh­rungs­be­stim­mun­gen“, die unmit­tel­bar nach Inkraft­tre­ten von „Sum­morum Pon­ti­fi­cum“ von meh­re­ren deut­schen Ordi­na­ria­ten erlas­sen wor­den sind. Hier wur­den zum Teil völ­lig will­kür­li­che Bedin­gun­gen erlas­sen, durch wel­che die Grö­ße oder die Zusam­men­set­zung die­ser „Grup­pe von Gläu­bi­gen“ eigen­mäch­tig (und erwar­tungs­ge­mäß restrik­tiv) defi­niert wur­den. All die­se Ver­su­che, das Anlie­gen des Pap­stes (wie ich es oben kurz skiz­ziert habe) zu unter­lau­fen, sind nun vom Tisch.

Die Instruk­ti­on stellt erneut her­aus, daß die Päpst­li­che Kom­mis­si­on Eccle­sia Dei die Auf­ga­be hat, im Zwei­fels­fall zu prü­fen, ob ein­zel­ne Ordi­na­ria­te den Bestim­mun­gen von „Sum­morum Pon­ti­fi­cum“ zuwi­der­han­deln (UE 10). Im Klar­text heißt das: Die Gläu­bi­gen haben die Mög­lich­keit, sich gegen jede Form der Ein­schrän­kung ihrer Rech­te hin­sicht­lich der alten Mes­se zur Wehr zu setzen.

Neben­bei bemerkt: Ob sich die­ser Weg auch in der Rea­li­tät als prak­ti­ka­bel und effek­tiv erweist, bleibt abzu­war­ten. Wir wis­sen, wie die römi­schen Behör­den mit dem Beschwer­de­recht über lit­ur­gi­sche Mss­bräu­che (wie es in „Redemp­tio­nis Sacra­men­tum“ 183f. bekräf­tigt wur­de) umge­gan­gen sind. In der Regel hat sich nichts geändert.

Den­noch bleibt fest­zu­hal­ten: Für Freun­de des alten Ritus gibt es ein „Recht“ auf die außer­or­dent­li­che Form des römi­schen Ritus. Die Instruk­ti­on „Uni­ver­sae Eccle­siae“ stellt klar: Das Motu pro­prio „Sum­morum Pon­ti­fi­cum“ von 2007 ver­steht sich nicht als mil­de Aus­nah­me­re­ge­lung für lit­ur­gisch Zurück­ge­blie­be­ne, wie es beson­ders in der deut­schen inner­kirch­li­chen Öffent­lich­keit ger­ne dar­ge­stellt wird. Die über­lie­fer­te Mes­se war recht­lich nie­mals abro­giert, wie Papst Bene­dikt klar fest­ge­stellt hat. Und: Wer die Alte Mes­se in sei­ner Pfar­rei erbit­tet, kann sich auf ein vom Papst gewähr­tes Recht beru­fen und muß sich für sein Ansin­nen in kei­ner Wei­se rechtfertigen.

Ein wei­ter wich­ti­ger Punkt der Instruk­ti­on betrifft die Prie­ster­aus­bil­dung: In den Prie­ster­se­mi­na­ren soll die Mög­lich­keit gege­ben wer­den, sich für den Alten Ritus aus­bil­den zu las­sen. Die­se Pas­sa­ge der Instruk­ti­on erscheint zwar sprach­lich ein wenig ver­klau­su­liert; der Wunsch des Pap­stes ist jedoch ein­deu­tig: Die Fei­er der Alten Mes­se gehört hin­ein in die Prie­ster­aus­bil­dung. Das bedeu­tet umge­kehrt, daß Semi­na­ri­sten, die sich für den Alten Ritus inter­es­sie­ren, nicht län­ger als fin­ste­re Son­der­lin­ge abge­tan wer­den dür­fen, wie dies lei­der bis auf den heu­ti­gen Tag geschieht.

War­um äußer­ten deut­sche Bischö­fe Beden­ken, die angeb­lich vom Papst „nicht berück­sich­tigt“ wurden?

