(Karthum) Am 9. Juli konstituiert sich der Südsudan als unabhängiger, souveräner und international anerkannter Staat. Durch die britische Kolonialpolitik wurde im Zuge der Entkolonialisierung 1955 ein riesiger Territorialstaat geschaffen, der Regionen mit ethnisch, sprachlich, religiös und kulturell völlig verschiedenen Völkern zusammenpreßte. Der arabisch-moslemische Norden übte dabei eine teils unerbittliche Herrschaft über den schwarzen, christlichen oder animistischen Süden aus, der teilweise genozidähnliche Formen annahm. Unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker gelang es dem Süden, sich nach jahzehntelangem Ringen durchzusetzen und internationale Unterstützung für die Lostrennung vom moslemischen Norden zu erhalten. In einer Volksabstimmung sprachen sich fast 99 Prozent der Südsudanesen für die Unabhängigkeit aus.
Der künftige Staat Südsudan mit der Hauptstadt Juba umfaßt die südlichen und einige zentralsudanesische Regionen, die vorwiegend von nilotischen Völkern bewohnt werden, die Christen oder Animisten sind. 2005 begann sich nach vier Jahrzehnten brutaler Unterdrückung durch den Norden, die zwei Millionen Südsudanesen das Leben kostete und mehr als vier Millionen zu Flüchtlingen machte, eine Lösung der Sudanfrage abzuzeichnen.
Je näher der Tag der Teilung des heutigen Sudan kommt, desto unruhiger scheint der moslemische Norden zu werden. Es häufen sich die Gewalttaten entlang der vorgesehenen künftigen Staatsgrenze, besonders im Gebiet von Abyei im Zentralsudan.
Die schlimmste Unterdrückungsphase begann mit dem Amtsantritt des amtierenden sudanesischen Staatspräsidenten Omar Hassan el Bashir. Bashir leitete zunächst im Süden, dann auch in der an den Tschad angrenzenden Westregion Darfur eine radikale Arabisierungspolitik ein. Bereits 1983 war die Scharia, das islamische Gesetz für das gesamte Staatsgebiet oktroyiert worden, auch für die nichtislamischen Gebiete.
Die 1999 entdeckten Erdölfelder, die fast zur Gänze im Süden liegen, heizten die Spannungen und Begehrlichkeiten des Nordens noch mehr an. Das schwarze Gold dürfte auch der Grund der jüngsten Angriffe in der Region Abyel sein, die reich an Erdöl ist und deshalb zwischen Norden und Süden umstritten ist. Ethnisch und religiös gehört die Region zweifelsohne zum Süden. Der arabische Norden will auf die Einkünfte aus der Erdölförderung nicht verzichten.
Durch internationale Vermittlung einigten sich die beiden Seiten in der Abyel eine gesonderte Volksabstimmung durchzuführen, die über die künftige Staatszugehörigkeit der Region entscheiden soll. Khartoum verschob die Abstimmung inzwischen jedoch auf unbestimmte Zeit, da man im Norden von einem sicheren Sieg des Südens ausgeht. Obwohl laut einem Abkommen die Region bis zur endgültigen Entscheidung von gemischten Polizei- und Militäreinheiten gemeinsam kontrolliert werden soll, ließ Khartoum in den vergangenen Tagen Abyel, die Hauptstadt der Region, vom Militär regelrecht mit Gewalt erobern und die Bevölkerung vertreiben.
Die Teilung des Sudans bedeutet für den moslemischen Norden das Ende der Öleinnahmen aus dem Süden. Der Süden wird für mehrere Jahren ebensowenig Nutznießer des Bodenreichtums sein. Es müssen neue Erdölleitungen und Raffinerien errichtet werden. Heute liegt die gesamte Infrastruktur im Norden des Landes, wohin auch die Leitungen verlaufen. Der Süden kündigte bereits den Bau einer 3600 Kilometer langen Erdölleitung nach Lamu in Kenya an.
Der Süden wirft dem Norden Vertragsbruch vor und beschuldigt Khartum, irreguläre Milizen ehemaliger Offiziere der Südsudanesischen Befreiungsbewegung zu finanzieren, die seit Januar im Süden Unruhen anstiften. Die Strategie scheint eindeutig: Der Norden will dem Süden bereits vor seinem offiziellen Gründungstag das Leben schwer machen. Im Übrigen scheint sich zu wiederholen, was Khartum in Darfur vorexerzierte. Die arabisch-moslemische Regierung finanzierte und bewaffnete arabische Milizen gegen die schwarze bodenständige Bevölkerung.
Die Kämpfe mit dem Norden sind jedoch nicht die einzigen Probleme. Während der Norden sich traditionell mit der Demokratie schwertut, hofft man im Süden auf einen demokratischen Start. Die provisorische Verfassung wird jedoch mit Skepsis aufgenommen. Dem künftigen Staatspräsidenten werden für eine Übergangszeit von vier Jahren weitgehende Zuständigkeiten eingeräumt, die der klassischen Gewaltteilung nicht ausreichend Rechnung tragen. Während der Gründungsphase des neuen Staates wird von allen politischen Gruppen die Notwendigkeit einer starkes Autorität in der Person des Staatspräsidenten anerkannt. Die vorgesehene Zwei-Drittel-Mehrheit für die Vertreter der SPLM legt einen Schatten über die Zukunft des Südens.
(BQ/Giuseppe Nardi, BQ)