(Nouakchott) Im nordafrikanischen Staat Mauretanien herrscht nicht nur allgemeine Rechtsunsicherheit. Dort wird die Sklaverei noch angewandt, als hätte sich seit dem 19. Jahrhundert nichts verändert. 45 Prozent der Bevölkerung müssen mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen. Die Mehrheit der Mauretanier sind Analphabeten. Im Jahresbericht 2010 von Amnesty International heißt es, daß die Sicherheitskräfte des Landes mit roher Gewalt gegen friedliche Demonstranten und Menschenrechtsaktivisten vorgehen, daß die Polizei und das Militär foltere, daß Personen ohne Haftbefehl und ohne Gerichtsverfahren festgehalten und eingesperrt sind und die Lage in den Gefängnissen verheerend ist.
Mauretanien, das an die West-Sahara, an Algerien, Mali und Senegal grenzt, wurde im 3. Jahrhundert nach Christus von Berbern besiedelt. Bis dahin war es von einer schwarzafrikanischen Bevölkerung bewohnt.
Im 11. Jahrhundert wurde das Land unter den Almoraviden islamisiert. Im 15. Jahrhundert gelangten die Portugiesen an die Atlantikküste des Landes. Ab dem 17. Jahrhundert kolonisierte Frankreich das Land. Erst 1904 wurde daraus ein französisches Protektorat und 1920–1960 eine Kolonie.
Islamische Republik
1960 erlangte das Land die Unabhängigkeit, konstituierte sich als Islamische Republik Mauretanien und wurde 1961 in die Vereinten Nationen aufgenommen. Gleich nach der Unabhängigkeit brachen ethnische Konflikte zwischen der maurischen (arabisch-berberischen) Bevölkerungsmehrheit und der schwarzen Minderheit aus. 1964 wurde ein Ein-Parteien-System institutionalisiert. Seit 1969 erhebt Marokko territoriale Ansprüche auf das Land. 1973 wurde das Land auch Mitglied der Arabischen Liga und unterzeichnete 1975 ein Abkommen mit Marokko und Spanien zur Besetzung und Aufteilung der West-Sahara. Allerdings wurde es dort vom bewaffneten Widerstand der Unabhängigkeitsbewegung geschlagen. Dies führte 1978 zu einem Staatsstreich, dem weitere in den Jahren 1980 und 1984 folgten.
1991 wurde eine neue Verfassung verabschiedet, die ein Mehrparteiensystem vorsieht. 1992 folgten Parlaments- und Präsidentenwahlen. M.O.S. Taya, bereits Machthaber seit dem Staatsstreich von 1984, wurde im Amt bestätigt. Daran änderte erst ein erneuter Staatsstreich von 2005 etwas mit der Einsetzung einer Übergangsregierung. 2007 wurde S.O.C. Abdallahi zum Staatspräsidenten gewählt, allerdings bereits 2008 wieder durch einen Militärputsch gestürzt. Seither ist der ehemalige Generalstabschef M.O. Abdel-Aziz neuer Machthaber Mauretaniens. 2009 gewann er die Präsidentenwahlen bereits im ersten Wahlgang.
Alle Wahlgänge wurden bisher von internationalen Beobachtern als „wenig transparent“ angezweifelt.
Staatsreligion Islam einzige anerkannte Religion
Laut geltender Verfassung von 1991 ist Mauretanien eine islamische Republik. Art. 5 bezeichnet den Islam als Staatsreligion und einzige im Land anerkannte Religion überhaupt. Dies bedeutet, daß alle Staatsbürger Moslems sein müssen. Der Besitz nicht-islamischer religiöser Schriften ist nicht ausdrücklich verboten. Verboten ist aber der Druck und die Verbreitung von nicht-islamischen religiösen Schriften. So ist auch die Weitergabe der Bibel in welcher Form auch immer untersagt.
Zum Jahresende 2008 wurde in Qudane eine Norwegerin verhaftet, weil sie christliches Material verteilte. Mit einer Verwahrung enthaftet wurde sie 2009 des Landes verwiesen, nachdem man sie erneut mit christlichen Schriften erwischt hatte, diesmal in Afar.
Da Artikel 5 der Verfassung restriktiv ausgelegt wird, ist für Christen jegliche Form der Evangelisation verboten. Wörtlich heißt es in der Verfassung, „Der Islam ist die Religion des Volkes und des Staates.“ Der Islam bildet durch die Scharia, das islamische Gesetz, die Grundlage der Rechtsordnung Mauretaniens. Alle Gesetze müssen mit der Scharia übereinstimmen.
Die Rolle des Verfassungsgerichtes hat de facto der Hohe Islamrat inne. Sechs Imame beraten die Regierung, ob Gesetzesentwürfe sich im Einklag mit dem islamischen Gesetz befinden. Alle Gerichte des Landes wenden die Scharia an, dies gilt für das Familienrecht ebenso wie für das gesamte Zivilrecht.
Religiöse Gruppen müssen sich nicht behördlich registrieren lassen. Jede nach außen gerichtete religiöse Aktivität ist ihnen untersagt. Für soziale und humanitäre Aktivitäten müssen sie eine Genehmigung des Staates einholen. Natürlich ist ihnen auch im Rahmen von genehmigten Aktivitäten jede Evangelisierung verboten.
An allen Schulen, auch Privatschulen muß der Islam unterrichtet werden. Die Teilnahme am islamischen Religionsunterricht ist verpflichtend. Aus ethnischen und religiösen Gründen kann um eine Befreiung angesucht werden.