Eine kur­ze Vor­be­mer­kung: Wenn – wie neu­lich gesche­hen – Theo­lo­gie­pro­fes­so­ren in einem „Memo­ran­dum“ u.a. die Frau­en­wei­he und die Abschaf­fung des Prie­ster­zö­li­bats for­dern, spricht der Sekre­tär der DBK von einem „guten Signal“ im Hin­blick auf einen not­wen­di­gen Dia­log­pro­zess, weil hier zwei­fel­los „Defi­zi­te und Reform­erfor­der­nis­se“ ange­spro­chen wür­den. Wenn der Papst in „Uni­ver­sae Eccle­siae“ die inne­re Ein­heit von vor- und nach­kon­zi­lia­rer Lit­ur­gie beschreibt und ent­spre­chen­de Kon­se­quen­zen anmahnt, dann gibt der­sel­be Spre­cher sich weni­ger dia­log­be­reit: Ins­ge­samt brin­ge die Instruk­ti­on wenig Neu­es und im übri­gen sei das Inter­es­se in Deutsch­land an der Alten Mes­se sehr gering, so läßt er ver­lau­ten. Ich will das nicht wei­ter kom­men­tie­ren. Aber es ist schon bemer­kens­wert, wie hier mit zwei­er­lei Maß gemes­sen wird, nicht wahr? Glaubt man in der deut­schen Bischofs­kon­fe­renz wirk­lich, daß das nie­man­dem auf­fällt? Oder geschieht so etwas am Ende mit Absicht?

Nun zu Ihrer Fra­ge. Sie bezie­hen sich auf eine Äuße­rung des Lit­ur­gie­wis­sen­schaft­lers Bene­dikt Kra­ne­mann (Erfurt). Die­ser hat­te unmit­tel­bar nach Erschei­nen der Instruk­ti­on in einem Gespräch mit KNA (13.05. 2011) die Befürch­tung der Bischö­fe erwähnt, daß die Ein­füh­rung von zwei par­al­le­len Lit­ur­gie­for­men in den Gemein­den zu Pro­ble­men füh­ren werde.

Natür­lich ist das ein Pro­blem, schon rein prak­tisch betrach­tet. Das grö­ße­re Pro­blem liegt jedoch mei­nes Erach­tens dar­in, daß das Aus­maß des Unge­hor­sams in lit­ur­gi­schen Fra­gen in der deut­schen Kir­che jedes erträg­li­che Maß schon lan­ge über­schrit­ten hat. Und man kann der „neu­en Mes­se“ den Vor­wurf nicht erspa­ren, daß sie mit ihren unend­li­chen Varia­ti­ons­mög­lich­kei­ten und der (ins­be­son­de­re in der deut­schen Fas­sung) sehr „wei­chen“ Rubri­ken­spra­che dar­an mit­schul­dig ist. Ich kann ihnen aus dem Steg­reif meh­re­rer gro­ße Pfar­rei­en nen­nen, in denen sub­stan­ti­el­le lit­ur­gi­sche Vor­schrif­ten mit der aller­größ­ten Selbst­ver­ständ­lich­keit kon­ti­nu­ier­lich ver­letzt wer­den – ange­fan­gen bei der Inter­kom­mu­ni­on über den Miß­brauch, daß die Gläu­bi­gen die Hostie selbst in den Kelch tau­chen bis hin zur Aus­las­sung von vor­ge­schrie­be­nen Prie­ster­ge­be­ten wie z.B. den Embolismus.

