(Vatikan/Assisi) Die Ankündigung einer Neuauflage der umstrittenen Weltgebetstreffen von Assisi durch Papst Benedikt XVI. löste großes Staunen aus. Staunen sowohl der Befürworter als auch der Kritiker. Beide Seiten schienen sich mit der Wahl Joseph Kardinal Ratzingers auf den Stuhl Petri darin einig, daß es unter seinem Pontifikat kein weiteres Assisi geben werde. Die Einen machten es ihm zum Vorwurf, die anderen erhofften eben genau dies vom ehemaligen Präfekten der Glaubenskongregation.
Dennoch zeichnet sich ab, daß jene, die 2005 „darauf gewettet“ haben, wie der Vatikanist Paolo Rodari schreibt, daß es kein Assisi 3 geben werde, Recht behalten werden. Die zwei zurückliegenden und das noch bevorstehende Treffen lassen eine Entwicklung erkennen.
Assisi 1, von Johannes Paul II. 1986 gewollt, löste gerade in der katholischen Kirche nicht nur Erstaunen, sondern wegen des synkretistischen Charakters teils sogar Entsetzen aus. Buddha-Statuen auf katholischen Altären, animistischer Hokuspokus in geweihten Hallen. Ein Kunterbunt der Beliebigkeit. Eine Art Vereinte Nationen der Religionen. Ein Treffen, bei dem jede Religion gleichwertig und sich der katholische Glaube als einer unter vielen anderen zu verschwimmen schien. So war es von Karol Wojtyla nicht gewollt, doch der medial verstärkte Eindruck war eben dieser.
Die Neuauflage Assisi 2 von 2002 ließ im Ablauf deutliche Unterschiede zu 1986 erkennen. Die gewünschte Friedensbotschaft: (religiöse) Menschen, die sich begegnen, bekämpfen sich nicht gewaltsam, drang deutlicher durch. Dennoch blieb ein unangenehmer Beigeschmack, der eine gewisse Unbeholfenheit erkennen ließ, die richtige Form für den interreligiösen Umgang zu finden.
Weltliche Beobachter sahen bereits 1986, deutlicher 2002, daß die katholische Kirche, mehr noch deren Oberhaupt der Papst, jene Bedeutung zu haben scheint, wenn nicht einer Art Sprecher, so doch die höchste religiöse Autorität auf Erden zu sein.
Assisi 3: keine Neuauflage, sondern Reinigung von Assisi 1 und 2
Assisi 3 hat neben dem erklärten Ziel, die stets unruhigen und vielfach gewalttätigen Menschen der Welt zum Frieden zu mahnen, offensichtlich ein innerreligiöses und noch mehr ein innerkatholisches Ziel: Die Korrektur der vorhergehenden Treffen. Papst Benedikt XVI. scheint entschlossen, die 1986 geschlagene, synkretistische Wunde, die 2002 nur abgemildert wurde, endgültig zu schließen.
Am vergangenen Samstag gab der Heilige Stuhl von den meisten Medien unbeachtet die Richtlinien des Papstes für Assisi 3 bekannt. Als Grund für das Treffen wird nicht eine interreligiöse Zielsetzung genannt, sondern um an das erste Treffen von 1986 vor 25 Jahren zu erinnern. Assisi soll in die richtige, in eine korrigierte Form gebracht. Anders ausgedrückt, aus dem Wojtyla-Assisi soll ein Ratzinger-Assisi werden. Assisi wird „gereinigt von jedem Schatten“ des Synkretismus, so der Vatikanist Sandro Magister. Der sogenannte „Geist von Assisi“ scheint sich zu verflüchtigen.
Die wenigen Angaben des Heiligen Stuhls sind recht eindeutig. Den verschiedenen Religionsvertretern werden keine Kirchen und geweihten Orte zur Verfügung gestellt. Es werden also im Gegensatz zu 1986 weder Moslems noch Hindus, weder Juden noch Buddhisten irgendetwas in einem Gotteshaus tun. Die verschiedenen Delegationen beten still, jeder für sich, auf dem Weg zum Vorplatz der Basilika des hl. Franziskus. Es wird also weder ein gemeinsames Gebet geben noch werden andere Religionen hörbar beten. Der Heilige Stuhl begründet dies damit, daß die verschiedenen Vertreter damit für den Frieden beten können „ohne auf ihre eigene Identität zu verzichten oder synkretistischen Formen nachzugeben“.
Zudem legt der Papst allen Beteiligten eine Zeit des Fastens auf. Das gemeinsam von den verschiedenen Delegationen eingenommene Mittagessen soll ein karges Fastenmahl sein, um den Charakter des Betens und Fastens für den Frieden zu unterstreichen.
Pilgerweg des Fastens und Schweigens
Assisi 3 ist weniger als Treffen als vielmehr als Pilgerschaft konzipiert. Damit, so der Heilige Stuhl, „soll der Weg jedes einzelnen Menschen auf der beharrlichen Suche nach der Wahrheit symbolisiert werden“ und die Verpflichtung zu „Gerechtigkeit und Frieden“.
Zu den Neuerungen oder besser Korrekturen Benedikts XVI. gehört aber auch, daß er nicht nur Vertreter der traditionellen Religionen mit auf den Pilgerweg des Fastens und der Stille nach Assisi nimmt, sondern auch einige Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft, die offiziell religionslos sind, „sich aber auch der Suche nach der Wahrheit befinden und die gemeinsame Verantwortung für die Gerechtigkeit und den Frieden in dieser unserer Welt verspüren“, so der Heilige Stuhl.
Das ist ein konkreter Schritt des Papstes, die Neuevangelisierung zu den Ungläubigen zu tragen in einem in vielen Aspekten bereits nachchristlichen Europa. Anknüpfungspunkt dafür ist die Areopagrede des Apostels Paulus. Für die Neuevangelisierung der alten Welt errichtete der Papst bereits ein eigenes Dikasterium.
Es ist mühsam zu spekulieren, ob der Papst damit auf die stärker werdende Kritik traditionalistischer Kreise reagiert, die sich von seinem Pontifikat eine stärkere und schnellere Kursänderung erwarteten. Oder ob er sich gegen innerkirchliche Widerstände jener durchsetzen muß, die sich dem Zeitgeist gegenüber nachgiebiger zeigen. Das ins siebte Jahr eintretende Pontifikat Benedikts XVI. zeigt jedoch eine ganz eigene, unbeirrte Handschrift, die bestrebt scheint, Schritt um Schritt Fehlentwicklungen zu korrigieren und damit die katholische Kirche für die Zukunft solide zu rüsten.
(Giuseppe Nardi, Bild: Zetesis)