Auf Abfall vom Islam steht Todesstrafe
Auf Apostasie vom Islam steht die Todesstrafe, wenn in den vergangenen Jahren auch kein Todesurteil mehr exekutiert wurde. Die Gesamtzahl der Christen in Mauretanien ist sehr klein. Es gibt etwa 4500 Getaufte. Die Zahl der Einheimischen unter ihnen wird zwischen 400 und 1000 Christen geschätzt. Genaue Angaben fehlen aus offensichtlichen Gründen.
Einziger Bischof von Mauretanien ist der Bischof von Nouakchott. Seit 1995 ist der deutsche Missionar Martin Albert Happe aus Sendenhorst im Münsterland Bischof von Mauretanien. Msgr. Happe gehört dem Orden der Weißen Väter an. Er beschrieb 2009 die Lage in Mauretanien: „Eine Besonderheit der Diözese Nouakchott ist, daß sie das gesamte Staatsgebiet der Islamischen Republik Mauretanien umfaßt. Da die Einwohner dieses Landes seit Jahrhunderten alle Moslems sind, sind alle Katholiken des Landes Nicht-Mauretanier, sowohl die Gläubigen als auch ihre Hirten. Um die Situation noch besser zu verdeutlichen, sei angefügt, daß der erste Priester, der ins Land kam und kein Militärkaplan war, die erste Heilige Messe zu Weihnachten 1957 zelebrierte. Bereits der erste Bischof, Msgr. Michel Bernard, begnügte sich nicht damit, der Hirte von einigen Tausend im Land lebenden Christen zu sein, sondern drängte darauf, daß die Priester und Ordensfrauen sich der einheimischen Bevölkerung widmeten, um ihnen Zeugen der Liebe Gottes zu sein, die uns durch Jesus Christus offenbart wurde.“
Erste Heilige Messe eines Missionars 1957
„Ein Weg, den wir aus diesem Grund gehen, ist die Caritas Mauritanie. 1970 gegründet, beschäftigt sie derzeit rund 120 Mitarbeiter. Von diesen sind 110 Männer und Frauen Mauretanier, also Moslems. Alle diese Mitarbeiter müssen unsere tiefen Beweggründe kennen und mit uns teilen. Sie müssen wissen, daß für uns Christen alle Menschen die gleiche Würde haben, unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrem sozialen Rang oder ihrer Volkszugehörigkeit. Sie müssen wissen, daß wir nicht dort sind, um unseren Landsleuten, unseren Familien und den Angehörigen unserer Religion zu helfen, sondern allen bedürftigen Menschen. Sie müssen wissen, daß wir uns dafür einsetzen müssen, daß auch diese Hilfsbedürftigen ihre Würde wiedererlangen, die ihr Schöpfer für die gewollt hat“, so Bischof Martin Albert Happe.
Die World Watch List von Kirche in Not nennt Mauretanien unter den Staaten, in denen die Religionsfreiheit am meisten eingeschränkt wird. Im Land befinden sich islamische Terroristen, die mit Al-Kaida verbunden sind. Sie sind spezialisiert auf die Entführung westlicher Staatsbürger, um Lösegelder oder andere Vorteile zu erpressen, oder – und dies keineswegs zuletzt – um damit die Christen zu treffen.
Am 29. Juni 2009 ermordeten unbekannte Extremisten den amerikanischen Christen Christopher Leggett, der als freiwilliger Helfer im Land tätig war. Er wurde am hellichten Tag in einem belebten Stadtteil der Hauptstadt Nouakchott auf offener Straße vor der Schule erschossen, an der er Computer-Unterricht erteilte. Die nordafrikanische Zelle von Al-Kaida bekannte sich mit einer Audiobotschaft an den arabischen Fernsehsender Al-Jazeera zum Mord. Begründet wurde die Ermordung Leggetts mit der Behauptung, er habe als „christlicher Missionar“ gewirkt und versucht Moslems zu bekehren.
Leggett brachte Jugendlichen und Erwachsenen neben dem Computerunterricht auch das Schneiderhandwerk bei. Zudem vergab er im Rahmen eines Hilfsprogramms Mikro-Kredite, um Notleidenden die Möglichkeit zu geben, eine eigenständige Aktivität aufzubauen.
Einheimische Christen leben gefährlich
Um sich einen Eindruck von Mauretanien zu machen, darf ein weiterer schwerwiegender Vorfall im Jahr 2009 nicht unerwähnt bleiben. Im Juli wurden 35 Christen verhaftet und gefoltert, im August weitere 150 verhaftet.
Am 29. November 2009 wurden drei Katalanen, zwei Männer und eine Frau, die ehrenamtliche Mitarbeiter einer humanitären Hilfsorganisation waren, auf der Straße zwischen Nouakchott und Nouadhibou entführt. Zur Entführung bekannte sich die Al-Kaida-Gruppe des Magreb (AQMI). Die Frau, Alicia Gamez, wurde im März 2011 in Mali freigelassen. Das Schicksal der beiden Männer ist unbekannt.
Am 18. Dezember 2009 wurde in Gao der Italiener Sergio Cicala und dessen Frau Philomene Kaboure von der AQMI entführt. Sie wurden ebenfalls nach Mali verschleppt und dort am 16. April 2010 freigelassen.
(Bussola Quotidiana/Giuseppe Nardi, Bild: Wikicommons)