In einem sol­chen Kli­ma wird es in der Tat schwer sein, Sym­pa­thie für die Anlie­gen des Pap­stes zu wecken, der ja von einer „Ver­söh­nung“ der bei­den Riten spricht. Wir haben ja nicht zwei ver­schie­de­ne Riten. Wir haben auf der einen Sei­te den Alten Ritus und auf der ande­ren Sei­te zahl­lo­se Spiel­ar­ten des Neu­en Ritus. Erschwe­rend kommt Fol­gen­des hin­zu: Wie soll die „lit­ur­gi­sche Ver­söh­nung“ über­haupt von­stat­ten­ge­hen, wenn selbst die Bischö­fe päpst­li­che Wei­sun­gen igno­rie­ren, wie z.B. die seit Jah­ren gefor­der­te Kor­rek­tur der Fal­sch­über­set­zung der Wand­lungs­wor­te? Wie sol­len die Gläu­bi­gen Ver­trau­en in die deut­schen Ordi­na­ria­te zurück­ge­win­nen, wenn Beschwer­den über lit­ur­gi­sche Miß­bräu­che oft­mals unbe­ant­wor­tet bleiben?

Die Befürch­tun­gen der Theo­lo­gen und Bischö­fe hin­sicht­lich der päpst­li­chen Wün­sche sind also durch­aus begrün­det und haben zum einen ihren Grund in der Dis­zi­plin­lo­sig­keit ins­be­son­de­re des lit­ur­gi­schen Ver­hal­tens des Kle­rus: Man befürch­tet, daß der ohne­hin schon bei­na­he schis­ma­tisch zu nen­nen­de deut­sche Katho­li­zis­mus durch einen „Riten­streit“ wei­ter aus­ein­an­der­bricht. Hat der Papst die­se Befürch­tung zu wenig berück­sich­tigt? In der Tat, denn der wah­re Zustand der deut­schen Kir­che wird in den offi­zi­el­len Stand­ort­be­schrei­bun­gen und Ad-limi­na-Besu­chen ja nicht geschil­dert. Weil nie­mand die­ser Ent­wick­lung Ein­halt gebie­tet, wird der Alte Ritus ins­be­son­de­re von jenen auf­ge­sucht, die es nicht mehr län­ger hin­neh­men, daß der Neue Ritus zur Spiel­wie­se sub­jek­ti­ver Expe­ri­men­te gewor­den ist.

Das Pro­blem ist nicht so sehr die ordent­li­che Form des römi­schen Ritus, son­dern sei­ne „unor­dent­li­che“ Aus­ga­be, wie sie sich in vie­len Pfar­rei­en ein­ge­schli­chen hat. Schau­en sie sich die zur­zeit statt­fin­den­den Erst­kom­mu­ni­on­fei­ern in vie­len Pfar­rei­en an: Ganz nor­ma­le Gläu­bi­ge, die sicher kei­ne Tra­di­tio­na­li­sten sind, erzäh­len mir mit Bestür­zung, was sie in ver­schie­de­nen Erst­kom­mu­ni­on­fei­ern erle­ben, an denen sie aus fami­liä­ren Grün­den teil­neh­men: Da über­neh­men Kin­der die Prie­ster­ge­be­te; da wird die gesam­te Gemein­de zur Kom­mu­ni­on ein­ge­la­den, ohne Rück­sicht auf Gna­den­stand, Kon­fes­si­on oder gar Reli­gi­on; da wird die Pre­digt von der Gemein­de­re­fe­ren­tin gehal­ten und so wei­ter und so fort. Was nützt da die Beteue­rung der neo­kon­ser­va­ti­ven Prie­ster und Gläu­bi­gen, man kön­ne den neu­en Ritus auch „wür­dig“ fei­ern, wenn unter den Augen der Öffent­lich­keit stän­dig demon­striert wird, daß die theo­lo­gi­sche und rubri­zi­sti­sche Unschär­fe die­ses Ritus zur Belie­big­keit und Regel­über­schrei­tung förm­lich animiert?

