Liebe Brüder und Schwestern!
Nach einer Serie von Audienzen über die großen Heiligen der Kirche beginne ich heute eine neue Reihe, die man überschreiben könnte: »Schule des Gebets«. Beten ist Sprechen mit Gott. Um einen echten Dialog führen zu können, ist es nötig, Gott zu kennen, ihm nahezukommen, einen Weg zu ihm zu finden. Bei diesem Streben ist Jesus Christus uns Vorbild und Lehrer. Die Jünger, die wußten, daß er im inneren Gespräch mit dem Vater steht, baten ihn: Herr, lehre uns beten! Sie haben gespürt, daß sie nur durch Jesus sich Gott nähern konnten, der ihnen die Tiefe und Intensität der Beziehung eines Kindes zu Gott dem Vater vorlebte. Heute nun möchte ich in dieser ersten Katechese einer längeren Reihe zunächst einen kurzen Blick auf das Beten der antiken, nicht christlichen Völker richten. Denn immer schon wußten die Menschen irgendwie, daß es so etwas wie Gott gibt, auch wenn sie kein genaues Bild davon hatten; immer wußten sie, daß über ihnen eine Macht ist, die uns hören kann, zu der wir sprechen können. So kennen wir schon aus frühester Zeit Zeugnisse solcher Gebete, z. B. die Bittgebete von Menschen, die leiden oder sich in Gefahr befinden und zu diesem geheimnisvollen Gott rufen. Aus Mesopotamien sind auch Reuegebete bekannt, denen ein Bewußtsein für Schuld zugrunde liegt, aber in denen auch die Hoffnung auf Rettung und Befreiung zum Ausdruck kommt. Wenn auch noch undeutlich, so hatten die Menschen damit schon eine Ahnung von Gottes Erbarmen und Güte. In der weiteren Geschichte verstärkt sich das Verlangen der Menschen, Gott tiefer zu erkennen, ihm näherzukommen, ihn besser zu kennen und ihn so recht anzubeten. Der römische Kaiser Marc Aurel kam zu der Einsicht, daß das regelmäßige Beten für ein gedeihliches Zusammenwirken von göttlichem und menschlichem Tun notwendig ist. In diesen Beispielen von Gebeten in den verschiedenen Kulturen und Religionen können wir ein Zeugnis der religiösen Dimension des Menschen sehen, daß uns allen ein Wissen um Gott eingeschrieben ist, ein Bedürfnis nach Gott und ein Wissen darum, daß wir mit ihm in Kontakt treten müssen. Diese Ahnung, dieses Ausgreifen nach Gott findet dann seine Erfüllung, seinen vollendeten Ausdruck im Alten und Neuen Testament. Denn die Offenbarung reinigt die ursprüngliche Sehnsucht des Menschen nach Gott, klärt ihm das Bild Gottes selbst und lehrt ihn so, auf rechte Weise mit Gott in eine wirkliche Beziehung zu kommen.
Von Herzen grüße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache, heute besonders die Familien, die Freunde und die Gäste der neuen Schweizergardisten. Der Herr zeige euch die Schönheit des Gebets und schenke euch die Kraft, mit ihm das Gute zu tun. Danke.