Durch die­ses all­seits herr­schen­de Lit­ur­gie­de­sa­ster wird die Lie­be zur Alten Lit­ur­gie nicht zur Ver­söh­nung, son­dern zur zuneh­men­den Spal­tung füh­ren Dies ist aber nicht den Anhän­gern der Alten Lit­ur­gie anzu­la­sten, wie jedem ver­nünf­tig den­ken­dem Men­schen ein­sich­tig ist. Ganz nor­ma­le Gläu­bi­ge, die sicher kei­ne Tra­di­tio­na­li­sten sind, sagen es mir ganz direkt:

„Ich habe es satt, mich jeden Sonn­tag aufs Neue zu ärgern, dazu habe ich weder Kraft noch Zeit. Ich gehe lie­ber in die Alte Mes­se, da weiß ich zumin­dest, was mich erwartet.“

Ein wei­te­res: der Wider­stand gegen die Alte Mes­se ist natür­lich auch ideo­lo­gi­scher Natur. Die Bischö­fe hal­ten sich klu­ger­wei­se mit direk­ter Kri­tik an der Alten Mes­se zurück. Aber kön­nen Sie sich vor­stel­len, wel­chen Auf­schrei es von Sei­ten der mäch­ti­gen Lai­en-Appa­ra­te der Diö­ze­sen gäbe, wenn ein resi­die­ren­der Bischof es wagen wür­de, in sei­ner Kathe­dral­kir­che eine alte Mes­se zu fei­ern – vom ZdK ganz abge­se­hen? Des­halb schickt man die Lit­ur­gie­pro­fes­so­ren vor: Nicht weni­ge von ihnen haben der­art fun­da­men­ta­le Kri­tik an der Alten Mes­se geübt, daß sie unge­wollt denen in die Hän­de spie­len, die in der Neu­en Mes­se einen „Bruch“ in der lit­ur­gi­schen Ent­wick­lung unse­rer Kir­che zu ent­decken mei­nen. Hier kann man mit Fug und Recht behaup­ten, daß sich die Extre­me berühren.

Der über­lie­fer­te Ritus erscheint vie­len „moder­nen“ Theo­lo­gen als Sym­bol für einen über­stei­ger­ten Kle­ri­ka­lis­mus mit einer frag­wür­di­gen und längst über­hol­ten Opfer­theo­lo­gie. Jeder, der die­sen Ritus fei­ert, gerät des­halb unter Gene­ral­ver­dacht: Wer die alte Mes­se liebt, für den sind Lai­en Men­schen zwei­ter Klas­se. Wer die alten Riten bevor­zugt, hat ein fal­sches, angst­ein­flö­ßen­des Got­tes­bild. Und wer als Prie­ster sei­ner Gemein­de die­sen Ritus nahe­brin­gen will, stellt sich sozi­al und theo­lo­gisch ins pasto­ra­le Abseits. In den Augen des theo­lo­gi­schen Main­streams hul­digt er einem Prie­ster­bild, des­sen Wur­zeln in einer defi­zi­tä­ren Per­sön­lich­keits­struk­tur anzu­sie­deln sind. Glau­ben Sie mir, ich über­trei­be nicht. Ich höre die­se Vor­wür­fe fast täg­lich. Was wol­len Sie Kri­ti­kern dann ent­geg­nen, wenn Ihnen vor­ge­hal­ten wird, sie woll­ten mit der Alten Mes­se doch nur Ihre per­sön­li­chen Defi­zi­te überspielen?

Wel­che Ent­wick­lung sehen Sie nun im lit­ur­gi­schen Bereich? Wird die katho­li­sche Kir­che zur bi-ritu­el­len Kirche?

Wie sie den obi­gen Äuße­run­gen ent­neh­men kön­nen, bin ich ange­sichts der fun­da­men­ta­len Kri­se der Lit­ur­gie in der Pfarr­seel­sor­ge – mensch­lich gespro­chen – wenig opti­mi­stisch. Ich habe unmit­tel­bar nach Ver­öf­fent­li­chung der Instruk­ti­on in mei­nem Blog einen mir bekann­ten Semi­na­ri­sten zitiert. Die­ser hat­te eine Ein­la­dung zu einer Alten Mes­se mit den Wor­ten zurück­ge­wie­sen, da kön­ne er auf kei­nen Fall hin­ge­hen, denn er wol­le ja schließ­lich noch geweiht wer­den. Kaum war die­se Äuße­rung im Netz ver­öf­fent­licht, da mel­de­ten sich wei­te­re Semi­na­ri­sten bei mir, die genau die­sen Ein­druck bestä­tig­ten. Einer schrieb mir:

„Die­je­ni­gen Semi­na­ri­sten, die eine Freu­de an der außer­or­dent­li­chen Form gefun­den haben, haben das Semi­nar zu ande­ren Gemein­schaf­ten ver­las­sen oder über­le­gen das zu tun. Ich sehe die gro­ße Gefahr, daß das Igno­rie­ren des Motu pro­pri­os zu einem Aus­blu­ten der Semi­na­re führt. Momen­tan gibt es nur sehr weni­ge Prie­ster, die die­se Form öffent­lich fei­ern, und die es tun, gel­ten als ver­rückt und blei­ben Vikare.“

Glau­ben Sie mir: Ich lei­de weder unter Ver­fol­gungs­wahn noch leh­ne ich die Gül­tig­keit des neu­en Ritus ab. In mei­nen Land­pfar­rei­en gibt es eine völ­lig nor­ma­le Seel­sor­ge mit Zelt­la­gern, Fami­li­en­got­tes­dien­sten und so wei­ter. Den­noch bin ich mitt­ler­wei­le als Extre­mist ver­schrien, der mit Anti­se­mi­ten (= Pius­bru­der­schaft) sym­pa­thi­siert. Ich schrei­be hier nur mei­ne Ein­drücke auf und könn­te sie – ganz ohne Selbst­mit­leid, nur als nüch­ter­ne Beob­ach­tung – mit wei­te­ren Bei­spie­len aus mei­ner eige­nen Seel­sorgs­pra­xis jeder­zeit ergän­zen. Für die deut­schen Diö­ze­sen gilt nach wie vor das Wort des dama­li­gen Kar­di­nals Ratz­in­ger aus dem Jah­re 2000:

„Wer sich heu­te für den Fort­be­stand die­ser Lit­ur­gie ein­setzt oder an ihr teil­nimmt, wird wie ein Aus­sät­zi­ger behan­delt; hier endet jede Toleranz.“

Es wäre höch­ste Zeit, daß den römi­schen Behör­den die Augen für die­se Zustän­de in Deutsch­land auf­ge­hen. Der Spre­cher der DBK kann sich sonst wei­ter­hin sie­ges­si­cher zurück­leh­nen und behaup­ten, das Inter­es­se an der „alten Mes­se“ sei gering. Denn: Solan­ge Prie­ster, die den alten Ritus fei­ern, in ihren Diö­ze­sen belä­chelt, mit Sank­tio­nen belegt, sozi­al kalt­ge­stellt oder als „Pius­bru­der“ ver­un­glimpft wer­den (und solan­ge die Obrig­keit dazu schweigt), sehe ich der Zukunft mit gemisch­ten Gefüh­len ent­ge­gen. Solan­ge der Papst Bischö­fe ernennt, die für sei­ne lit­ur­gi­schen Anlie­gen außer Lip­pen­be­kennt­nis­sen wenig übrig haben, liegt der Ball natür­lich in gewis­ser Wei­se auch wie­der beim Hei­li­gen Vater selbst.

Pfar­rer Hendrick Jolie ist Prie­ster der Diö­ze­se Mainz und Pfar­rer von drei Dia­spo­ra-Gemein­den im Oden­wald. Er ist Mit­glied der Spre­cher­grup­pe des Prie­ster­netz­wer­kes.

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1 Kommentar

  1. Die­se scham­lo­se Into­le­ranz der Alten Mes­se gegen­über ist für mich der Beweis, daß die Lit­ur­gie- reform auf Vie­le wie eine neue Leh­re wirkt und sie des­halb wie Häre­ti­ker agieren.

    Eine Son­der­form von Fundamentalismus.

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